Vom 19. bis 21. Mai 2022 organisierte die Japanologie der Universität zu Köln die Abschlusskonferenz des Projektes „Die gespaltene Gesellschaft: Diskursive Konstitution Japans zwischen Atombombe (genbaku) und Atomkraftwerk (genpatsu)“. Das Projekt wird seit November 2018 in Kooperation mit der Universität Leipzig durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Während sich die Leipziger Japanologie unter der Leitung von Prof. Dr. Steffi Richter dem Teilprojekt „Alltagskulturell-bildsprachliche Artikulationen des Nuklearen“ widmet, beschäftigt sich das Team der Kölner Japanologie unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Köhn mit dem Teilprojekt „Literarische Artikulationen des Atomaren“.
Bereits im Sommersemester 2021 hatte – aufgrund von Corona-Einschränkungen digital – im Rahmen des Projektes die Vortragsreihe „Japan’s Split Society Between Genbaku and Genpatsu: Media, Propaganda and Science“ stattgefunden. Daher war das Team in Köln nun besonders darüber erfreut, die abschließende Konferenz des Projektes endlich in Präsenz abhalten zu können.
Unter dem Titel „Hiroshima – Nagasaki – Fukushima: Articulations of the Nuclear. The Case of Japan” präsentierten neben dem Kölner Team, bestehend aus Prof. Dr. Stephan Köhn, Katharina Hülsmann sowie Marie-Christine Dreßen, dreizehn weitere Vortragende aus dem In- und Ausland, ihre Forschungsarbeiten im Rahmen des Projektes bzw. in Bezug auf den thematischen Rahmen.
In Anbetracht des erneuten atomaren Wettrüstens und der Debatten um die Nachhaltigkeit von Kernenergie haben die „Artikulationen des Nuklearen“, die in den einzelnen Vorträgen aus den unterschiedlichsten Perspektiven heraus beleuchtet wurden, eine ganz neue Aktualität und Brisanz erlangt. Die Themen bewegten sich von der Erinnerungskultur rund um die Musealisierung der Atombombenabwürfe – sowie der Darstellung letzterer im Medium Manga oder der Atombombenliteratur (genbaku bungaku) – bis hin zu einer Untersuchung des Diskurses rund um Atombomben und Atomkraft in der Tagespresse der direkten Nachkriegszeit mithilfe der Gordon W. Prange Collection. Dabei spielte auch der künstlerische Umgang mit den Atombombenabwürfen eine Rolle, etwa in der darstellenden Kunst, der Literatur oder im Film. Es sollten Leerstellen aufgezeigt, das Unsichtbare sichtbar gemacht werden. Im Hinblick auf die gesellschaftliche und politische Aufarbeitung der Geschehnisse wurde in den Beiträgen kritisch hinterfragt, was überhaupt thematisiert werden konnte und worüber letztlich geschwiegen werden musste. Denn die Zensurpolitik seitens der US-amerikanischen Besatzung in der direkten Nachkriegszeit (1945–49) erschwerte „Artikulationen des Nuklearen“ in nahezu jeder Hinsicht. Nicht zuletzt wurde auch versucht, Zusammenhänge und Parallelen zwischen den beiden Atombombenabwürfen sowie der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 zu verdeutlichen, beispielsweise im Hinblick auf die mediale Berichterstattung und Erinnerungskultur.
Die Konferenz wurde auch dazu genutzt, zusammen mit den internationalen Gästen eine Exkursion zu einem Ort in Köln zu unternehmen, der die Unmittelbarkeit und Aktualität des Themas vor Augen führt. Gemeinsam wurde die Dokumentationsstätte Kalter Krieg (DOKK) besucht, die sich in der U-Bahn-Haltestelle Kalk Post befindet. Ende der 1970er Jahre gebaut, sollte dieser zivile Schutzraum über 2.000 Kölner BürgerInnen im Ernstfall Schutz bieten, allerdings nicht ohne planerische Mängel. Die vierstöckigen Sitz-Liege-Kombinationen im hinteren Teil des Raumes gaben eine vage Vorahnung, wie es wohl gewesen wäre, hätte es einen solchen Ernstfall gegeben. Zudem wäre eine zweiwöchige Vorbereitungsphase nötig gewesen, in der z.B. Trinkwasser hätte eingelagert werden müssen, um den Schutzraum bezugsfertig zu machen. Im Anschluss an eine Führung durch den Schutzraum fanden zwei der Vorträge direkt dort statt.
Abschließend fanden sich alle Teilnehmenden zu einer Podiumsdiskussion in den Räumen der Universität zu Köln zusammen, um die Inhalte und Perspektiven der drei Konferenztage zu verknüpfen und sich über die zukünftige akademische Auseinandersetzung mit dem Thema des Nuklearen auszutauschen. Geplant ist zudem ein Konferenzband, in dem die Ergebnisse der Tagung festgehalten werden sollen.