Digitalisierung und Japanisch lernen

Das Schlagwort „Digitalisierung“ erfasst alle Lebensbereiche, und in Zeiten von Corona hat es auch in Schulen und Universitäten viele Veränderungen in dieser Hinsicht gegeben. Diese Entwicklung spiegelt sich ebenfalls in der Lehrer*innenbildung Japanisch an der Universität zu Köln wider. Während die Digitalisierung vor Corona nur marginal eine Rolle spielte, nimmt digital unterstütztes Lernen inzwischen zumindest im Master deutlich mehr Raum ein. Dabei gehen die Anfänge des computergestützten Japanischlernens durchaus bis in die 1990er Jahre zurück.

Vor allem die Gründung der Vereinigung Computer Assisted System for Teaching & Learning/Japanese (CASTEL/J) im Jahre 1991 durch OIKAWA Akifumi (damals beim Staatlichen Sprachforschungsinstitut (Kokuritsu Kokugo Kenkyûjo) tätig) hat das computergestützte Japanischlernen nachhaltig beeinflusst. So wurden in der Anfangszeit copyright-freie Wörterbücher, Texte in japanischer Sprache, Bilder und Videos in einer Datenbank gesammelt und zunächst mit Hilfe von Datenträgern wie CDs oder DVDs, später aber auch online zugänglich gemacht. Inzwischen ist die Vereinigung im Bereich des internationalen wissenschaftlichen Austauschs tätig und veranstaltet Tagungen, deren Ergebnisse später veröffentlicht werden (z. B. Lee, Jaeho (Hg.) (2019). ICT X Nihongo kyōiku. Tōkyō: Hitsuji shobō, vgl. Foto rechts).

Auch wenn die Anwendungen, die im Japanischunterricht heute im Allgemeinen genutzt werden, noch relativ einfach sind, so zeigt das Programm der am 10./11. August 2021 online stattfindenden Tagung CASTEL/J 2021 doch deutlich, dass auch für Japanisch als Fremdsprache vielfältige Forschungen in Gang gekommen sind. Ein Beispiel dafür ist der JWriter, ein von LEE Jae-Ho und HASEBE Yōichirō entwickeltes Werkzeug zur Analyse der Qualität von Lernenden-Schreibprodukten, das auch Zusatzkommentare oder diagnostische Hinweise zur erreichten Lernstufe und vorkommenden Textmerkmalen gibt. So können Lernende ihre Produkte verbessern bzw. weitere Ratschläge von einer Lehrperson einholen.

Bis diese Forschungen in den (Präsenz-) Unterricht Eingang finden, dauert es erfahrungsgemäß etwas. Dennoch lässt sich festhalten, dass sich auch hier bereits seit längerem für Lernende die Möglichkeit bietet, direkt auf kulturelle und sprachliche (Original-) Ressourcen im Internet zuzugreifen. Dies führt allerdings gerade bei Anfänger*innen schnell zu einer Überforderung, so dass diese Lernenden Anleitung und Unterstützung benötigen. Z. T. finden sie diese im Netz durch digitale Werkzeuge wie Online-Wörterbücher, Lehr-Lern-Videos zu bestimmten Bereichen der sprachlichen Mittel (Grammatik, Aussprache) oder auch einfache Apps oder Programme, mit denen sich Übungen gestalten oder Wortschatz lernen lassen (ein bewährtes Beispiel für solche digitale Lernkarten ist Anki, eine quelloffene Lernkartei, die selbst gestaltet werden kann).

Da digitale Werkzeuge im Japanisch-Unterricht an Schulen aber zunächst u. a. aufgrund der fehlenden Infrastruktur oder bestehender Schulregeln eher zögerlich genutzt wurden, nahmen sie auch nur wenig Raum in den Fachdidaktik-Seminaren ein. Durch die Covid 19-Pandemie fand allerdings eine Beschleunigung der Digitalisierung in den Schulen und Hochschulen statt, und damit spielt dieses Thema nun auch im Lehramtsstudium eine größere Rolle. So lernen die Studierenden schon im Bachelor digitale Werkzeuge zum kooperativen Lernen kennen, die sie später auch im schulischen Unterricht einsetzen können. Im Master haben sie Gelegenheit, selbst Unterricht mit Hilfe digitaler Medien gestalten zu lernen.

© D. Glowania

Dazu gehören auch die Konzeption und Umsetzung von Einheiten zum synchronen und asynchronen digitalen Lernen (s. Bild links). Dabei kommt es – wie im Präsenzunterricht auch – darauf an, die Schüler*innen dort „abzuholen, wo sie stehen“, was durch das Anknüpfen an die bereits erarbeiteten Wissensgebiete (Wortschatz, Grammatik, soziokulturelles Orientierungswissen) und die Situierung der Aufgaben in der Lebenswelt der Schüler*innen erreicht werden kann. Hinzu kommt die Möglichkeit zur systematischen Erarbeitung eines bestimmten Kompetenzbereichs (spiralförmiges Curriculum) im Rahmen einer asynchronen Lerneinheit. Wichtig ist hier die Aktivierung der Schüler*innen, damit das Lernvideo nicht einfach nur „konsumiert“ wird. Diese erfolgt z.B. durch die direkte Ansprache der (bekannten) Lehrkraft mittels Videobotschaft, aber noch stärker durch interaktive Elemente, beispielsweise durch problemlösende Aufgabenstellungen (analog und/oder digital) unter Nutzung verschiedener Aufgabentypen. Ein (automatisiertes) Feedback zum Lernerfolg liefert den Lernenden erste Anhaltspunkte, ebenso bieten eine im Lernvideo angelegte Reflexion des genutzten Mediums und des Lernfortschritts wichtige Denkanstöße. Gleichzeitig sollte jedoch klar sein, dass nach wie vor die Begleitung durch eine Lehrkraft, die Möglichkeit der Abgabe von Lernprodukten und das passgenaue Feedback dazu unverzichtbare Schritte für ein nachhaltiges Lernen sind und die Nutzung von Apps oder Programmen immer nur zusätzliche Möglichkeiten – beispielsweise zu unterschiedlichen Zugängen oder zur gezielten Arbeit an einem Bereich – bereitstellt (weitere Informationen zum digitalen Lernen in der Lehrer*innenbildung Japanisch hier).

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Die Kölner Japanologie stellt sich vor: Teil X

Name
Katharina Hülsmann

Was wollte ich eigentlich einmal werden?
Schon seit frühester Kindheit habe ich mich fürs Zeichnen und für Comics interessiert. Natürlich wollte ich gerne auch einmal ‚Zeichnerin‘ werden, aber weiter haben sich diese Vorstellungen nicht konkretisiert. Meine Faszination fürs graphische Erzählen entwickelte sich jedoch stetig über die Jahre. Zuerst einmal gab es bei uns im Haushalt vor allen Dingen die Klassiker, die man auf dem deutschen Comicmarkt findet: Das Lustige Taschenbuch, wofür ich mich allerdings nie wirklich begeistern konnte. Interessanter fand ich französische und frankobelgische Serien wie Asterix, Lucky Luke oder Spirou. Gegen Mitte der 1990er gab es dann in Deutschland den ersten großen Boom von japanischer Populärkultur und ich fing an, Manga zu lesen. Insbesondere Sailor Moon gefällt mir bis heute noch. Über Manga begann ich auch, mich für die japanische Kultur und Gesellschaft zu interessieren, und ich habe meinen ersten Japanischkurs an der Volkshochschule besucht. Als ich dann mein Abitur in der Tasche hatte, entschied ich mich, Modernes Japan zu studieren. Mich interessierte nach wie vor das Land, die Kultur und insbesondere die Populärkultur. Auch japanische Musik und japanische Horrorfilme hatten in der Zwischenzeit an internationaler Beliebtheit gewonnen und es wurde viel diskutiert, was diese populärkulturellen Erzeugnisse ‚so besonders‘ mache.

Was mache ich jetzt?
Momentan bin ich im Ostasiatischen Seminar der Universität zu Köln in der Abteilung Japanologie als Projektmitarbeiterin zum Thema „Die gespaltene Gesellschaft – diskursive Konstitution Japans zwischen Atombombe (genbaku) und Atomkraftwerk (genpatsu)“ angestellt. In diesem Projekt recherchiere ich in alten Sammlungen zu Manga, die sich mit diesen Themenkomplexen beschäftigen. Außerdem kümmere ich mich auch um organisatorische Belange, wie z. B. die Betreuung von Publikationen und Veranstaltungen.

Wie bin ich zu diesem Beruf gekommen?
Bevor ich nach Köln kam, habe ich lange in Düsseldorf am Institut für Modernes Japan gearbeitet. Zuerst 2010 als studentische Hilfskraft, dann als wissenschaftliche Hilfskraft und später ab 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ich beschäftigte mich während meines Studiums eigentlich von Anfang an mit verschiedenen populärkulturellen Medien Japans – Videospiele, Manga, Anime. Auch transkulturelle Einflüsse innerhalb der Populärkultur interessierten mich sehr. Nach meinem Bachelorabschluss begann ich zudem, mich für Genderforschung und Genderrepräsentationen in der Populärkultur zu interessieren. Da die Japanologie kein Methodenfach ist, bedient sie sich an allen möglichen Disziplinen und so bekommt man einen Einblick in verschiedenste Forschungsrichtungen: Medienwissenschaft, Soziologie, Ethnologie.

Hängengeblieben bin ich schließlich bei den Cultural Studies und führte für meine Dissertation eine Feldstudie unter dōjinshi-Künstler*innen in Japan durch. Bei dōjinshi handelt es sich um Publikationen, die von einzelnen Künstler*innen oder Künstler*innengruppen selbst herausgegeben  und im Rahmen von spezialisierten Events, wie z.B. der Comiket, in Umlauf gebracht werden. Diese Art der inoffiziellen Publikationen im Manga-Format interessierte mich besonders, da sie als eine Form der kreativen Teilhabe gesehen werden können.

Besonders starke Erinnerungen habe ich aber auch noch an das Jahr 2011, das das
150. Jubiläumsjahr der deutsch-japanischen Beziehungen war und auch das Jahr, in dem Japan nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima besonders viel internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde. Wir hatten nach längerer Planung Herrn Hideto Sotobayashi (ein Hiroshima-Überlebender, der in Deutschland lebte) eingeladen, einen Vortrag über seine Erfahrung des Atombombenabwurfs zu halten. Im Rahmen seines Vortrages wurde er auch zu seinem Standpunkt bezüglich ‚friedlicher‘ Atomenergie befragt. Die schrecklichen Erfahrungen, die er schilderte, und auch seine Haltung gegenüber der industriellen Nutzung von Atomenergie, deren Friedfertigkeit er hinterfragte, haben einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Deswegen freut es mich sehr, mein Wissen über Manga nun auch im Rahmen des aktuellen Projekts verarbeiten zu können.

Was schätze ich an meinem Beruf?
Einerseits schätze ich den Austausch und die Kooperation mit anderen Forschenden. Ich bin Mitglied in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften zu Comicforschung sowie zu Fan- und Partizipationsforschung, habe im Wintersemester 2020/2021 beispielsweise im Rahmen eines Lehrauftrages am Institut für Medienkultur und Theater gelehrt und freue mich immer, meine Gedanken und Forschungsergebnisse selbst in einem fachfremden Kontext vorzustellen. Da bekommt man viele neue Ideen und kann die eigene Perspektive besser reflektieren. Oft ist man als Japanolog*in auf nicht-japanologischen Tagungen allerdings eine Art Exot*in und hat dann die Gelegenheit, mit stereotypen Japanbildern aufzuräumen – was für alle Beteiligten ein Gewinn ist, denke ich.

Andererseits schätze ich es auch sehr zu lehren. Als ich meinen Bachelor begann, gab es lediglich einen Kurs, der sich mit der Medienlandschaft Japans beschäftigte. Mittlerweile werden Medien und Populärkultur Japans viel mehr in den wissenschaftlichen Fokus gerückt und es freut mich, die Studierenden an wissenschaftliches Arbeiten heranzuführen und sie in ihren Interessen zu bestärken. Außerdem lerne ich von den Studierenden selbst viel Neues – man hat in der Forschung leider nicht viel Zeit, um neue Serien oder Manga zu konsumieren und durch die Studis werde ich auf dem Laufenden gehalten, was gerade angesagt ist. Insgesamt finde ich es wunderbar, dass man im universitären Bereich nie aufhört zu lernen und dass man sich mit immer neuen Themenbereichen auseinandersetzt. So wird es nie langweilig.

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Die Kölner Japanologie stellt sich vor: Teil IX

Name
Paul Schoppe

Was wollte ich eigentlich mal werden?
Während der Schulzeit hatte ich im Grunde noch keine konkreten Berufsvorstellungen und habe mich lediglich von meinen schulischen und freizeitlichen Interessensgebieten in verschiedene Richtungen treiben lassen. Meine Lieblingsfächer in der Schule waren Sprachen und Naturwissenschaften, wobei ich aufgrund eines Interesses für Astronomie letztlich Physik und Chemie als Leistungskurse in der Oberstufe wählte. Zudem besuchte ich im Rahmen von Schnupperveranstaltungen an der Universität Vorlesungen zu Astrophysik, um dies als möglichen Studien- und Berufszweig zu erkunden. Gleichzeitig habe ich während der Gymnasialzeit jedoch auch jahrelang intensiv das asiatische Brettspiel Go gespielt und bin darüber auch dazu gekommen, in meiner Freizeit Japanisch zu lernen. Und spätestens als ich bei der Abiturprüfung meine beste Note nicht etwa in den naturwissenschaftlichen Leistungsfächern, sondern im Nebenfach Englisch bekam, wusste ich, dass ich mich für das Studium auf den Bereich Sprachen ausrichten sollte. Ich habe mich daher an verschiedenen Universitäten für das Studienfach Japanologie (teils mit Nebenfach Anglistik) beworben und bin schließlich im Studiengang Asienwissenschaften mit Schwerpunkt Japanisch in Bonn gelandet. Da mir im Laufe dieses Studienganges bewusst wurde, dass ich gerne an der Universität arbeiten würde, folgten darauf der Masterstudiengang Regionalwissenschaft Japan, ein langjähriger Studienaufenthalt in Japan sowie die derzeit laufende Promotion in Japanologie.

Was mache ich jetzt?
Seit März 2020 arbeite ich im Rahmen des DFG-Projekts „Die Neuordnung des Wissens: zur Genese ‚Nationalsprachlicher Lexika‘ (kokugo jisho) und der Kommerzialisierung von ‚Wissen‘ im Ōsaka des 17./18. Jahrhunderts“ als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Japanologie der Universität zu Köln. Meine Tätigkeit besteht aus der Anfertigung einer textkritischen Edition und kommentierten Übersetzung eines setsuyōshū (siehe auch Blog-Eintrag „Lexikalische Erdbeeren“) der Edo-Zeit. In der ersten Phase des Projekts beschäftige ich mich derzeit mit der Lektüre eines solchen Sprachlexikons und der Übertragung desselben in ein Textverarbeitungsprogramm.

Wie bin ich zu diesem Beruf gekommen?
Da ich mich im Rahmen meines Promotionsprojektes mit dem japanischen Mittelalter beschäftige, hatte ich stets gehofft, dass ich irgendwann auch eine japanologische Stelle mit vormoderner Ausrichtung finden würde. Als zur Jahreswende 2019/20 eine Ausschreibung für eine derartige Mitarbeiterstelle in der Kölner Japanologie stattfand, habe ich diese Gelegenheit sogleich ergriffen.

Was schätze ich an meinem Beruf?
Die Arbeit im Projekt findet in kleiner Gruppe statt, in der die einzelnen Mitarbeiter selbstbestimmt arbeiten können und bei Besprechungen gleichermaßen die Gelegenheit haben, sich mit Ideen und Vorschlägen einzubringen. Auch den eigentlichen Arbeitsinhalt schätze ich sehr, da das Entziffern handschriftlicher Schriftzeichen immer wieder aufs Neue ein spannendes Rätsel ist. Zum einen führt dies regelmäßig zu Erfolgserlebnissen, wenn es einem gelingt, besonders schwer lesbare Zeichen zu entziffern. Zum anderen kann man bei dieser Arbeit unmittelbar die eigenen Fortschritte wahrnehmen, denn man lernt jeden Tag, sowohl neue Schriftzeichen zu lesen als auch bereits vorgekommene Zeichen wiederzuerkennen. Darüber hinaus kann ich aufgrund der vormodernen Ausrichtung des Projektes die Kenntnisse der klassischen japanischen Schriftsprache, die ich mir für die Dissertation angeeignet habe, nun auch im Beruf anwenden und weiter ausbauen.

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Die Kölner Japanologie stellt sich vor: Teil VIII

Name
Naoko Rech

Was wollte ich eigentlich mal werden?
Mein Vater war mit Leib und Seele Grundschullehrer. Er bekam zu Hause oft Besuche seiner ehemaligen Schüler*innen, manchmal mit ihren Kindern. Beim gemeinsamen Abendessen unterhielt er sich mit seinen Gästen darüber, was in der Schule alles geschehen war. Dabei wurde viel gelacht. Ich war oft bei den gemeinsamen Abendessen dabei und habe mitbekommen, welch wertvolle Zeit mein Vater mit seinen Schüler*innen teilte. Daher war Grundschullehrerin von klein auf mein Traumberuf. Diesen Beruf habe ich in der Tat ausgeübt, bis ich nach Deutschland übergesiedelt bin, und ich war mit dieser Auswahl sehr zufrieden. Inzwischen sind meine ersten Schüler*innen erwachsen geworden. Wenn ich aus der Ferne von ihnen etwas höre, freue ich mich darüber sehr, genauso wie mein Vater damals…

Was mache ich jetzt?
Jetzt arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Fremdsprachendidaktik Japanisch und schreibe außerdem an meiner Dissertation. In meinem Unterricht befasse ich mich mit Japanischunterricht an Schulen und in der Doktorarbeit mit Japanischunterricht an Hochschulen.

Wie bin ich zu diesem Beruf gekommen?
Drei Jahre, nachdem ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich angefangen, an einer Volkshochschule Japanischunterricht für Erwachsene zu erteilen. Während des Unterrichts stellten mir die Teilnehmer*innen viele interessante Fragen wie z.B. „Warum gibt es denn so viele Partikeln im Japanischen?“ oder „Warum wird für ein Gespenst anstatt „arimasu“ „imasu“ verwendet, obwohl es nicht mehr lebt?“ Während des Unterrichts spürte ich stets den Wunsch, meine Kenntnisse in und vor allem über Japanisch zu vertiefen. Deswegen habe ich an der Ruhr-Universität Bochum meinen Master der Japanologie/Japanische Linguistik absolviert. Nach dem Masterstudium fühlte ich mich zwar in der Grammatik fitter, musste aber bei der Lehre an der LMU-München feststellen, dass es im Japanischunterricht nicht nur um linguistische Kenntnisse geht.  Darum habe ich meine Promotion hier in Köln angefangen und dadurch jetzt auch hier eine Stelle bekommen. Ich würde jedoch sagen, diejenigen, die mich dazu bewogen haben, in diesem Bereich tätig zu sein, waren meine netten und wissbegierigen Kursteilnehmer*innen an der VHS.

Was schätze ich an meinem Beruf?
Didaktik ist ein Thema, das mich immer fasziniert, egal um welche Art von Schule oder Institut es gehen mag. Mit einer angemessenen Didaktik kann man viele Menschen erreichen und ihnen das Lernen erleichtern. Ich bin froh, dass ich mich in meinem Beruf damit beschäftigen kann, mit anderen Menschen zu arbeiten und sie bei ihrem Lernen zu unterstützen.

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Bildungsreform in Japan

Bildungspläne, die die Grundlage für das Lernen in den Schulen darstellen, werden in Japan – wie in vielen anderen Ländern auch – etwa alle zehn Jahre überarbeitet (für allgemeine Informationen zum japanischen Schulsystem hier klicken). Die jüngste Reform wird gerade umgesetzt, die Lehrpläne (gakushû shidô yôryô) gelten nach einer mehrjährigen Übergangsphase ab April dieses Jahres für alle Jahrgangsstufen der Grundschulen (shôgakkô, Klasse 1–6). Die Mittelschulen (chûgakkô, Klasse 7–9) folgen ein Jahr später, und die Oberschulen (kôtô gakkô, Klasse 10–12) führen die neuen Regelungen ab April 2022 jahrgangsweise ein.

Die Bildungspläne legen das Kerncurriculum der jeweiligen Fächer fest und haben großen Einfluss auf die Lehrwerke. Als zentrale Ziele der neuen Pläne werden die verbesserte Ausbildung von Qualifikationen und Kompetenzen sowie die Verbesserung der Leistungsmessung angestrebt. Betont wird neben dem Erwerb von Wissen und Fertigkeiten die Vermittlung von Denk- und Entscheidungsvermögen. Sie sollen dazu beitragen, erworbene Wissens- und Fertigkeitsbestände in einer Situation auszuwählen und auf unbekannte Kontexte zu übertragen. Darüber hinaus soll die Fähigkeit gestärkt werden, das Lernen für den Alltag und die Gesellschaft nutzbar zu machen.

Wichtigste Änderungen der neuen Bildungspläne sind:

  • die stärkere Ausbildung sprachlicher Kompetenzen und Ausdrucksfähigkeit sowohl im Japanischunterricht (kokugo) als auch in allen anderen Fächern
  • die Verbesserung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung durch Bearbeitung realitätsnaher, problemorientierter Aufgabenstellungen
  • die Einführung von Fremdsprachen, i.d.R. Englisch, ab der Klasse 3 der Grundschule (in den Klassen 3 und 4 lernen die Schüler*innen im „fremdsprachliche Aktivitäten (gaikokugo katsudô)“-Unterricht Fremdsprache und Kultur sowie einfache mündliche Kommunikation kennen. Ab der Klasse 5 wird Englisch dann als Unterrichtsfach angeboten. Bisher begann der Englischunterricht an öffentlichen Schulen erst in der Mittelschule)
  • die Abwendung vom reinen Frontalunterricht und die aktive Teilnahme aller Schüler*innen am Unterricht durch Gruppenarbeit oder Diskussionen (Stichwort: active learning)
  • die Vorbereitung der Schüler*innen auf die Digitalisierung durch die Nutzung digitaler Werkzeuge in einer Vielzahl von Fächern, beginnend in der Grundschule.

Mit der Reform der Bildungspläne werden auch die zentralen Eingangsprüfungen für die Universitäten verändert. So sollen beispielsweise an die Stelle der bisher üblichen Multiple-Choice- oder Markierungsverfahren in Japanisch und Mathematik offene Aufgabenformate treten, die von den Kandidat*innen frei formuliert zu bearbeiten sind. Für Englisch soll der Nachweis aller vier Fertigkeiten (neben Leseverstehen und Schreiben auch Hörverstehen und Sprechen) beispielsweise durch international anerkannte Sprachzertifikate erbracht werden.

Die Einführung dieser wesentlichen Neuerungen wurde kurz vor Ende des vergangenen Jahres noch einmal zunächst bis in das akademische Jahr 2024 verschoben. Inzwischen ist klar, dass das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (Monbukagakushô) bis dahin jährlich eine Überprüfung vornehmen und dann die Leitlinien für den im darauffolgenden Jahr stattfindenden Eingangstest festlegen wird. Dennoch ist davon auszugehen, dass die angestrebten Änderungen ihren Einfluss auf die schulische Praxis haben werden. Denn während bislang in der zentral durchgeführten Eingangsprüfung für die Universitäten (sentâ shiken) alle Fächer nur im Auswahlverfahren geprüft wurden und es eher auf Wissen und in gewissem Umfang auf Fertigkeiten ankam, soll die neue Prüfung (daigaku nyûgaku kyôtsû tesuto) auch die in die Bildungspläne neu aufgenommenen Lernziele wie Ausdrucksfähigkeit sowie Denk- und Urteilsvermögen messen.

Die neue Prüfung wird erstmals im kommenden Jahr durchgeführt, allerdings gelten für Japanisch, Mathematikund Englisch vorerst noch nicht die neuen Vorgaben, sondern es wird weiterhin Multiple-Choice-Aufgaben geben. Dennoch sind auch hier schon kleine Veränderungen spürbar. Wie das für die Durchführung des Tests zuständige Zentrum am 29. Januar 2020 mittteilte, wird der Test für Japanisch unverändert in 80 Minuten durchgeführt werden. Wären frei formulierte Aufgabenformate zum Einsatz gekommen, hätte die Bearbeitungszeit bei 100 Minuten gelegen. In der Englischprüfung sollen bislang übliche Aufgabenformate wie die Umstellung von Wörtern oder die Auswahl von Aussprache- und Betonungsmustern einzelner Wörter allerdings nicht mehr vorkommen. Für die Bereiche „schriftlich“ (hikki), in denen es vor allem um das Leseverstehen gehen wird, und „Hörverstehen“ (risuningu) wird es künftig jeweils 100 Punkte geben, wodurch dem Hörverstehen stärkeres Gewicht zukommt (bislang nur 20%).

Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Umstellung des Systems nur dann erfolgreich verlaufen wird, wenn die neuen Lerninhalte auch Gegenstand der wichtigen Aufnahmeprüfungen sind. Aber selbst dann sehen Insider gewisse Schwierigkeiten bei der Umsetzung, da es sich vor allem um eine Reform handelt, die im Top-down-Prozess in die Schulen kommt. Wenn die Lehrkräfte nicht die entsprechenden Qualifikationen besitzen, um die neuen Unterrichtsformen und -inhalte umzusetzen, wird sich trotz aller wohlgemeinten und ambitionierten Veränderungen der Lehrpläne so schnell nichts an der bisherigen Praxis ändern.

Bei einer Exkursion an die Japanische Internationale Schule Düsseldorf konnten sich die teilnehmenden Kölner Studierenden ein erstes Bild davon machen, wie der Unterricht an einer japanischen Grundschule verläuft. Derzeit befindet sich die Schule zwar noch in der Übergangsphase, aber da die neuen Lehrpläne für die Grundschule ab dem April 2020 gelten, sind in den meisten Stufen die Veränderungen größtenteils abgeschlossen. Insbesondere im Vergleich zu Schulen innerhalb Japans sei die Umsetzung der Neuerungen an einer Auslandsschule insgesamt schneller zu bewerkstelligen. Dadurch habe sich die Schule deutlich verändert, erklärte der Direktor, Herr Nakada, der sich viel Zeit nahm, um mit den Studierenden über seine Visionen der idealen Schule zu sprechen. Besonders positiv hoben die Teilnehmer*innen an der Exkursion die intensive Beteiligung, die gute Zusammenarbeit der Schüler*innen und das hohe Motivationsniveau in den meisten beobachteten Fächern hervor.

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