Tagungsbericht: Portfolio im Japanischunterricht

Am 20. Januar 2018 kamen in der Japanologie Studierende des Lehramts Japanisch und Japanischlehrende aus Schulen und Universitäten zusammen, um sich einen Tag lang mit den Möglichkeiten der Portfolioarbeit im Japanischunterricht zu beschäftigen. Unterstützt wurden sie hierbei durch die externen Referent*innen Flori Bargon, Studienrätin am Berufskolleg Bonn Duisdorf, und Dr. Oswald Inglin, Mitglied des Internationalen Netzwerks Portfolio und bis zu seiner Pensionierung Studiendirektor und Lehrer für Geschichte und Englisch am Gymnasium Leonhard in Basel.
Der Portfoliobegriff ist vielfältig – auch im pädagogischen Bereich. Im allgemeinen werden in einem Portfolio Produkte, die Lernende inner- und/oder außerhalb des Unterrichts erstellen, aufgaben- und adressatenbezogen zusammengestellt. Insbesondere bei einer hohen Heterogenität der Lernenden bietet die Portfolioarbeit die Möglichkeit, das eigene Können und die individuelle Entwicklung zu dokumentieren.
Aufgrund der Vielfalt der Vorstellungen zum Portfolio war es erst einmal notwendig, eine gemeinsame Basis zu schaffen. Dazu zeigte Monika Unkel im Einführungsvortrag unterschiedliche Portfoliomodelle, die im Fremdsprachenunterricht Anwendung finden. Nach der Definition von Portfolioarbeit und der Darstellung ihrer Vorzüge (kontinuierliche Leistungserbringung, Herausstellen der eigenen Stärken, Reflexion des Lernprozesses) stand das im Fremdsprachenunterricht durch verschiedene Modellversuche bekannte Europäische Sprachenportfolio (ESP) im Mittelpunkt, das auch im Japanischunterricht (z. B. in der Erwachsenenbildung) eingesetzt wird. Es wurde deutlich, dass das ESP nur unter bestimmten Bedingungen eine alternative Unterrichtsgestaltung impliziert und eigentlich eher eine Materialsammlung darstellt, die weit hinter den Möglichkeiten der Portfolioarbeit zurückbleibt und aufgrund ihrer fehlenden Einbindung in den Unterricht sowohl von Schüler*innen als auch von Lehrenden oft nur als zeitintensive Belastung empfunden wird.
Im Anschluss stellte Flori Bargon ein Projektportfolio vor, mit dem sie während ihres Vorbereitungsdienstes im Englischunterricht einer gymnasialen Klasse 9 gearbeitet hat.

© F. Bargon.

Ziel war es, eine heterogene und z. T. wenig motivierte Schüler*innenschaft zum Lesen anzuregen und ihre Lesekompetenz zu fördern. Dabei wurde deutlich, dass diese Form der Portfolioarbeit für alle Beteiligten zwar sehr arbeitsintensiv und anspruchsvoll war, die Leseleistungen der Schüler*innen aber gesteigert wurden. So haben alle Schüler*innen die behandelte Ganzschrift komplett gelesen (was bei der früheren Lektüre einer Ganzschrift nicht der Fall gewesen war) und sie auch verstanden. Im Hinblick auf die Lesetechniken wurde allerdings nicht die angestrebte Sicherheit erreicht, was mglw. darauf zurückzuführen ist, dass das Portfolio als „sonstige Leistungen“ und nicht als Ersatz für eine Klassenarbeit genutzt wurde und damit nicht so stark für die Leistungsmessung herangezogen wurde, wie es möglich gewesen wäre. Auch wenn der Einsatz des Portfolios insgesamt als positiv bewertet wurde, machte die Referentin deutlich, dass bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um die Belastungen aller Beteiligten zu beschränken. Sie nannte in diesem Zusammenhang die Reduzierung des Aufgabenumfangs, die Verlagerung der Portfolioarbeit in das zeitlich ausgedehnteste zweite Quartal eines Schuljahrs sowie die Ersetzung einer Klassenarbeit durch das Portfolio.
Auch der Hauptreferent der Tagung, Oswald Inglin, der viele Jahre lang im Englisch- und Geschichtsunterricht mit dem Portfolio gearbeitet und zahlreiche Fortbildungen für Lehrer*innen zur Portfolioarbeit durchgeführt hat, machte deutlich, dass die Einbindung der Portfolioarbeit in den Unterricht die Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz bildet. Er wies auch auf die Möglichkeiten hin, das Portfolio nicht nur als solches zu bewerten, sondern es zusätzlich als Grundlage für Prüfungen zu nutzen (vgl. hierzu auch Inglin 2010, S. 128 ff.). So berichtete er von mündlichen Prüfungen, in denen die Schüler*innen Aufgaben zu lösen hatten, die sich unmittelbar aus ihren Arbeiten im Portfolio ergaben. Ein weiterer zentraler Punkt besteht für Inglin in der Art der Unterrichtseinbindung.Weder der völlige Ausschluss des Portfolios aus dem Unterricht (Parallel-Modell, s. Abbildung) noch die Nutzung der kompletten Unterrichtszeit für die Erstellung des Portfolios (Einheits-Modell) stellen aus seiner Sicht in der Schule realisierbare Lösungen dar.
Inglin spricht sich deswegen für eine Kombination aus Regelunterricht, in dem die Schüler*innen exemplarisch Unterrichtsstoff behandeln, und Portfolio, in dem die Schüler*innen ihre eigenen Themen methodisch gleich oder ähnlich bearbeiten, einerseits (Zentrifugal-Modell) sowie eine punktuelle Integration der Portfolioarbeiten z. B. durch Work-in-Progress-Sitzungen in den Unterricht andererseits (Zentripetal-Modell) aus (vgl. Inglin 2006,
S. 84 f.).

© O. Inglin, s. auch O. Inglin 2006, S. 85.

Nachdem die Teilnehmer*innen die verschiedenen Modelle und eine Reihe von Realisierungsbeispielen kennengelernt hatten, schloss sich ein Workshop an, in dem in Zweiergruppen Varianten des Zentrifugal- und Zentripetal-Modells für den Japanischunterricht entwickelt und besprochen wurden. Dabei stand es allen frei, die Bedingungen für ihre Portfolioplanung selbst festzulegen. So reichten die Ergebnisse von Portfolios mit thematischen Schwerpunkten des soziokulturellen Orientierungswissens wie Wohnen in Japan, Schulalltag, Vergangenheitsbewältigung bis hin zu Portfolios zu sprachlichen Mitteln wie Schrift oder Grammatik.
Ein sinnvoller Einsatzzeitpunkt des Portfolios wurde für das 2. Schulhalbjahr der Qualifikationsphase 2 (Klasse 12 bei G8) identifiziert: So kann bedarfsgerecht die Vorbereitung auf das Japanischabitur erfolgen und zeitgleich auch noch mit Schüler*innen, die Japanisch nicht als Abiturfach gewählt haben, an anderen Themen gearbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit wurde für den Einsatz in gemischten Lerngruppen (Schüler*innen mit Japanisch als Fremdsprache und als Herkunftssprache) benannt.
Der Referent ermutigte die Teilnehmer*innen, das Portfolio so auszugestalten, wie es den eigenen Unterrichtsgegebenheiten und -bedürfnisse entspricht, denn nur so sei die optimale Nutzung zu gewährleisten. Die Teilnehmer*innen arbeiteten intensiv in der Workshop-Phase zusammen, und auch wenn es kritische Stimmen gab, die bezweifelten, dass Portfolioarbeit im Japanischunterricht in Zukunft eine zentrale Rolle spielen werde, so äußerte doch die Mehrzahl, die Tagung habe die Möglichkeiten der Portfolioarbeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt und sei für die künftige Arbeit nützlich gewesen.
Gedankt sei an dieser Stelle ausdrücklich der Japan Foundation, die mit der Unterstützung durch das Sakura Network die Durchführung der Tagung erst ermöglicht hat.

Literaturangaben
Inglin, Oswald: Rahmenbedingungen und Modelle der Portfolioarbeit, in: Ilse Brunner, Thomas Häcker und Felix Winter (Hrsg.): Das Handbuch Portfolioarbeit. Seelze: Klett Kallmeyer 2006, S. 81–88.
Inglin, Oswald: Prüfen und Bewerten von Portfolios im Regelunterricht und in Abiturprüfungen, in: Christine Biermann und Karin Volkwein (Hrsg.): Portfolio-Perspektiven. Weinheim und Basel: Beltz 2010, S. 124–142.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Bericht, Japanisch auf Lehramt abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.