Die ersten drei Jahre des durch die DFG geförderten Projekts zur Neuordnung des Wissens, über das hier im Blog bereits berichtet wurde, gingen im Februar 2023 zu Ende. Während die letzten Arbeiten verrichtet wurden, nahm sich Martin Thomas, einer der beiden Projektmitarbeiter, die Zeit für ein kurzes Interview, um die vergangenen drei Jahre Revue passieren zu lassen und uns zu erklären, wie ein „DFG-Projekt“ konkret aussieht.
Wie muss man sich so ein DFG-Projekt eigentlich vorstellen und was sind dessen Besonderheiten?
Martin Thomas: DFG steht für Deutsche Forschungsgemeinschaft, und DFG-Projekte haben wie alle Projekte zunächst einmal eine zeitliche Befristung, die bereits bei der Beantragung festgelegt wird – in unserem Fall waren das drei Jahre. Ferner hat man gegenüber dem Mittelgeber die Verpflichtung festzuhalten, wie und wofür die bewilligten Gelder ausgegeben werden. Dies ist vor allem bei der Planung von Tagungen wie unserer Konferenz im Januar zu beachten. Ein positiver Aspekt von DFG-Projekten, zumindest aus meiner Sicht, ist die Tatsache, dass die Beteiligten keinerlei Lehrverpflichtungen haben und sich somit voll und ganz auf die Projektarbeit konzentrieren können. Prinzipiell ist es natürlich großartig, dass Bund und Länder Gelder für Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen, die personell und finanziell ansonsten nicht zu stemmen wären.
Wie läuft so ein Projekt denn eigentlich ab? Und wie kann man sich den Arbeits- und Projektalltag vorstellen?
Martin Thomas: Zunächst wird vor Beginn des Projekts ein umfangreicher Projektantrag eingereicht. Dieser stellt dar, was genau untersucht werden soll, wie der aktuelle Forschungsstand zu dem Thema ist, welche Vorarbeiten dafür bereits von Antragstellerseite geleistet wurden und welche Ziele das Projekt hat. Darüber hinaus wird ein konkretes Arbeitsprogramm formuliert, welche Schritte zu welchen Zeiten und mit welchen Untersuchungsmethoden vorgesehen sind. Schließlich muss auch noch festgehalten werden, wie mit den gewonnenen Daten nach Abschluss des Projekts verfahren wird. Und last but not least enthält der Projektantrag auch eine Kostenkalkulation. Allein in diesem Antrag steckt schon sehr viel Arbeit.
Ich will aber jetzt auf den Zeitraum eingehen, an dem ich direkt beteiligt war. Unser Projekt lässt sich dabei grob in drei Phasen unterteilen.
Die Anfangszeit war vor allem von der Anfertigung einer wissenschaftlichen Edition des im Fokus stehenden Textes, dem Otoko setsuyôshû nyoi hôju taisei 男節用集如意宝珠大成 (Das vollendete Wunschjuwel: Die zeitersparende Sammlung für den Mann), geprägt. Hierbei handelt es sich um ein zum Genre der setsuyôshû (Sammlungen [von Wörtern] für den zeitsparenden Gebrauch) gehörendes Wörterbuch aus dem 18. Jahrhundert. Neben der Entzifferung des Originals und dem Übertrag desselben in eine professionelle Software für Textgestaltung mussten wir uns hierbei beispielsweise auch Gedanken über die Editionsrichtlinien machen, da in dem Werk viele Zeichenvarianten, sogenannte itaiji 異体字, verwendet werden. Diese Zeichenvarianten sind häufig nicht in den standardisierten Fonts enthalten, so dass die Aufnahme einer Zeichenvariante in die Edition als Folgeschritt auch die Erstellung dieses Zeichens in einem eigenen Fontprogramm nach sich zog. Generell hat der Prozess der Edition sehr viel Zeit in Anspruch genommen, weil sich das Werk aufgrund vieler Kommentare und Alternativschreibungen, die sich unterhalb der einzelnen Einträge (Lemmata) des Wörterbuchteils finden, als überaus komplex herausstellte. Nicht zu vergessen ist auch der Umstand, dass wir zu Beginn natürlich erst einmal so viele Drucke wie möglich beschaffen mussten, da Abrieb, Verunreinigungen und Wurmfraß je nach Exemplar das Lesen und Entziffern erschweren.
In der zweiten Projektphase standen dann die Arbeiten an der geplanten Datenbank im Mittelpunkt. Diese begannen mit der Konzeption, die ebenfalls komplex und damit sehr zeitintensiv war. Zunächst machten wir uns daher in Rücksprache mit unserem Webdesigner Horst Plambeck und unserem Programmierer Joachim Riegers, denen wir sehr viel im Hinblick auf die erfolgreiche Umsetzung unserer Ideen zu verdanken haben, in zahlreichen Meetings Gedanken darüber, welche Daten der beiden zu erfassenden Werke – neben dem Otoko setsuyôshû nyoi hôju taisei sollte auch das bereits von Prof. Köhn zuvor vollständig edierte Onna setsuyô mojibukuro 女節用文字袋 (Der Wortbeutel der zeitsparenden Sammlung für die Frau) in die Datenbank aufgenommen werden – und ihrer Lemmata verarbeitet und vor allem später auch über die Online-Suchfunktion nutzbar gemacht werden sollten. Nachdem das Korpus feststand, mussten die angefertigten Editionen für den digitalen Datenabruf aufbereitet werden. Dies erfolgte durch einen Übertrag der Editionen in eine Excel-Datei, die später als CSV-Datei exportiert wurde. Für diesen Schritt waren im Wesentlichen unsere beiden studentischen Mitarbeiter Daniel Döbbeler und Michail Ketikidis zuständig, denen ich auf diesem Wege auch noch einmal unseren Dank aussprechen möchte. Geprägt waren die Arbeiten an der Datenbank häufig durch Austüfteln und Testen neuer Funktionen. Es mussten Regelungen für die Darstellung von im Werk zu findenden Lesehilfen (furigana 振り仮名) oder der bereits angesprochenen Zeichenvarianten gefunden werden. Darüber hinaus stellte uns die Heterogenität der beiden Werke in Bezug auf die Gestaltung ihrer Lexikonteile, d. h. vor allem die unterschiedliche Anzahl an Themenfeldern mit voneinander abweichenden Bezeichnungen, vor große Herausforderungen.
Die Planung und Durchführung der Abschlusstagung bildeten dann gewissermaßen die dritte und letzte große Phase des Projekts. Durch die COVID-19-Pandemie war es uns in den ersten beiden Jahren leider nicht möglich, mit anderen Forscher:innen im Rahmen
eines Workshops zum japanischen Buchdruck der Edo-Zeit (1603-1868) in Kontakt zu treten. Dies wollten wir zumindest am Ende der Projektlaufzeit unbedingt nachholen. Und da wir Teilnehmer:innen aus Japan, den USA und Europa gleichzeitig online und vor Ort in Köln bei der Tagung dabei haben wollten, hatten wir bei der inhaltlichen und zeitlichen Abstimmung des Programms mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen. Am Ende ist uns das jedoch ziemlich gut gelungen, wie ich finde.
Eben haben Sie bereits den Austausch zu anderen Wissenschaftler:innen, die im Bereich des japanischen Buchdrucks forschen, angesprochen. Wie rege waren denn die Kontakte?
Martin Thomas: Vor und nach der Tagung standen wir mit einigen Wissenschaftler:innen eng im Kontakt, konnten Fragen stellen oder gemeinsam Probleme erörtern. Generell habe ich den Eindruck, dass durch die Tagung die Forschungsgemeinschaft dieses besonderen akademischen Felds ein wenig näher zusammengerückt ist. Auch beim Japanologentag, auf dem wir im August 2022 die Betavariante der Datenbank vorgestellt haben, konnten wir bereits ein wenig mit der Community in Kontakt treten. Mehr ist sicher immer möglich, aber in Anbetracht der COVID-19-Pandemie können wir mit dem Output im Großen und Ganzen wohl recht zufrieden sein.
Wie geht es mit dem Projekt jetzt weiter und wie ist der wissenschaftliche Ausblick?
Martin Thomas: Der von der DFG finanzierte Projektzeitraum ist jetzt erst einmal zu Ende. Das Projekt an sich läuft allerdings noch weiter. So wird sich Prof. Köhn fortan darum kümmern, dass die Datenbank weiter vervollständigt wird, damit sie künftig auch von einer interessierten Öffentlichkeit genutzt werden kann. Für den Moment kann ich zumindest so viel verraten, dass wir mit der Unterstützung aller genannter Beteiligten ein optisch sowie inhaltlich wirklich ansprechendes Forschungstool erstellt haben, mit dem äußerst komfortabel nach edo-zeitlichem Vokabular gesucht werden kann, und das auf zahlreiche verschiedene Weisen. Seien Sie also alle gespannt!
Wir danken Ihnen für das Gespräch!