Internationale Tagung zur Kommerzialisierung von Wissen im edozeitlichen Japan

Vom 12.–14. Januar fand anlässlich des Abschlusses des DFG-Projekts zur Neuordnung des Wissens die internationale Tagung „The Commercialization of Knowledge in Edo Period Japan – Publishers, Editors, Print Products, and Their Impact on Pre-modern Cultural Life“ im Neuen Senatssaal der Universität zu Köln statt.

Zum historischen Hintergrund: Nach dem Sieg der Tokugawa in der Schlacht von Sekigahara unterlagen viele Bereiche in Japan erheblichen Veränderungen. So verloren die alten Geschlechter an Macht und die Samurai wurden vom Land in die Stadt gezogen. Mit dem Aufblühen des städtischen Lebens in der Edo-Zeit (1603–1868) ergab sich auch ein starker Wunsch nach Konsum in den verschiedensten Bereichen wie Handel, Landwirtschaft, Geldwesen und selbstverständlich auch bei der Herausgabe von Büchern. Der Aufstieg privater Verlagshäuser zunächst in Kyôto brachte eine hoch kommerzialisierte und hart umkämpfte Verlagsindustrie hervor, die sich auch auf das wachsende Edo ausweitete.

Die Vielzahl der nichtfiktionalen Literatur, die während dieser Zeit herausgegeben wurde, zeigt deutlich, dass Wissen selbst beliebt und gleichermaßen lukrativ geworden war, worauf die um die neu gewonnene Kundschaft konkurrierenden Herausgeber prompt reagierten. Eben diese verschiedenen Genres von Handbüchern und Leitfäden, die hieraus erwuchsen, waren das zentrale Thema der Tagung. In dem Versuch, durch deren nähere Betrachtung neue Erkenntnisse über die zunehmende Bedeutung der Sammlung und Weitergabe von Wissen im wirtschaftlichen sowie soziokulturellen Kontext zu gewinnen, fanden sich zahlreiche Teilnehmende aus den USA, Europa und Japan vor Ort und via Zoom zusammen, um sich über die Forschung rund um die Verbreitung und Vermarktung von Wissen im vormodernen Japan auszutauschen.

Durch die Beschäftigung mit Verlagen und Herausgebern sowie der Strategie der Vermarktung und Vermittlung von Wissen wird, wie beispielsweise der Beitrag von Mary Elizabeth Berry aufzeigte, ein Abbild der kulturellen Landschaft und Gesellschaft geschaffen. Dieser Ansatz sollte auch als Kontextualisierung der Tagung fungieren, die eine historische Einordnung des Themas im Hinblick auf die sozialen Konventionen und Ängste der Bevölkerung bot. Auf diese Weise wurde die alltägliche Bedeutung der im Verlauf der Tagung behandelten Werke besonders plastisch und eindrücklich dargestellt.

Die Beweggründe für die neuen Entwicklungen auf dem Setsuyôshû-Markt zum Ende des 18. Jahrhundertse hinterfragte auch der an dem DFG-Projekt beteiligte Martin Thomas. Konkret beschäftigte er sich damit, was die Herausgeber wohl dazu angetrieben haben mag, die finanziellen Risiken alternativer Nachschlagesysteme einzugehen, und welchen Ansatz sie verfolgt haben mögen, um auf dem wachsenden und umkämpften Markt Fuß zu fassen und letztlich auch Profit zu generieren.

Ob die im Fokus der Tagung stehende Kommerzialisierung die Genauigkeit und Entwicklung von Wissen beeinträchtigte, konnte in den Diskussionsrunden zwar nicht abschließend geklärt werden, allerdings bleibt festzuhalten, dass ähnlich wie heute manche Herausgeber und Verlagshäuser möglicherweise vertrauenswürdiger als andere bzw. für ihre Genauigkeit bekannt waren und unter gelehrten Lesenden entsprechende Anerkennung genossen.

Auf den ganz praktischen Nutzen von Handbüchern, Leitfäden und Nachschlagewerken sowie ihren Einsatz im täglichen Leben gingen z. B. Annick Horiuchi, Eike Grossmann und Christoph Reichenbächer ein, die darlegten, wie Wissen generiert, neu strukturiert und in Umlauf gebracht wurde und wie dieses in Form von kurzen Nô-Gesängen in den Alltag integriert wurde oder zur Vermarktung regionaler Produkte genutzt werden konnte.

Stephan Köhn, Paul Schoppe, Martin Thomas

Mit der Sammlung und Verbreitung von Wissen sowie dessen Wiederaufbereitung und Transformation befassten sich neben Matthias Hayek und Kaori Hayami auch Paul Schoppe und Stephan Köhn. Paul Schoppe konzentrierte sich in seiner Präsentation insbesondere auf das Quellenmaterial und den Redaktionsprozess des Otoko setsuyôshû, eines der beiden zentralen Werke des DFG-Projekts, und führte aus, inwieweit die Vorgehensweise möglicherweise zu einer Revision von Wissen beigetragen hat. Das zweite Hauptwerk des DFG-Projekts war hingegen zentrales Thema von Stephan Köhn, der aufzeigen konnte, wie durch Interpunktion und Verringerung von Kanji sowie Anmerkungen und Appendizes dieses Setsuyôshû auf Frauen zugeschnitten wurde. Darüber hinaus ging er darauf ein, inwiefern davon auszugehen sei, dass ein „Recycling“ bereits veröffentlichter Bücher stattfand bzw. der Editor womöglich sogar eine raubkopierte Version eines anderen Werkes besessen und zur Zusammenstellung des Onna setsuyôshû verwendet haben mag. Eben mit der hieraus resultierenden Frage des Urheberrechts während der Edo-Zeit am konkreten Beispiel der Setsuyôshû konnte Satô Takahiro Gesetzeslage und Regularien der Herausgebergenossenschaften beleuchten ebenso wie die Probleme, die daraus hervorgingen, sowie die Folgen der späteren Auflösung zahlreicher dieser Genossenschaften, die es nahezu unmöglich machte, das Urheberrecht weiter konsequent durchzusetzen und das Erscheinen einer Vielzahl von Reproduktionen mit sich brachte.

Mit der Vorstellung der „Database of Early Modern Illustrated Encyclopedias“ durch Ishigami Aki sowie insbesondere der digitalen Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin durch Christian Dunkel wurden zudem Möglichkeiten der Quellenforschung vorgestellt und durch letzteren am Beispiel diverser Anschaffungen im Rahmen des DFG-Projekts auch die Richtlinien und Abläufe (vormoderner) Neuerwerbungen dargelegt. Gerade die Teilnehmenden aus dem Ausland konnten so einen Einblick in die Arbeit und Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin gewinnen, wobei betont wurde, dass vor allem die rege Nutzung der Sammlung sowie Vorschläge und Anschaffungswünsche ihre Notwendigkeit anzeigen und weitere Förderungen rechtfertigen lassen.

Nicht nur die interessanten Beiträge und angeregten Gespräche in den Diskussionsrunden, Kaffee- und Mittagspausen, sondern auch die ausgelassene Stimmung, bei der man den Teilnehmenden deutlich anmerkte, wie glücklich sie waren, die Atmosphäre einer Tagung in Anwesenheit auskosten und wieder mit Kolleg:innen und Freund:innen die Forschung zum vormodernen Japan weiterentwickeln zu können, machten die Tagung zu einem großen Erfolg. Zwar waren selbst drei Tage zu kurz, um alle Themen bis ins letzte Detail zu erörtern, und so blieben viele Fragen ungeklärt und mussten auf später vertagt werden. Ein tieferes Verständnis über die verschiedenen Aspekte des Tagungsthemas konnte sicherlich aber dennoch gewonnen werden und so können wir uns auf die Veröffentlichung des Tagungsbands freuen.

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Der Lehrpreis der philosophischen Fakultät und die Zukunft der Lehre

Foto: Qualitätsmanagement / Philosophische Fakultät

In jedem Studienjahr wird an diejenigen Lehrenden mit den besten Evaluierungs-ergebnissen der Lehrpreis der Philosophischen Fakultät verliehen. Im Dezember 2022 ging eine der beiden Ehrungen im Rahmen einer Lehrevaluation, die im WS 2021/22 und SoSe 22 an zwölf Instituten der Fakultät durchgeführt worden war, an Prof. Köhn. Die Evaluierung erfolgte inmitten der Corona-Pandemie, als der komplette Lehrbetrieb auf virtuellen Unterricht umgestellt werden musste – eine ganz besondere Herausforderung für alle Lehrenden. Wir haben daher die Ehrung zum Anlass genommen, mit Prof. Köhn über die Evaluierung und seine ganz persönlichen Erfahrungen aus der Onlinelehre in dieser schwierigen Zeit zu sprechen.

Prof. Köhn, zunächst einmal, wie läuft eine solche Lehrevaluation eigentlich ab und wie wirkt sich diese auf Ihre Lehre und das Angebot am Institut aus?

Prof. Köhn: Für die Evaluierung werden den Studierenden über Ilias eine Fülle an Fragen zu Unterrichtsaufbau und -konzept, der Performance der Dozierenden, Fachwissen, Vorbereitung etc. gestellt, woraus sich die einzelnen Punkte des Evaluierungsergebnisses schließlich addieren.

Natürlich hat die Evaluierung bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Gestaltung der Lehre – schließlich will man sich als Lehrender ja auch irgendwie verbessern. Auf den konkreten Inhalt der Veranstaltungen wirkt sich das aber weniger aus. Die Inhalte werden vor allem im Team abgestimmt und orientieren sich u. a. auch an den Bedürfnissen und Interessen der Studierenden. So können z. B. angeregte Diskussionen in einer Veranstaltung oder aber auch Interessensbekundungen im persönlichen Gespräch durchaus zur Entwicklung einer neuen Seminaridee beitragen, auf die man vielleicht von alleine gar nicht gekommen wäre. Was uns in der Japanologie dabei sicherlich auszeichnet, ist die Tatsache, dass wir uns in jedem Semester bemühen, neue Themen und Seminare anzubieten. Lehre macht mir – und natürlich auch dem Rest des Teams – einfach großen Spaß, und ich arbeite mich gerne in neue Themen ein, um mein Wissen stetig zu erweitern. Das ist schließlich der große Reiz an einem Lehrberuf! Aber das sei auch gesagt: Sich in ein neues Themenspektrum immer wieder neu einzulesen, ist auch ziemlich zeitintensiv und nervenaufreibend.

Wie nehmen die Studierenden die Evaluation auf?

Prof. Köhn: Das ist für uns Dozierende schwer nachzuvollziehen, zumal diesmal zwei Evaluierungen parallel abliefen. Das war für die Studierenden sicherlich eine große Zusatzbelastung, da sie sich gegen Ende des Semesters ohnehin in der Klausurphase befanden. Umso mehr habe ich mich daher über die rege Beteiligung und die gewissenhafte Beantwortung gefreut. Die Kommentare stellen ein wertvolles Feedback für mich dar. Die Evaluierung ist wie ein Spiegel. Man kann gut erkennen, ob man etwas ändern muss oder ob etwas gut ankommt. Man sieht, wo es Probleme gibt oder wo die Möglichkeit zur Selbstoptimierung besteht – die gibt es „leider“ immer. Und natürlich auch, ob das eigene positive Gefühl über den Verlauf der Veranstaltung auch von den Studierenden wirklich geteilt wird. Selbstverständlich freut man sich über eine hohe Punktzahl (auch wenn man das nicht laut sagen darf …笑), aber man möchte auch konkret wissen, welchen Teil die Studierenden gut fanden oder was besonders hilfreich für die eigene Wissenserweiterung war. Inwieweit die Studierenden die Evaluierung allerdings als Mittel zur Kommunikation mit mir bzw. uns bewusst genutzt haben, ist für mich schwer einzuschätzen. Das müsste ich bei Gelegenheit einmal nachfragen.

Die Evaluation fand in einer besonders schwierigen Phase statt. Wie war für die Lehrenden die Umstellung auf den reinen Onlineunterricht und mit welchen Schwierigkeiten sahen Sie sich dabei konfrontiert?

Foto: Markus Winkler from Pixabay

Prof. Köhn: Wir mussten damals alle ad hoc in die Onlinelehre einsteigen. Die Universität hat in unglaublich kurzer Zeit Zoom-Lizenzen bereitgestellt, was eine große Hilfe war. Allerdings hätten wir uns im Anschluss mehr Support und Unterstützungsangebote gewünscht. Denn letztlich mussten wir uns alles in Anbetracht der kurzen Vorlaufzeit selbst erarbeiten und aneignen. Einführungsseminare wurden damals einfach zu spät angeboten. Zu dem Zeitpunkt hatten wir uns dann schon selbst mit den wichtigsten Funktionen vertraut gemacht. Von außen mag es vielleicht so wirken, als sei der Umstieg von Präsenz- auf Onlinelehre kein großes Ding. Also einfach nur eine Verlagerung aus dem realen Seminarraum in die virtuelle Zoom-Umgebung gewesen. Dabei werden die neuen Anforderungen, die das an die Lehrenden stellt, nur allzu gerne unterschätzt. Denn die Vorbereitung eines Zoom-Unterrichts kostet wesentlich mehr Zeit, weil eine größere und genauere Planung im Vorfeld notwendig ist. Das ist ein Mehraufwand, der in der Regel nicht gesehen wurde.

Wie gingen Sie mit diesen schwierigen Anforderungen um?

Prof. Köhn: Wir haben uns letztlich in Windeseile alle nötigen Skills selbst angeeignet und in regelmäßigen Teamsitzungen darüber ausgetauscht. Es herrschte viel Gesprächsbedarf – und natürlich auch Frustration. Es war eine große Herausforderung, mit den Sorgen der Studierenden umzugehen, aber auch mit unseren eigenen. Plötzlich musste alles über Zoom laufen: Unterricht, Teamsitzungen, Sprechstunden etc. Das alles erforderte einen hohen persönlichen Einsatz zusätzlich zu der bereits vorhanden Mehrbelastung aufgrund der allgemeinen Personalknappheit in unserer Abteilung. Leider gab es hier keinen entsprechenden Support von Seiten der Universität, alles war das reinste Trial-and-Error für uns. Als Lehrender fühlte man sich im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehengelassen. Dass das Prorektorat für Lehre in all der Zeit keinerlei Strategien zur Unterstützung der digitalen Lehre für uns Lehrende entwickelt hatte, war schon irgendwie ziemlich frustrierend. 

Wie gestaltete sich der Übergang in die Präsenzlehre im Frühjahr und welche Lehren für die Zukunft wurden aus dieser schwierigen Phase und den Erfahrungen aus der Onlinelehre mitgenommen? 

Prof. Köhn: Auch das geschah sehr abrupt und ohne klare Angaben, wie z. B. der konkrete Umgang mit dem Thema Maskentragen im Unterricht oder eventuellen Fehlzeiten durch Corona-Infektionen erfolgen soll. Ich hätte mir gewünscht, dass die Universität hier Führungsstärke zeigt, doch stattdessen wurde an die Selbstverantwortung appelliert, sodass klare Regeln von Seiten der Dozierenden ausgearbeitet und ausgehandelt werden mussten. Tatsächlich hat man das Gefühl, als hätte die Universität nichts aus dieser Zeit mitgenommen und wäre erst seit Kurzem mit der Corona-Pandemie konfrontiert. Es wurde zwar zu Beginn des Sommersemesters von uns erwartet, bei Bedarf Lehrveranstaltungen hybrid anzubieten, doch konnte niemand sagen, wie das funktionieren soll. Denn es gab keine richtigen strukturellen Maßnahmen, die hier Unterstützung hätten bieten können. Die Zahl von Unterrichtsräumen, die einen Hybridunterricht ermöglichen, ist immer noch sehr überschaubar. Und an das Abhalten von Hybridkonferenzen, inzwischen Standard in der Japanologie, ist erst gar nicht zu denken, da es keine geeigneten Räume in entsprechender Größe dafür gibt. Hier ist leider – zumindest in meinen Augen – die Zeit regelrecht verschlafen worden. Ebenfalls kritisch sehe ich die derzeitige Abkehr vom Zoom-Unterricht, so als ob das einmal mühsam erarbeitete Know-how nie wieder mehr gebraucht werden würde – was natürlich schön wäre, aber sicherlich nicht der Realität entspricht. Ich vermisse hier eine klare Vision aus dem Rektorat, wo die Reise in puncto Lehre längerfristig hingehen soll. Gerade für die allseits angestrebte Internationalisierung haben uns die Erfahrungen mit Zoom neue Wege in Lehre und Forschung gezeigt, vor denen man nicht die Augen verschließen sollte – zumindest wenn man mit anderen Universitäten konkurrenzfähig bleiben möchte.

Alles in allem stehe ich dem Lehrpreis daher eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. Neben einer symbolischen Wertschätzung wünsche ich mir vor allem eine dauerhafte Unterstützung von Seiten der Universität, die mit entsprechenden infrastrukturellen Maßnahmen uns Lehrenden tatkräftig zur Seite steht. Denn schließlich kann man auch nur so gut in der Lehre sein, wie es die Rahmenbedingungen letztlich zulassen.

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(Lebens-)Geschichten und Geschichte: Bericht über das Lehrprojekt „Biographien in der japanischen Nachkriegszeit“

Die Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit in Japan ist seit Jahrzehnten nicht nur ein beliebter Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten, sondern auch ein kontinuierlich präsentes Thema in der Öffentlichkeit. Der zunehmende geschichtsrevisionistische Trend der japanischen Regierung entfesselt auf nationaler sowie auch internationaler Ebene regelmäßig kontroverse Debatten, welche in der Forschung aufgegriffen und diskutiert werden. Die Biographieforschung kann dabei als eine fruchtbare Methode die Perspektive auf die Nachkriegszeit erweitern.

Im Sommersemester 2022 haben Teilnehmende des BA-Seminars „Von Aggressoren, Opfern und Verlierern: Biographien in der japanischen Nachkriegszeit“ unter der Leitung von Dr. Chantal Weber im Rahmen eines Lehrprojekts Biographien zu verschiedenen historischen Persönlichkeiten untersucht und ihre Ergebnisse in eigenen Texten online veröffentlicht. Das Projekt kann als ein weiterer Versuch gewertet werden, mit einem multiperspektivischen Ansatz die Vergangenheitsbewältigung in Japan zu erfassen und sie mit einer Auswahl von Biographien aus der Nachkriegszeit auf ihren Ursprung zurückzuverfolgen, da der Umgang mit der Kriegsvergangenheit dort beginnt, wo der Krieg zur Vergangenheit wird. Doch das Ziel des Lehrprojekts geht ebenso wie die darin dargestellten Lebensgeschichten weit darüber hinaus. Es werden nämlich Biographien von Menschen untersucht und vorgestellt, welche den Krieg zwar erstmals als ihre Vergangenheit verarbeiten mussten, ihn aber auch bereits zuvor als ihre Zukunft erwartet und als ihre Gegenwart erfahren haben. Zudem verbindet diese Personen, welche hinsichtlich ihrer Berufe, gesellschaftlichen Stellung und politischen Einstellung zunächst sehr unterschiedlich erscheinen, auch die spärliche Zuwendung, die ihnen in der Forschung zuteilwird. Mit der Feststellung dieser Gemeinsamkeiten war die erste Hürde zur Konzeption des Projekts überwunden: Nämlich die Frage, ob eine Auswahl verschiedener, wenig bekannter Biographien unter einem Thema zusammengestellt und erkenntnisbringend erforscht werden kann.

Für die Studierenden war das Projekt in vielen Aspekten eine neue Herausforderung, da sie nicht nur Erkenntnisse aus der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Biographien und ihrer Kontextualisierung gewonnen haben, sondern auch einen ersten Einblick in bis dahin unversuchte und womöglich auch unterschätzte Arbeitsprozesse erhalten konnten. Alle Teilnehmenden haben sicherlich eigene individuelle Erfahrungen gesammelt und daraus unterschiedliche Lehren für sich gezogen. Es gab jedoch auch einige Erkenntnisse, welche für alle Teilnehmenden relevant sind:

  • Keine Prüfung, sondern eine Geschichte

Es war nicht für jeden einfach, die übliche Herangehensweise bei der Anfertigung
von Hausarbeiten oder Aufsätzen abzulegen und eine neue Einstellung zum Schreiben von wissenschaftlichen Texten einzunehmen. Die meisten Studierenden sind bei ihren Arbeiten darum bemüht, ihr inhaltliches und methodisches Wissen unter Beweis zu stellen, denn schlussendlich werden die Texte in der Regel nur von den Dozierenden gelesen. Bei dem Lehrprojekt haben sich die Studierenden selbstverständlich auch an wissenschaftliche Richtlinien gehalten, doch es ging nicht darum, eine Prüfungsleistung zu erbringen, sondern fesselnde (Lebens-)Geschichten zu erzählen, welche veröffentlicht wurden – das musste erst verstanden werden.

  • Die Verantwortung einer Publikation

Diese erste Erkenntnis leitet über zu einer weiteren: Die Beiträge werden unter dem eigenen Namen publiziert. Sie sind online für jeden zugänglich und lassen sich wie jede wissenschaftliche Arbeit der eigenen Person als Urheber*in zuordnen. Damit ging mehr Verantwortung einher, da diesmal keine gute oder schlechte Note auf dem Spiel stand, sondern der eigene bleibende Abdruck in der Wissenschaft. Diese Einsicht erhöhte zwar einerseits den Druck, brachte jedoch andererseits auch den Ehrgeiz und Willen hervor, eine gute und überzeugende Leistung zu erbringen.

  • Teamarbeit

Der Erfolg dieser Leistung war vor allem von einer guten Zusammenarbeit abhängig, was für einige Studierende eine große Umstellung bedeutete. Es ist spannend, wenn zunächst gemeinsam Ideen formuliert werden und jede Meinung gleich gewichtet wird. Doch die Umsetzung dieser Ideen birgt einen gewissen Aufwand und mehr Verantwortung als anfangs erwartet wurde. Die Strukturierung der eigenen Beiträge, das gemeinsame Verfassen von zusammenhängenden Texten, die Vereinbarung und Einhaltung von Fristen, gegenseitige und mehrfache Korrekturen, Problemlösungen im Plenum – all das erforderte viel Rücksicht und eine gute Abstimmung, was für viele eine neue Situation darstellte.

Solche Herausforderungen, Umstellungen und Verantwortungen verhelfen schlussendlich dazu, eigene und andere Leistungen aus einer neuen Perspektive zu betrachten und sich womöglich auch neu zu orientieren. Lehrprojekte wie diese bringen nicht bloß eine frische Abwechselung ins Studium, sondern verschaffen auch wertvolle und vielleicht einmalige Einblicke in die Arbeitsweisen in der Wissenschaft. Auch wenn unterschiedliche Erfahrungen und Eindrücke aus dem Web-Projekt „Biographien in der japanischen Nachkriegszeit“ mitgenommen werden, so steht am Ende eine gemeinsame Leistung und ein gemeinsamer Erfolg, den die Teilnehmenden allen Interessierten mit Freude auf der Projekt-Webseite vorstellen möchten.

(Dieser Text wurde von Yaren Gülsoy, Master-Studentin der Japanologie, verfasst.)

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18. Deutschsprachiger Japanologentag

© Vu Thuy Doan Hunyh

Vom 24. bis 26. August richtete das Institut für Modernes Japan an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den 18. deutschsprachigen Japanologentag aus. Die ursprünglich für August 2021 geplante Tagung wurde aufgrund der Coronasituation um ein Jahr verschoben und fand 2022 – dem 50. Jubiläumsjahr des Japanologentages – nun als reine Online-Veranstaltung statt. Dieses Format ermöglichte durch den Wegfall der örtlichen Gebundenheit gleichzeitig auch einem größeren Personenkreis die Teilnahme.

Wie bereits in den Vorjahren umfasste das Programm disziplinär ausgerichtete Sektionen und thematische Panels. In den annähernd 200 Vorträgen zeigte sich deutlich die große Vielfalt des Faches, sodass für alle Interessierten etwas dabei war.

Da ich zum ersten Mal an einem Japanologentag teilnahm, war ich umso gespannter darauf zu sehen, wie sich eine solche Tagung gestaltet. Mitunter war es allerdings gar nicht so leicht, sich für nur einen der vielen parallel laufenden Vorträge zu entscheiden. Zwar lag mein Fokus für den Bericht in diesem Blog auf den Vortragenden der Universität zu Köln, doch versuchte ich gleichzeitig auch, in möglichst vielen verschiedenen Sektionen vorbeizuschauen, um mir einen breiten Überblick zu verschaffen und die Stimmung des Japanologentages in seiner Gesamtheit mitnehmen und einfangen zu können.

Nachdem der Vortrag von Prof. Monika Unkel krankheitsbedingt abgesagt werden musste, nutzte ich die Gelegenheit, um mir Prof. em. Eduard Klopfensteins Vortrag zu Tanikawa Shuntarôs Gedichten über das Dichten anzuhören, in dem er sein Publikum ganz textnah an seinen Gedanken teilhaben ließ. Neben solch klassischen Themen waren aber auch äußerst moderne auf dem Japanologentag vertreten. So gewährte uns beispielsweise Dr. Christina Gmeinbauer einen Einblick in ihre mittlerweile abgeschlossene Dissertation und beleuchtete die Konstruktionen weiblicher Protagonistinnen in digitalen Spielen für den japanischen Markt. Auch in den Sektionen Medien und Informations- und Ressourcenwissenschaften wurden Manga, Anime, Visual Novels und Videospiele thematisiert und die Möglichkeiten erörtert, beispielsweise Fanbase-Datensammlungen wissenschaftlich nutzbar zu machen.

Otoko setsuyôshû nyoi hôju taisei 男節用集如意宝珠大成 © Staatsbibliothek zu Berlin

Einen ganz besonders wichtigen Beitrag aus Kölner Sicht stellte der Workshop zu den setsuyôshû 節用集 dar, der die Ergebnisse des DFG-Forschungsprojekts „Zur Genese „Nationalsprachlicher Lexika“ (kokugo jisho) und der Kommerzialisierung von „Wissen“ im Ôsaka des 17./ 18. Jahrhunderts“ präsentierte. Nach einer historischen Einordnung und Einführung in den Gegenstand des Projekts sowie die wissenschaftliche Bedeutung des Genres durch Prof. Stephan Köhn wurde den Teilnehmenden die im Aufbau befindliche Datenbank durch Martin Thomas und Paul Schoppe nähergebracht. Ganz bewusst wurde hierbei nicht nur auf die beiden im Projekt bearbeiteten Werke, Otoko setsuyôshû nyoi hôju taisei 男節用集如意宝珠大成 (1716) und Onna setsuyô mojibukuro 女節用文字袋 (1762), eingegangen, sondern es wurden auch die technischen Erfordernisse und Herausforderungen spezifiziert und mit den Workshopteilnehmern an einer bereits funktionalen Version der digitalen Datenbank gearbeitet, die ihnen zum Testen zur Verfügung gestellt wurde. Das Feedback der Teilnehmenden wird einen wichtigen Impuls für den weiteren Ausbau bieten.

Aber nicht nur durch die offiziellen Programmpunkte, sondern insbesondere auch vor und nach den eigentlichen Vorträgen wurde schnell klar, dass der Japanologentag dem Austausch von Informationen, der Diskussion und der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb des Fachs dient. Es war den Teilnehmenden deutlich anzusehen, wie viel Freude der wissenschaftliche Dialog ihnen bereitete und vielleicht auch durch die thematischen Gliederungen in den disziplinären Sektionen herrschte mitunter eine ausgelassene Atmosphäre und es war, als würden sich alte Freunde wiedersehen, die sich nach langer Zeit einmal mehr mit Gleichgesinnten über ihre Lieblingsthemen austauschen konnten. In den Pausen stand auf der Plattform wonder.me ein virtuell begehbarer Raum offen, um sich in kleinen oder großen Gruppen oder eigens eingerichteten Nischen zusammenzufinden, um alte oder neue Bekanntschaften zu machen und zu vertiefen, ein wenig zu plaudern oder sich weiter über das soeben Gehörte und Erlebte auszutauschen. Leider kann ein virtueller Raum ein echtes Treffen bei einem Kaffee oder Tee zwischen den Vorträgen natürlich nicht gänzlich ersetzen. Daher entstand im Anschluss an diese oftmals der Eindruck, als könnten sich die Teilnehmenden nur schwer von ihren Gruppen und den dort stattfindenden angeregten Diskussionen und Gesprächen losreißen.

Der deutschsprachige Japanologentag stellt explizit auch eine Gelegenheit für junge Nachwuchswissenschaftler*innen dar, mit erfahrenen Kolleg*innen und Expert*innen auf ihrem Gebiet zusammenzutreffen, Impulse zu erhalten und zu geben, um die Forschungslandschaft der Japanstudien aktiv mitzugestalten und weiterzuentwickeln. Eines der beiden Abschlusspanels „Berufsperspektiven für Absolvent*innen der Japanologie“ machte dies ganz besonders deutlich. Die moderierte Podiumsdiskussion, in der vier Absolventen und Absolventinnen der Japanologie ihren Werdegang und ihre Berufe in ganz unterschiedlichen Feldern in Deutschland wie in Japan vorstellten, zeigte den Interessierten, welch vielfältige Möglichkeiten ein Abschluss in der Japanologie den Studierenden eröffnet.

Der nächste deutschsprachige Japanologentag ist für August 2025 geplant, allerdings sind Modus und Format noch ungewiss. Natürlich hoffen wir alle, dass ein Japanologentag im altbewährten Präsenzformat wieder uneingeschränkt durchführbar sein wird. Die diesjährige Onlinetagung hatte jedoch ihre ganz eigenen Vorteile und ermöglichte auch die ortsunabhängige Teilnahme beispielsweise von Personen aus Japan. Nicht nur aus den offensichtlich rein praktischen Gründen, sondern sicherlich auch im Hinblick auf CO2-Bilanzen und eine nachhaltige Teilnahme wäre es also durchaus zu überlegen, künftige Japanologentage in einer kombinierten Form abzuhalten, um so die Vorzüge von Präsenz- und Onlineveranstaltungen miteinander zu verbinden.

 

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Die Kölner Japanologie stellt sich vor: Teil XII

Name
Jenny Willett

Was wollte ich eigentlich mal werden?
Eigentlich wollte ich schon in der Grundschule Tierärztin werden und setzte mit Feuereifer alles daran, mir dieses Ziel zu erfüllen. Da wurden Fächerkombinationen entsprechend gewählt, Praktika gemacht, beim Tierarzt mitgeholfen und bei OPs assistiert … Allerdings schlugen in Wirklichkeit schon damals zwei Herzen in meiner Brust und die Liebe zu Sprachen und Literatur meldete sich immer mal wieder aus dem Off, insbesondere wenn ich wehmütig die Credits im Abspann eines Videospiels las und mir vorstellte, wie es wäre, wenn dort eines Tages mein Name stände. Als ich schließlich die Zusage zum Tiermedizinstudium buchstäblich in der Hand hielt, entschied ich mich letztlich aus verschiedenen Gründen dann doch dagegen und folgte dem Rat meines ehemaligen Rektors und Französischlehrers, der meine Begabung eindeutig im sprachlichen Bereich sah, eine Karriere als Übersetzerin anzustreben, um irgendwann meinen Namen über den Bildschirm laufen sehen zu können. 

Was mache ich jetzt?
Seit August 2022 bin ich für die Gleichstellungsbeauftragte der Philosophischen Fakultät als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Japanologie beschäftigt. Neben der Unterstützung der Beauftragten und der Abteilung bei verschiedenen Angelegenheiten werde ich zukünftig die Betreuung dieses Blogs übernehmen. Gleichzeitig habe ich durch meine Anstellung jetzt auch die Chance, mich intensiver auf mein Promotionsvorhaben und die japanologische Forschung zu konzentrieren.

Wie bin ich zu diesem Beruf gekommen?
Nach dem Abitur hatte ich meine Wartezeit auf das Tiermedizinstudium mit einer Ausbildung zur Arzthelferin bei einem Psychiater überbrückt, die mir auch mein Studium finanzieren sollte. Diese Tätigkeit in der Praxis alleine lastete mich allerdings nicht aus und so lernte ich in meiner Freizeit eben Japanisch, damals eigentlich mehr aus einer Laune heraus, weil Sprache und Schrift mir gefielen und vor allem das „alte“ Japan mich irgendwie faszinierte. Der Gedanke, Übersetzerin zu werden, hatte sich dank der aufmunternden Worte meines Rektors allerdings in meinem Hinterkopf eingenistet und so entschloss ich mich mit Erhalt der Zusage, die Tiermedizin sein zu lassen und stattdessen Japanologie zu studieren. Irgendwie konnte ich dann auch das Dekanat und die Dozenten von meiner wachsenden Leidenschaft für Land und Kultur überzeugen und durfte in Tübingen mein Studium beginnen, obwohl das Semester da bereits in vollem Gange war. Bevor ich mein Promotionsstudium begonnen habe, hätte ich allerdings nie gedacht, einmal wirklich an der Uni zu arbeiten, auch wenn mein Vater mich komischerweise irgendwie schon immer genau dort gesehen hatte. 

Was schätze ich an meinem Beruf?
Obwohl ich das Übersetzen nach wie vor liebe und auch noch gern ausübe, hat die reine Freiberuflichkeit mich in meiner Forschung doch stark eingeschränkt. Im Master hat mir mein Aufenthalt in Ise damals enorm bewusst gemacht, wie beflügelnd ein gemeinsames Umfeld mit gleichgesinnten Wissenschaftler:innen sein kann, die für ihr Thema ebenso brennen wie man selbst und mit denen man in regen Austausch treten und Ideen und Gedanken teilen kann. Da ein nicht unerheblicher Teil meiner Tätigkeit hier der wissenschaftlichen Arbeit dient, habe ich nun die Freiheit, mein Wissen zu vertiefen, mich meinen Gedanken und Interessen zu widmen und Fragen nachzujagen, auf die es noch keine zufriedenstellenden Antworten gibt, um meinen eigenen Horizont zu erweitern und die japanologische Forschungslandschaft mitzugestalten, was ich sowohl als Privileg als auch eine große persönliche wie berufliche Chance betrachte.

 

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