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Fans des beliebten J-Horror-Franchises Ju-on 呪怨 (The Grudge) werden vermutlich noch lebhafte Erinnerungen an die dort auftretende Katze und ihre Rolle in der Geschichte haben und so manch eine:r mag sich vielleicht sogar gewundert haben, warum gerade eine schwarze Katze als unheimliche Erscheinung in einem japanischen Setting derart in den Fokus rückte. Doch nicht nur im christlich-geprägten Kulturkreis wurden der Katze magische Kräfte oder eine Affinität zum Bösen nachgesagt. Auch in Japan blicken dämonische und geisterhafte Katzen auf eine lange Tradition in Folklore und Medien zurück.
Unter den japanischen yôkai 妖怪 nehmen die sogenannten kaibyô 怪猫 – unheimliche Katzen oder Katzen-yôkai – eine bedeutende Rolle ein und sind als Gestaltwandler (henge 変化) mindestens seit dem 13. Jh. bekannt. Zwar wird der Katze bereits seit der Heian-Zeit (794–1185) eine gewisse Unheimlichkeit nachgesagt, doch gilt die Edo-Zeit (1603–1868) als goldenes Zeitalter der Katzen-yôkai. Zu den drei großen Hauptvertretern der kaibyô zählen: Nekomata 猫股/猫又, Bakeneko 化け猫 und Kasha 火車, die in allen Formen von Kultur und Medien ihr Unwesen trieben. Während des großen yôkai-Booms der Edo-Zeit war auch die Katze zu einem alltäglichen Bild in der Stadt geworden. Im Rahmen der Verbreitung von ursprünglich lokalen Erzählungen, Gerüchten und Legenden in gedruckten Schauergeschichtensammlungen (Kaidanshû 怪談集 oder Hyaku monogatari 百物語) stieg so auch die Zahl der Geschichten um furchterregende Katzenmonster rasant an.

Manekineko des Gôtokuji 豪徳寺, Tôkyô
Gleichzeitig war die Katze jedoch auch ein wichtiges Nutztier, das die wachsenden Städte von Mäusen und Ratten befreite. Insbesondere zum Schutz der Larven vor den gefräßigen Nagern waren sie zudem für die ländliche Seidenraupenzucht von unschätzbarem Wert. Die noch heute in ganz Japan vorzufindenden Schreine, in denen verschiedene Katzengottheiten (nekogami 猫神) verehrt werden, und vor allem die weltweit bekannte Winkekatze (manekineko 招き猫) sprechen für diesen glück- und wohlstandsverheißenden Charakter, der ihrer dämonischen Seite gegenübersteht.
Volksglauben und natürliches Verhalten der Stubentiger (tegai no tora 手飼いの虎) vermischten sich im urbanen Raum – vom Fischöl in den Lampen angezogene Katzen, die sich für den Leckerbissen auf die Hinterbeine stellten und im flackernden Licht allzu menschlich gewirkt haben mögen, befeuerten die Vorstellung von der Bakeneko, einer Wandelkatze, die sprechen und sich in einen Menschen verwandeln konnte. Als geläufigstes Merkmal dieses yôkai gilt das Singen und Tanzen mit einem traditionellen japanischen Handtuch (tenugui 手拭い) auf dem Kopf. Dies allein wäre sicherlich schon unheimlich genug, doch kann man sich den Schrecken der damaligen Bevölkerung beim Gedanken daran ausmalen, dass dieses Tier ein Familienmitglied gefressen haben könnte und in dessen Gestalt nun weiter im Haus lebt, wie es der Bakeneko und zuweilen auch der mächtigen Nekomata nachgesagt wird.

Nekomata aus Toriyama Sekiens Gazu Hyakki Yagyô (画図百鬼夜行)
Da die Nekomata vermutlich von der Furcht vor einem realen Raubtier inspiriert wurde, gilt sie als besonders grausam und gefährlich. Die Angst davor, dass sich mit zunehmendem Alter der Schwanz von Hauskatzen als Zeichen ihrer erstarkten Zauberkraft teilen soll und ihre Verwandlung in die Nekomata verkündet, soll sogar dazu geführt haben, dass ihnen die Schwänze abgetrennt wurden, um diese Entwicklung zu verhindern. Ebenso galt es als gefährlich, eine Katze länger als drei Jahre zu halten oder sie besonders groß werden zu lassen. Dieser Volksglaube, dass selbst Hauskatzen sich in jene Nekomata verwandeln können, um Menschen zu verhexen oder zu töten, ist schon seit mindestens dem 13. Jahrhundert belegt. Spätestens seit der Edo-Zeit wurde diesem raubtierhaften Monster dann nachgesagt, dass es außerdem schwarzmagische Fähigkeiten besitzt und poltergeistähnliche Phänomene hervorruft. Dabei soll es auch vor bekannten Persönlichkeiten keinen Halt gemacht und in Samurairesidenzen sein Unwesen getrieben haben, wo es Feuerbälle erscheinen ließ und Spinnräder wie von selbst bewegte. Vermutlich durch den in Asien verbreiteten Volksglauben, dass Katzen von Toten Besitz ergreifen oder Leichen wiederauferstehen lassen können, kam es zu einer zusätzlichen Vermischung der Katze mit einem ursprünglich buddhistischen Dämon. Der die Sünder in einem feurigen Gefährt in die Hölle bringende Kasha tritt ab dem späten 17. Jahrhundert nämlich zunehmend in Gestalt einer Katze und als yôkai in Erscheinung, der Leichen bei Beerdigungen aus dem Sarg stiehlt.

Kasha aus Nabeta Gyokueis Kaibutsu ehon 怪物画本 von 1881
Ähnliche Erzählungen wie die der Nekomata, die auch hochrangige Familien heimsuchte, bildeten die Grundlage für die auf den Bühnen des Kabukitheaters verewigten sogenannten Bakeneko-Unruhen (bakeneko sôdô 化け猫騒動). Für das bekannteste Stück von der „Geisterkatze aus dem schönen Saga“ (Hana no Saga nekomata zôshi 花埜嵯峨猫魔稿) aus dem Jahr 1853 griffen Stückeschreiber kursierende Gerüchte von Heimsuchungen und übernatürlichen Vorfällen im Zusammenhang mit dem Nabeshima-Klan (Nabeshima shi 佐賀氏) und der Burg in Saga (Saga jô 佐賀城) auf und vermischten sie mit dem Volksglauben rund um die unheimliche Katze, um eine Geistergeschichte zu erschaffen, die durch schaurige Effekte und blitzartige Verwandlungsszenen das Publikum begeisterte. Auf „Japans drei große Katzenunruhen“ (Nihon sandai bakeneko sôdô 日本三大化け猫騒動) Nabeshima/Saga 鍋島/佐賀, Okazaki 岡崎 und Arima 有馬 gehen die zahlreichen Adaptionen des frühen Films über rächende Katzengeister wie Arima neko 有馬猫 aus dem Jahr 1937 (auch unter der englischen Übersetzung „Ghost Cat of Arima“ bekannt) oder Yabu no naka no kuroneko 藪の中の黒猫 (besser bekannt als Kuroneko 黒猫 (The Black Cat)) von 1968 und letztlich auch Inszenierungen wie die in Ju-on (The Grudge) zurück.
Dass die Beliebtheit der kaibyô bis heute andauert, wird neben den zahlreichen Adaptionen in Filmen, Videospielen, Anime und Manga oder Fanarts auch beim seit 2010 jährlich stattfindenden Kagurazaka-Bakeneko-Festival 神楽坂 化け猫フェスティバル offenkundig, bei dem die oftmals verkleideten Besucher:innen Vorführungen und Paraden bestaunen und die Bakeneko und ihre Unterarten feiern. Der Ort des Festivals ist dabei nicht zufällig gewählt, denn Kagurazaka gilt als eine der Wirkungsstätten von Natsume Sôseki 夏目漱石 (1867–1916), dem Autor von „Ich, der Kater“ (Wagahai wa neko de aru 吾輩は猫である), und war darüber hinaus bereits seit der Edo-Zeit als Vergnügungsviertel bekannt. Viele Geisha und Kurtisanen hielten nämlich Hauskatzen, die sie häufig begleiteten, und wurden selbst als „Katzen“ (neko 猫) bezeichnet, doch das ist Teil einer anderen Geschichte.















