Interview mit Ulrike Wesch
Du arbeitest als Ethnologin in der Japanologie. Wie ist das so für dich?
Eigentlich unterscheidet sich meine Arbeit nicht so sehr von dem, was ich in der Ethnologie gemacht habe. Meine Aufgaben in beiden Instituten sind das Unterrichten und die Studierendenbetreuung. Die Japanologie ist aber definitiv kleiner als die Ethnologie. Deshalb lernt man schneller die einzelnen Leute kennen – sowohl auf dozierenden als auch auf studierenden Seite. Besonders gefällt mir, dass hier in der Japanologie alle Büros und auch die Seminarräume beieinander liegen. So hat man immer wieder Zeit, zwischendurch zu den KollegInnen hinzugehen und noch einmal etwas nachzufragen oder sich noch einmal kurz auszutauschen beziehungsweise Rücksprache zu halten. Ich finde, dass meine KollegInnen in der Japanologie sehr offen und warmherzig sind, was sich auch in den vielen sozialen großen und kleinen Events äußert, an denen ich in den fast zwei Jahren, die ich nun hier arbeite, teilnehmen konnte. Außerdem begegnet man, da auch die Seminarräume direkt im Institut sind, den Studierenden auf den Fluren und findet immer wieder kurz Zeit für Gespräche. Ich lerne dabei sogar ein bisschen was über Japan.
Was denn zum Beispiel?
Dass die Leute gerne lachen [lacht herzlich]. Im Rahmen unseres Projekts habe ich einiges einfach dadurch gelernt, dass wir im letzten Jahrgang sechs Japanologiestudierende dabeihatten. Von denen haben zwei an Tempeln und eine an einem Schrein geforscht. Vorher war mir zum Beispiel nicht so bewusst, was der Unterschied zwischen Schreinen und Tempeln ist.
Das Projekt, das du gerade angesprochen hast, ist ein interdisziplinäres Projekt, an dem Studierende aus fünf verschiedenen Fachbereichen teilnehmen und du unterrichtest allen das Gleiche, nämlich Feldforschungsmethoden. Die Studierenden haben aber alle ganz unterschiedliche Vorkenntnisse. Wie ist das? Ist das ein gutes Lehren?
Ich mache schon seit 14 Jahren Lehre an der Uni Köln aber das ist meine erste Klasse, die komplett interdisziplinär ist. Das hatte ich vorher so noch nicht. Das Lehren macht insofern Spaß, als dass man relativ zügig eine Gruppendynamik hat, in der sich die Studierenden gegenseitig helfen können. Natürlich muss ich Grundlegendes erklären. Aber es gibt viele Studierende, die bereits Erfahrung mit ethnographischen Methoden haben und einige Fragen anderer beantworten können, die noch nie empirisch gearbeitet haben. Viele haben auch gute Beispiele parat und sind sowieso näher am Leben der Studierenden dran, als ich es bin.
Merkt man da den Unterschied, ob die Studierenden aus der Ethnologie kommen oder nicht? Oder gibt es etwas, das Japanologiestudierende auszeichnet?
Ich würde allgemein sagen, dass die Japanologiestudierenden, die wir dabeihatten, sehr gewissenhaft und genau arbeiten. Aber sonst gibt es keinen großen Unterschied zwischen den einzelnen Fächern. Ich glaube aber, dass die Japanologiestudierenden, die ja alle nach Japan gegangen sind, einen Vorteil dadurch hatten, dass sie die Sprache gesprochen haben, das war bei vielen anderen nicht so. Viele konnten zwar Englisch oder Französisch aber die Lokalsprache nicht. Das ermöglicht einfach noch einmal einen anderen Zugang. Ich denke, dass diejenigen, die in Japan waren und mit japanischen Fragebögen und Interviewleitfäden gearbeitet haben, das Potential erkannt haben, das in der Datengewinnung steckt, wenn man die lokale bzw. in diesem Fall die Landessprache einigermaßen beherrscht. Zum Beispiel kann man viel mehr fragen, man bekommt andere Antworten und die Leute gehen auch anders mit einem um.
Du sprichst selbst ja kein Japanisch. Aber hast du inzwischen so viel Interesse, dass du gerne mal rüber fliegen würdest?
Ja, auf jeden Fall. Das würde ich super gerne.
Und was würdest du dir angucken oder machen?
Oh je, ganz viel. Ich würde schon sehr gerne zu all den Stätten, an denen unsere Studierenden jetzt waren. Also, zum Beispiel nach Nara, nach Nagasaki, nach Kyôto, nach Okinawa, nach Ôsaka. Ich bin mir sehr sicher, dass ich das auf jeden Fall machen werde, auch wenn ich die Sprache nicht spreche.
— Das Interview wurde mit S. Hülsebus geführt.