Wenn man sich mit Aufsätzen und Monographien über Japan zur Besatzungszeit beschäftigt, dann stolpert man in den Danksagungen häufig über eine Institution: Die Prange-Sammlung in Maryland, einschließlich der hilfreichen Bibliothekar:innen, die dort arbeiten und Forschenden dabei helfen, in der unglaublich umfassenden Sammlung zu recherchieren. Bei der Prange-Sammlung handelt es sich um die größte Sammlung von Printmedien Japans des Zeitraums zwischen 1945 und 1949. In der Sammlung sind rund 71.000 Bücher und Broschüren, 13.800 Zeitschriften, 18.000 Zeitungen, 10.000 Fotos und andere Medien – insgesamt 20 Tonnen an Material! – enthalten.
Wie der Name schon sagt, wurde die Sammlung hauptsächlich von Gordon W. Prange, einem amerikanischen Historiker, zusammengestellt. Prange war schon vor dem Zweiten Weltkrieg an der University of Maryland als Geschichtsprofessor beschäftigt. Im Zweiten Weltkrieg war er dann als Offizier der United States Navy tätig. Während der Besatzung Japans durch die Alliierten wurde er der Chefhistoriker für General Douglas MacArthur, allerdings als Teil des zivilen Personals. Eigentlich wollte Prange nicht in Japan bleiben, sondern direkt 1946 nach Maryland zurückkehren, um wieder zu lehren. Durch einen Sturm wurde sein Schiff allerdings daran gehindert, den Hafen zu verlassen, und so entschied sich Prange doch noch, die angebotene Stelle bei General MacArthur anzunehmen. Er führte Interviews mit ehemaligen Angehörigen des japanischen Militärs durch und untersuchte insbesondere den Angriff auf Pearl Harbor. Nach der Besatzungszeit kehrte er an die University of Maryland zurück und lehrte dort. Aber woher kommen all die Dokumente in der Prange-Sammlung?
Während der Besatzungszeit war es Aufgabe des Civil Censorship Detachments (CCD), die gesamte Kommunikation der Zivilbevölkerung zu kontrollieren – dies umfasste zunächst schriftliche Korrespondenz und Telefongespräche, aber natürlich auch das Massenmedium Radio und jegliche Form der Publikation in Printmedien. Bis 1949, als das CCD seinen Betrieb einstellte, mussten so alle Verlage, individuell Herausgebende oder Autor:innen zwei Exemplare jeder Publikation beim CCD einreichen. Davon wurde je eine Kopie einbehalten und eine Kopie wurde an die Herausgebenden zurückgegeben – mit Beanstandungen, sofern es welche gab. Die vom CCD einbehaltenen Publikationen wurden nach Beendigung der Zensur jedoch nicht vernichtet. Gordon W. Prange erkannte den historischen Wert dieser umfassenden Sammlung von Printmedien und setzte sich dafür ein, dass sie nach Maryland verschifft, dort bearbeitet und schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Besonders spannend: Es sind nicht nur die Publikationen selbst archiviert, sondern bei manchen Dokumenten lassen sich zudem die Notizen und Einschätzung der Zensoren finden. Deswegen ist die Prange-Sammlung eine kostbare Ressource für die historische Japanforschung.
Eine Sammlung dieser Größe benötigt natürlich Zeit, um katalogisiert und aufbereitet zu werden. Heute ist die Sammlung in der Hornbake Bibliothek auf dem Campus der University of Maryland einzusehen. Zwischen 1992 und 2001 gab es ein gemeinsames Projekt mit der Staatlichen Parlamentsbibliothek in Tōkyō, Zeitschriften und Zeitungen aus der Sammlung auf Mikrofiche zu speichern und sie auch dort verfügbar zu machen.
Daneben gab es jedoch auch weitere Bemühungen in Japan, die Prange-Sammlung für ein breites Publikum nutzbar zu machen. Im Jahr 2000 erhielt das von Yamamoto Taketoshi, einem emeritierten Professor der Fakultät für Politische Ökonomie der Waseda-Universität in Tōkyō, gegründete „Projektkomitee zur Erstellung einer Artikelinformationsdatenbank für Zeitschriften aus der Besatzungszeit“ Forschungsgelder des Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport und Wissenschaft. Yamamoto, dessen Forschung sich u. a. mit Zeitungsgeschichte beschäftigte, hatte sich bereits lange mit der US-amerikanischen Besatzungszeit Japans auseinandergesetzt und interessierte sich brennend für alle Materialien, die er dazu finden konnte, weshalb er mehrfach persönlich die Prange-Sammlung der Maryland University besuchte.
Mehrere vorangegangene Bemühungen verschiedener Arten von Datensammlungen seinerseits mündeten schließlich in der Erstellung der digitalen Datenbank „20th Century Media Information Database“ durch die NPO Institute of Intelligence Studies. Die Datenbank steht seit November 2020 dauerhaft zur Verfügung, ein Zugriff ist auch über CrossAsia möglich. Dabei handelt es sich um eine Metadatenbank mit über drei Millionen Einträgen zu Zeitschriften- und über einer Million Einträgen zu Zeitungsartikeln. Die Einträge enthalten u. a. Informationen zu Verfasser:innen, Veröffentlichungsort und
-datum, Herausgeber:innen sowie zu einer eventuellen Zensur.
Die „20th Century Media Information Database“ ist somit ein weiterer wichtiger Schritt in der Erschließung der Prange-Sammlung und dazu, ein umfassenderes Bild über das Japan der Nachkriegszeit zu erhalten. Auch für interessierte Studierende bietet die Datenbank eine spannende Möglichkeit zu eigener Recherche.