Die Kölner Japanologie stellt sich vor: Teil X

Name
Katharina Hülsmann

Was wollte ich eigentlich einmal werden?
Schon seit frühester Kindheit habe ich mich fürs Zeichnen und für Comics interessiert. Natürlich wollte ich gerne auch einmal ‚Zeichnerin‘ werden, aber weiter haben sich diese Vorstellungen nicht konkretisiert. Meine Faszination fürs graphische Erzählen entwickelte sich jedoch stetig über die Jahre. Zuerst einmal gab es bei uns im Haushalt vor allen Dingen die Klassiker, die man auf dem deutschen Comicmarkt findet: Das Lustige Taschenbuch, wofür ich mich allerdings nie wirklich begeistern konnte. Interessanter fand ich französische und frankobelgische Serien wie Asterix, Lucky Luke oder Spirou. Gegen Mitte der 1990er gab es dann in Deutschland den ersten großen Boom von japanischer Populärkultur und ich fing an, Manga zu lesen. Insbesondere Sailor Moon gefällt mir bis heute noch. Über Manga begann ich auch, mich für die japanische Kultur und Gesellschaft zu interessieren, und ich habe meinen ersten Japanischkurs an der Volkshochschule besucht. Als ich dann mein Abitur in der Tasche hatte, entschied ich mich, Modernes Japan zu studieren. Mich interessierte nach wie vor das Land, die Kultur und insbesondere die Populärkultur. Auch japanische Musik und japanische Horrorfilme hatten in der Zwischenzeit an internationaler Beliebtheit gewonnen und es wurde viel diskutiert, was diese populärkulturellen Erzeugnisse ‚so besonders‘ mache.

Was mache ich jetzt?
Momentan bin ich im Ostasiatischen Seminar der Universität zu Köln in der Abteilung Japanologie als Projektmitarbeiterin zum Thema „Die gespaltene Gesellschaft – diskursive Konstitution Japans zwischen Atombombe (genbaku) und Atomkraftwerk (genpatsu)“ angestellt. In diesem Projekt recherchiere ich in alten Sammlungen zu Manga, die sich mit diesen Themenkomplexen beschäftigen. Außerdem kümmere ich mich auch um organisatorische Belange, wie z. B. die Betreuung von Publikationen und Veranstaltungen.

Wie bin ich zu diesem Beruf gekommen?
Bevor ich nach Köln kam, habe ich lange in Düsseldorf am Institut für Modernes Japan gearbeitet. Zuerst 2010 als studentische Hilfskraft, dann als wissenschaftliche Hilfskraft und später ab 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ich beschäftigte mich während meines Studiums eigentlich von Anfang an mit verschiedenen populärkulturellen Medien Japans – Videospiele, Manga, Anime. Auch transkulturelle Einflüsse innerhalb der Populärkultur interessierten mich sehr. Nach meinem Bachelorabschluss begann ich zudem, mich für Genderforschung und Genderrepräsentationen in der Populärkultur zu interessieren. Da die Japanologie kein Methodenfach ist, bedient sie sich an allen möglichen Disziplinen und so bekommt man einen Einblick in verschiedenste Forschungsrichtungen: Medienwissenschaft, Soziologie, Ethnologie.

Hängengeblieben bin ich schließlich bei den Cultural Studies und führte für meine Dissertation eine Feldstudie unter dōjinshi-Künstler*innen in Japan durch. Bei dōjinshi handelt es sich um Publikationen, die von einzelnen Künstler*innen oder Künstler*innengruppen selbst herausgegeben  und im Rahmen von spezialisierten Events, wie z.B. der Comiket, in Umlauf gebracht werden. Diese Art der inoffiziellen Publikationen im Manga-Format interessierte mich besonders, da sie als eine Form der kreativen Teilhabe gesehen werden können.

Besonders starke Erinnerungen habe ich aber auch noch an das Jahr 2011, das das
150. Jubiläumsjahr der deutsch-japanischen Beziehungen war und auch das Jahr, in dem Japan nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima besonders viel internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde. Wir hatten nach längerer Planung Herrn Hideto Sotobayashi (ein Hiroshima-Überlebender, der in Deutschland lebte) eingeladen, einen Vortrag über seine Erfahrung des Atombombenabwurfs zu halten. Im Rahmen seines Vortrages wurde er auch zu seinem Standpunkt bezüglich ‚friedlicher‘ Atomenergie befragt. Die schrecklichen Erfahrungen, die er schilderte, und auch seine Haltung gegenüber der industriellen Nutzung von Atomenergie, deren Friedfertigkeit er hinterfragte, haben einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Deswegen freut es mich sehr, mein Wissen über Manga nun auch im Rahmen des aktuellen Projekts verarbeiten zu können.

Was schätze ich an meinem Beruf?
Einerseits schätze ich den Austausch und die Kooperation mit anderen Forschenden. Ich bin Mitglied in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften zu Comicforschung sowie zu Fan- und Partizipationsforschung, habe im Wintersemester 2020/2021 beispielsweise im Rahmen eines Lehrauftrages am Institut für Medienkultur und Theater gelehrt und freue mich immer, meine Gedanken und Forschungsergebnisse selbst in einem fachfremden Kontext vorzustellen. Da bekommt man viele neue Ideen und kann die eigene Perspektive besser reflektieren. Oft ist man als Japanolog*in auf nicht-japanologischen Tagungen allerdings eine Art Exot*in und hat dann die Gelegenheit, mit stereotypen Japanbildern aufzuräumen – was für alle Beteiligten ein Gewinn ist, denke ich.

Andererseits schätze ich es auch sehr zu lehren. Als ich meinen Bachelor begann, gab es lediglich einen Kurs, der sich mit der Medienlandschaft Japans beschäftigte. Mittlerweile werden Medien und Populärkultur Japans viel mehr in den wissenschaftlichen Fokus gerückt und es freut mich, die Studierenden an wissenschaftliches Arbeiten heranzuführen und sie in ihren Interessen zu bestärken. Außerdem lerne ich von den Studierenden selbst viel Neues – man hat in der Forschung leider nicht viel Zeit, um neue Serien oder Manga zu konsumieren und durch die Studis werde ich auf dem Laufenden gehalten, was gerade angesagt ist. Insgesamt finde ich es wunderbar, dass man im universitären Bereich nie aufhört zu lernen und dass man sich mit immer neuen Themenbereichen auseinandersetzt. So wird es nie langweilig.

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