Internationale Tagung zur Kommerzialisierung von Wissen im edozeitlichen Japan

Vom 12.–14. Januar fand anlässlich des Abschlusses des DFG-Projekts zur Neuordnung des Wissens die internationale Tagung „The Commercialization of Knowledge in Edo Period Japan – Publishers, Editors, Print Products, and Their Impact on Pre-modern Cultural Life“ im Neuen Senatssaal der Universität zu Köln statt.

Zum historischen Hintergrund: Nach dem Sieg der Tokugawa in der Schlacht von Sekigahara unterlagen viele Bereiche in Japan erheblichen Veränderungen. So verloren die alten Geschlechter an Macht und die Samurai wurden vom Land in die Stadt gezogen. Mit dem Aufblühen des städtischen Lebens in der Edo-Zeit (1603–1868) ergab sich auch ein starker Wunsch nach Konsum in den verschiedensten Bereichen wie Handel, Landwirtschaft, Geldwesen und selbstverständlich auch bei der Herausgabe von Büchern. Der Aufstieg privater Verlagshäuser zunächst in Kyôto brachte eine hoch kommerzialisierte und hart umkämpfte Verlagsindustrie hervor, die sich auch auf das wachsende Edo ausweitete.

Die Vielzahl der nichtfiktionalen Literatur, die während dieser Zeit herausgegeben wurde, zeigt deutlich, dass Wissen selbst beliebt und gleichermaßen lukrativ geworden war, worauf die um die neu gewonnene Kundschaft konkurrierenden Herausgeber prompt reagierten. Eben diese verschiedenen Genres von Handbüchern und Leitfäden, die hieraus erwuchsen, waren das zentrale Thema der Tagung. In dem Versuch, durch deren nähere Betrachtung neue Erkenntnisse über die zunehmende Bedeutung der Sammlung und Weitergabe von Wissen im wirtschaftlichen sowie soziokulturellen Kontext zu gewinnen, fanden sich zahlreiche Teilnehmende aus den USA, Europa und Japan vor Ort und via Zoom zusammen, um sich über die Forschung rund um die Verbreitung und Vermarktung von Wissen im vormodernen Japan auszutauschen.

Durch die Beschäftigung mit Verlagen und Herausgebern sowie der Strategie der Vermarktung und Vermittlung von Wissen wird, wie beispielsweise der Beitrag von Mary Elizabeth Berry aufzeigte, ein Abbild der kulturellen Landschaft und Gesellschaft geschaffen. Dieser Ansatz sollte auch als Kontextualisierung der Tagung fungieren, die eine historische Einordnung des Themas im Hinblick auf die sozialen Konventionen und Ängste der Bevölkerung bot. Auf diese Weise wurde die alltägliche Bedeutung der im Verlauf der Tagung behandelten Werke besonders plastisch und eindrücklich dargestellt.

Die Beweggründe für die neuen Entwicklungen auf dem Setsuyôshû-Markt zum Ende des 18. Jahrhundertse hinterfragte auch der an dem DFG-Projekt beteiligte Martin Thomas. Konkret beschäftigte er sich damit, was die Herausgeber wohl dazu angetrieben haben mag, die finanziellen Risiken alternativer Nachschlagesysteme einzugehen, und welchen Ansatz sie verfolgt haben mögen, um auf dem wachsenden und umkämpften Markt Fuß zu fassen und letztlich auch Profit zu generieren.

Ob die im Fokus der Tagung stehende Kommerzialisierung die Genauigkeit und Entwicklung von Wissen beeinträchtigte, konnte in den Diskussionsrunden zwar nicht abschließend geklärt werden, allerdings bleibt festzuhalten, dass ähnlich wie heute manche Herausgeber und Verlagshäuser möglicherweise vertrauenswürdiger als andere bzw. für ihre Genauigkeit bekannt waren und unter gelehrten Lesenden entsprechende Anerkennung genossen.

Auf den ganz praktischen Nutzen von Handbüchern, Leitfäden und Nachschlagewerken sowie ihren Einsatz im täglichen Leben gingen z. B. Annick Horiuchi, Eike Grossmann und Christoph Reichenbächer ein, die darlegten, wie Wissen generiert, neu strukturiert und in Umlauf gebracht wurde und wie dieses in Form von kurzen Nô-Gesängen in den Alltag integriert wurde oder zur Vermarktung regionaler Produkte genutzt werden konnte.

Stephan Köhn, Paul Schoppe, Martin Thomas

Mit der Sammlung und Verbreitung von Wissen sowie dessen Wiederaufbereitung und Transformation befassten sich neben Matthias Hayek und Kaori Hayami auch Paul Schoppe und Stephan Köhn. Paul Schoppe konzentrierte sich in seiner Präsentation insbesondere auf das Quellenmaterial und den Redaktionsprozess des Otoko setsuyôshû, eines der beiden zentralen Werke des DFG-Projekts, und führte aus, inwieweit die Vorgehensweise möglicherweise zu einer Revision von Wissen beigetragen hat. Das zweite Hauptwerk des DFG-Projekts war hingegen zentrales Thema von Stephan Köhn, der aufzeigen konnte, wie durch Interpunktion und Verringerung von Kanji sowie Anmerkungen und Appendizes dieses Setsuyôshû auf Frauen zugeschnitten wurde. Darüber hinaus ging er darauf ein, inwiefern davon auszugehen sei, dass ein „Recycling“ bereits veröffentlichter Bücher stattfand bzw. der Editor womöglich sogar eine raubkopierte Version eines anderen Werkes besessen und zur Zusammenstellung des Onna setsuyôshû verwendet haben mag. Eben mit der hieraus resultierenden Frage des Urheberrechts während der Edo-Zeit am konkreten Beispiel der Setsuyôshû konnte Satô Takahiro Gesetzeslage und Regularien der Herausgebergenossenschaften beleuchten ebenso wie die Probleme, die daraus hervorgingen, sowie die Folgen der späteren Auflösung zahlreicher dieser Genossenschaften, die es nahezu unmöglich machte, das Urheberrecht weiter konsequent durchzusetzen und das Erscheinen einer Vielzahl von Reproduktionen mit sich brachte.

Mit der Vorstellung der „Database of Early Modern Illustrated Encyclopedias“ durch Ishigami Aki sowie insbesondere der digitalen Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin durch Christian Dunkel wurden zudem Möglichkeiten der Quellenforschung vorgestellt und durch letzteren am Beispiel diverser Anschaffungen im Rahmen des DFG-Projekts auch die Richtlinien und Abläufe (vormoderner) Neuerwerbungen dargelegt. Gerade die Teilnehmenden aus dem Ausland konnten so einen Einblick in die Arbeit und Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin gewinnen, wobei betont wurde, dass vor allem die rege Nutzung der Sammlung sowie Vorschläge und Anschaffungswünsche ihre Notwendigkeit anzeigen und weitere Förderungen rechtfertigen lassen.

Nicht nur die interessanten Beiträge und angeregten Gespräche in den Diskussionsrunden, Kaffee- und Mittagspausen, sondern auch die ausgelassene Stimmung, bei der man den Teilnehmenden deutlich anmerkte, wie glücklich sie waren, die Atmosphäre einer Tagung in Anwesenheit auskosten und wieder mit Kolleg:innen und Freund:innen die Forschung zum vormodernen Japan weiterentwickeln zu können, machten die Tagung zu einem großen Erfolg. Zwar waren selbst drei Tage zu kurz, um alle Themen bis ins letzte Detail zu erörtern, und so blieben viele Fragen ungeklärt und mussten auf später vertagt werden. Ein tieferes Verständnis über die verschiedenen Aspekte des Tagungsthemas konnte sicherlich aber dennoch gewonnen werden und so können wir uns auf die Veröffentlichung des Tagungsbands freuen.

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