Diversität und Inklusion in Japan

Vom 22. bis 26. Mai fand an der Universität zu Köln die neunte Diversity-Woche unter dem Motto „Du machst den Unterschied“ statt. Sie sensibilisierte mit einer Vielzahl an Veranstaltungen und Angeboten zu Themen wie Antidiskriminierung, Bildungsgerechtigkeit, Inklusion, Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Gleichstellung für Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion. Diesen Anlass nutzen wir gerne, um einmal nachzusehen, wie es derzeit eigentlich um die Diversität und Inklusion in Japan bestellt ist.

Die an preußische Militäruniformen angelehnte Gakuran (Gaku = Schule, ran = alter Begriff für westliche Kleidung)

 Gakuran-Uniform
© Benutzer: Hiroppy33 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0

Nach wie vor wird Japan als ein sehr homogenes Land wahrgenommen, das eng mit seinen Traditionen verknüpft ist. Auch die Schuluniformen, die vielen aus Anime und Manga bekannt sein dürften, sind Teil dieses Bildes vom einheitlichen Japan. Die Ende des 19. Jahrhunderts eingeführten Uniformen haben sich im Laufe der Zeit natürlich der aktuellen Mode angepasst, doch waren sie lange klar in Ausführungen mit Hosen für Männer und Röcken für Frauen getrennt. Seit einigen Jahren geht jedoch neben praktischen Aspekten insbesondere auch im Hinblick auf Diversität und persönliche Freiheiten der Trend nunmehr hin zu Genderless-Uniformen in verschiedenen Konzeptionen. Zwar sind Hosen für Mädchen insbesondere in kälteren Regionen Japans bereits seit vielen Jahren an einigen Schulen erlaubt, doch werden die Schnitte mittlerweile immer öfter nicht mehr für Jungen und Mädchen ausgewiesen, sondern als Modelle I und II oder A, B, C usw. gekennzeichnet. Nachdem bei der Wahl einer nicht dem biologischen Geschlecht entsprechenden Uniform die Furcht vor einem Quasi-Coming-Out groß war, sollen neue Regelungen an immer mehr Schulen nun eine größere Selbstbestimmung für alle ermöglichen. Genderless-Uniformen, beispielsweise in Kombination mit einem Blazer anstelle der geläufigen Gakuran- oder Sailor-Varianten nehmen nicht nur Rücksicht auf die LGBTQ+-Community, sondern stärken manchen Stimmen zufolge sogar das Gemeinschaftsgefühl, da sich die unterschiedlichen Ausführungen der Uniformen deutlich ähnlicher sehen.

Sailor-Uniform
© Benutzer:
Masami.H.M / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0

Nicht nur im Hinblick auf z. B. Transgenderpersonen werden die neuen Uniformen zumeist positiv aufgenommen und insbesondere die freie Gestaltung des Outfits mit größeren Kombinationsmöglichkeiten, die die Geschlechterstereotypen weiter aufbrechen, kommt bei den Schüler*innen gut an. Dem Uniformhersteller Kankô zufolge können sich im Jahr 2023 Mädchen bereits an über 3.000 Schulen in Japan auch für Hosen entscheiden, wobei der Zuwachs von Schulen, die auf mehr Genderneutralität bedacht sind, in den vergangenen Jahren stetig anstieg. Grundsätzlich können auch Jungen die Rockvariante wählen, allerdings wird dies meist nicht explizit beworben und unter Umständen sind hierfür noch gesonderte Absprachen mit der Schule notwendig. Für mehr Genderneutralität, die zudem eine mögliche Stigmatisierung umgehen soll, sorgen darüber hinaus an einigen Schulen weniger körperbetonte Oberteile und neu eingeführte Culottes, die von allen Geschlechtern getragen werden können.

Bild von Veronika Andrews auf Pixabay

Der Trend zu mehr Diversität und gendersensibler Kleidung beschränkt sich hierbei jedoch nicht nur auf die Schulen. Auch in manchen Kindergärten werden bereits die Kleiderordnung gelockert oder genderneutrale Variationen eingesetzt und selbst in Tôkyôs Disneyland und DisneySea werden seit April dieses Jahres geschlechtsneutrale Uniformen in unterschiedlichen Ausführungen für mehr Gleichberechtigung, Diversität und Bewegungsfreiheit genutzt. Auch die Bestimmungen zu Makeup und Haarstyling gelten nun nicht mehr geschlechterspezifisch, sondern gleichermaßen für alle Angestellten.

So erfreulich diese Entwicklung auch ist, so darf dennoch nicht vergessen werden, dass Japan der einzige G7-Staat ist, der die gleichgeschlechtliche Ehe noch immer nicht gestattet und bislang auch kein Gesetz gegen die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten vorzuweisen hatte. Am 16.06.2023 passierte nun nach mehrmonatiger Debatte das Gesetz zur Förderung des Verständnisses für LGBT das japanische Oberhaus. Interessenverbände weisen jedoch darauf hin, dass insbesondere der auf Druck der Opposition aufgenommene Zusatz zur Rücksichtnahme darauf, dass alle Bürger sorgenfrei leben können (全ての国民が安心して生活できるよう留意する), kritisch zu sehen ist.

Foto: „Statue of Lady Justice with Judge gavel and flag of Japan“ von Marco Verch via ccnull.de – Bildquelle, CC-BY 2.0

Es stehe zu befürchten, dass damit den Rechten der Mehrheit größeres Gewicht verliehen werde als denen der Minderheiten und dass diese dadurch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden könnten. Zudem geht das Gesetz auch nicht auf die gleichgeschlechtliche Ehe ein, die nach wie vor keine rechtliche Anerkennung findet. Einige gerichtliche Instanzen haben diesen Zustand zwar bereits als verfassungswidrig eingestuft, doch ist eine abschließende Einigung noch nicht in Sicht.

Um gleichgeschlechtliche Paare zu unterstützen und ihnen gewisse eheähnliche Vorteile zu verschaffen, etwa Partner im Krankenhaus als Familienmitglieder besuchen zu dürfen oder gemeinsame Wohnungen anzumieten, bieten verschiedene Bezirke z. B. in Tôkyô seit einiger Zeit zumindest bereits eingetragene Partnerschaften an und seit Juni dieses Jahres gibt es im Tôkyôter Bezirk Setagaya auch eine Entschädigungszahlung für Menschen, deren Partner unter Ausübung von angeordneten Notfallmaßnahmen zu Schaden kamen.

Ainu © Benutzer: Torbenbrinker / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0

Ryûkyû-Tanz © Savannah Rivka / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0

Japans Probleme bestehen allerdings nicht nur im Umgang mit der LGBTQ+-Community, sondern Diversität und Inklusion sind nach wie vor Bereiche, in denen sich Defizite erkennen lassen. Konkret zeigt sich dies im Umgang mit der Beschäftigung älterer Menschen oder ausländischer Arbeitnehmer*innen, der noch immer geringen Zahl von Frauen in Führungspositionen sowohl in der Wissenschaft als auch in Unternehmen oder der Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen wie den Ainu, der indigenen Bevölkerung der Ryûkyû-Inseln (Okinawa) oder den sogenannten burakumin, die geschichtlich bedingt mit sozialer Ausgrenzung zu kämpfen haben. Japan hat in Sachen Diversität also sicherlich noch einen weiten Weg vor sich und es bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt.

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