Bzw. womit man sich als Japanologe auch noch beschäftigen kann
Kuriose Sonderfälle aus unseren Schenkungen
Seit Jahrzehnten schlummern etliche Regalmeter an Schenkungen in unserem Bibliothekskeller. Erst jetzt werden die Werke nach und nach durchgesehen, aussortiert oder aufgenommen. Warum das so lange gedauert hat, liegt einerseits an unserem jahrelangen Mangel an Bibliothekskräften. Andererseits liegt es auch daran, dass einige von diesen Werken, sogenannte hanpon 板本 (Bücher erstellt im Holzblockdruckverfahren), in kuzushiji 崩し字 (japanischer Schreibschrift) verfasst sind. Kuzushiji können heute nur noch sehr wenige Japanologen lesen. Herr Köhn ist Teil dieser seltenen Spezies, weshalb er bei Gelegenheit ein Werk nach dem anderen durchschaut und die wichtigsten Metadaten dieser Werke entziffert und übersetzt. Bei dieser Arbeit ist er auf einige Kuriositäten gestoßen, von denen ich eine kurz vorstelle.
Wie hanpon hergestellt werden
Hanpon sind Holzblockdrucke. D.h. zur Herstellung wird der Text zunächst auf ein Blatt Papier geschrieben, was dann spiegelverkehrt auf eine Holzplatte geklebt wird. Alles, was nicht Schrift ist, wird dann herausgeschnitten, sodass eine Negativform entsteht. Diese Negativform wird später mit Tusche abgerieben und auf Papier gedruckt. Bei diesem Verfahren werden allerdings immer zwei Seiten auf einmal aus einem Holzblock geschnitten. Die aus dem Druck entstandene Papier-Doppelseite wird in der Mitte gefaltet und an den offenen Enden zusammengenäht. Quasi anders herum, als wir das von modernen Büchern kennen. Die Innenseiten dieser Doppelblätter bleiben dabei blank. Bücher, die auf diese Art und Weise zusammengenäht werden, nennt man tojihon 綴じ本. Tojiru 綴じる heißt ‚einbinden’ oder ‚zunähen’, und hon 本 heißt ‚Buch’. Übrigens nennt man den Fixierfaden zum Zusammennähen von Büchern auch tojiito 綴じ糸 (ito = Faden).
Buch-Recycling
Auf dem Foto ist ganz gut zu erkennen, dass dieses Werk doppelt bedruckt wurde. Herr Köhn hat bei seinen Recherchen herausgefunden, um welche beiden Bücher es sich hier handelt.
Das ältere Werk auf den Innenseiten trägt den Titel Ehon kojidan 絵本古事談 (Illustrierte Geschichten alter Begebenheiten) aus dem Jahr 1714, des damals recht bekannten Autors Yamamoto Joshû 山本序周 (Lebensdaten unbekannt). Das damals sehr kostbare Papier wurde wiederverwendet, indem die Doppelseiten des Ehon kojidan auf den Rückseiten erneut bedruckt und anders herum gefaltet wieder zusammengenäht wurden. Das nun sichtbare Werk Musô byôe kochô monogatari 夢想兵衛胡蝶物語 (Die abenteuerlichen Geschichten des Musô Byôe) von Kyokutei Bakin 曲亭馬琴 (1767-1848) – einem der berühmtesten Unterhaltungsschriftsteller der Edo-Zeit (1603-1868) – wurde 1810, also knapp hundert Jahre später, veröffentlicht. Man hat die ältere Lektüre also recycelt, um eine zeitgenössische, noch populärere Schrift zu drucken.
Hanpon in der Forschung
Dieser Fund wirft gewiss einige Fragen auf. Eine davon ist natürlich die, warum das Buch zweimal bedruckt wurde. Hat man hier die alten Bestände im Lager ausgemistet und das kostbare Papier einfach wiederverwendet? Handelt es sich hierbei vielleicht um einen Probedruck, der gar nicht auf den Markt hätte gelangen sollen? Denn üblich war diese Wiederverwertung nicht. Außerdem wurde das Ehon kojidan in Ôsaka veröffentlicht, während Kyokutei Bakins Werk in Edo (heutiges Tôkyô) erschien. Wie ist das zu erklären?