Forschungsklasse UNESCO-Welterbe vor Ort: Mino, Japan

Im September und Oktober ging es für vier Wochen auf eine Forschungsreise nach Mino in der Präfektur Gifu. Anlass hierfür war die Forschungsklasse UNESCO-Welterbe der Universität zu Köln (http://welterbe.uni-koeln.de). In dieser Klasse kommen Studierende aus den verschiedensten Disziplinen der Philosophischen Fakultät zusammen und entwickeln eigenständig Projekte, die sie das gesamte Semester über unter Betreuung verfolgen. Ziel der Klasse ist es, den Studierenden projektorientierte Arbeit in der Wissenschaft näher zu bringen und sie erste Erfahrungen sammeln zu lassen.

Auf zur Forschung nach Japan.

Das Echte Japan-Papier
Das UNESCO-Erbe des hier vorgestellten Projekts ist das Hon-Minoshi, also „Echtes Mino-Japanpapier“, das 2014 im Rahmen des Antrags „Washi, craftsmanship of traditional Japanese hand-made paper“ in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Neben dem Echten Mino-Japanpapier, das aus der Region Mino (nördlich von Nagoya) kommt, wurden noch zwei weitere Japanpapiere (washi) in den Präfekturen Saitama (nordöstlich von Tôkyô) sowie Shimane (im Westen der Hauptinsel Honshû) zum immateriellen Erbe ernannt. Die UNESCO sieht in diesen drei Papieren eine besondere Qualität und eine besondere handwerkliche Leistung, die unter Schutz gestellt werden sollte. Neben diesen technischen Aspekten beschreibt sie aber auch die papierherstellenden Gemeinden, in denen die Handwerkskunst lebendig weitergegeben werde und das Papier das zentrale Element des gesellschaftlichen Lebens sei. Parallel zur Sichtweise der UNESCO muss allerdings auch eine Gefährdung der Handwerkskunst gesehen werden, da die Zahl der washi-Produzenten immer kleiner wird und der Papierbedarf ebenfalls sinkt. Ausgehend von dieser Diskrepanz sollte die Forschung sich damit befassen, in welchem Rahmen die Beschreibungen der UNESCO zur Papierherstellung in Mino zutreffen.

Eine der beiden Papierschöpfwerkstätten in Mino, die das Echte Mino-Japanpapier herstellen. Vor dem Haus links die Stele der UNESCO, rechts die etwas kleinere Stele des nationalen immateriellen Kulturerbes.

Vorbereitung der Feldforschung in Nagoya
Für die Forschung wurden mehrere Standorte gewählt: Dies war aufgrund ihrer geographischen Lage und ihrer Möglichkeiten zur akademischen Vernetzung mit anderen Universitäten zum einen die Stadt Nagoya und zum anderen die Stadt Mino selbst. In Nagoya befassen sich mehrere Universitäten mit dem Thema Japanpapier, so dass die dort stattfindenden Vorlesungen und Ausstellungen für die Durchführung des Projekts genutzt werden konnten. Dabei stellte sich heraus, dass das Echte Mino-Japanpapier nur ein kleiner Ast in der großen Familie des Japanpapiers ist und dass es, trotz der UNESCO-Ernennung, vielleicht gar keine so große Aufmerksamkeit erhalten würde. Dies wurde unter anderem beim Vortrag „Kami no Michi“, also etwa „Der Weg des Papiers“, an der Präfekturuniversität Aichi deutlich. Hier trugen Herr Sugimoto (früher Kaiserliches Hofamt) und Prof. Shibazaki (Präfektur-Kunstuniversität Aichi) vor, wie sich die Kunst des Papierschöpfens von China aus über Zentralasien und den Nahen Osten bis ins spätmittelalterliche Europa verbreitete. Sie bezogen sich dabei vor allem auf die zahlreichen lokalen Papiere aus ganz Japan. Das Echte Mino-Japanpapier erwähnten sie nicht weiter, wohl aber die UNESCO-Ernennung. Der Vortrag machte deutlich, dass es viele traditionelle Japanpapiere gibt, die mindestens ebenso wichtig sind wie die von der UNESCO ausgezeichneten.

Die Forschung vor Ort: Mino
Von Nagoya aus ging es dann nach Mino. Die Lage der Stadt ist an sich schon sehr ländlich, doch das Zentrum der Papierherstellung seinerseits liegt noch einmal ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Da Landflucht und Überalterung in Japan große Probleme sind, ist der öffentliche Nahverkehr in ländlichen Regionen oftmals sehr karg. So auch in Mino, wo es lediglich einen Bus zum UNESCO-Erbe gibt, der nur frühmorgens und spätnachmittags fährt. Darüber hinaus gibt es noch einen Anruf-Taxibus-Service, der allerdings voraussetzt, dass man des Japanischen mächtig ist, um ihn zu nutzen. Besucher aus dem Ausland, die kein Japanisch sprechen, würden hier vermutlich scheitern.

Das Museum „Heimat des Mino-Japanpapiers“.

Das Minowashi no Satokaikan
Erste Anlaufstelle war das Minowashi no Satokaikan, also etwa das Museum „Heimat des Mino-Japanpapiers“. Das Museum, das 1994 eröffnet und 2017 generalüberholt wurde, beschäftigt sich schon seit seiner Einrichtung mit dem Mino-Japanpapier, nicht zu verwechseln mit dem von der UNESCO gelisteten Echten Mino-Japanpapier. Das Mino-Japanpapier wird ebenfalls in der Region Mino hergestellt und gehört innerhalb Japans zu einer Gruppe von Papieren ist, die den Status eines nationalen, immateriellen Kulturerbes haben.

In dem Museum kann man neben einer Ausstellung von Papierkunst auch die geschichtlichen Grundzüge sowie die Herstellung der drei UNESCO-Japanpapiere entdecken. Es gibt zudem einen Museumsladen mit verschiedenen Produkten und einen Papierworkshop, in dem man sich selbst am Papierschöpfen versuchen kann. Gerade mittags ist dieser Workshop von Schulklassen gut besucht. Aber auch hier im Museum stand das Mino-Japanpapier ganz allgemein im Mittelpunkt, und das Echte Mino-Japanpapier war nur ein kleiner Teil der Ausstellung und der zum Verkauf stehenden Produkte.

Die UNESCO-Ernennung an der Papierschöpfwerkstatt der Familie Suzuki.

Gespräch mit den Papierschöpfern
Als Ansprechpartner für das Echte Mino-Japanpapier stand das Ehepaar Suzuki zur Verfügung, das zu den drei letzten Papierschöpfern für Echtes Mino-Japanpapier gehört. Es war ebenfalls möglich, das Ehepaar bei der Arbeit zu beobachten. Suzuki Takehisa, der mit 65 Jahren noch einmal Lehrling seiner Frau wurde und in das Papierschöpfen einstieg, berichtete dabei, dass auch er den Eindruck habe, dass sein Papier nur eines von vielen in der japanischen Papierlandschaft sei. Weiterhin, so sagte er, gäbe es zwar viele junge Leute, die Echtes Mino-Japanpapier schöpfen wollten, doch verfolgten diese lieber ihre eigenen Vorstellungen des Papierschöpfens, als die traditionellen Handwerkstechniken zu erlernen.

Dennoch werde sein Papier immer noch gebraucht: Die shôji, die traditionellen Papierschiebetüren, würden nach wie vor hergestellt, und für diese sei das Echte Mino-Japanpapier das Beste. Tatsächlich ist eines der UNESCO-Kriterien die besondere Textur des Papiers, die das Licht besonders ästhetisch durchscheinen lässt. Nach dem Gespräch mit Herrn Suzuki war die Frage, wie es mit dem Papier weitergeht, also umso wichtiger und soll in der weiteren Forschung stärker beachtet werden.

Die Papier-und-Lichtkunstausstellung

Kunstwerke in der Ausstellungshalle.

Die jährlich stattfindende Papier-und-Lichtkunstausstellung markierte einen weiteren Höhepunkt des Aufenthalts in Mino. Im Rahmen dieser Ausstellung präsentieren verschiedenste Künstler aus ganz Japan ihre Papierkunst, die in der Abenddämmerung und der darauffolgenden Dunkelheit beleuchtet wird. Dieses Event ist auch im Hinblick auf die Besucherzahlen der Höhepunkt in jedem Jahr.

Illuminierte Kunstwerke in der Innenstadt von Mino.

Zusätzlich zu der ganzjährig geöffneten Ausstellungshalle werden die Kunstwerke an den Wochenenden des Lichtkunstveranstaltung in der Innenstadt ausgestellt. Mino, dessen Innenstadt auch für seine Architektur berühmt ist, erstrahlt so in angenehm warmem Licht und bietet ein sehr pittoreskes Bild.

 

Die in Mino durchgeführte Feldforschung wird im Wintersemester 2018/19 ausgewertet, und die Ergebnisse werden im Februar 2019 auf dem öffentlichen Symposium der Welterbeklasse der Universität zu Köln vorgestellt. Die Ankündigung der Veranstaltung erfolgt auf der Seite der Forschungsklasse Welterbe (http://welterbe.uni-koeln.de/news). Interessierte sind dazu herzlich eingeladen.

(Dieser Beitrag wurde von Felix M. Krause, Student im Master Japan-Studien, verfasst.)

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