Vom 9. bis 11. November 2017 fand in Leipzig das Symposium „Japanese Studies after 3/11“ statt. 3/11, auf Japanisch san-ichi-ichi, verweist hierbei auf die sog. Dreifachkatastrophe vom 11.3.2011. Bei dieser wurden durch ein Erdbeben der Stärke 9.0, einen Tsunami und eine Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi weite Teile Nordostjapans zerstört und auf unabsehbare Zeit unbewohnbar gemacht. 3/11 stellte sicherlich die bislang größte Katastrophe der japanischen Nachkriegszeit dar. Über das Ausmaß der Schäden wurde in internationalen Medien ausführlich berichtet, und eine kritische Neubewertung der Atomenergie war – zumindest in Deutschland – die Folge davon.
Die soziale Tragweite dieser Katastrophe wirft die überaus berechtigte Frage auf, inwieweit auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem modernen Japan durch dieses einschneidende „Ereignis“ geprägt oder verändert wurde. In diesem Sinne thematisierte das Symposium ein äußerst aktuelles Problem für die japanbezogene Forschung. Überraschend war jedoch einer der beiden Ausrichter. Die Japanologie der Universität Leipzig hat zweifelsohne eine Vorreiterrolle in der Forschung zu 3/11 inne (vgl. die sog. Fukushima-Textinitiative mit den Universitäten Frankfurt a.M. und Zürich ).
Der Mitveranstalter des Symposiums, das International Research Center for Japanese Studies (Kokusai Nihon bunka kenkyû sentâ), kurz Nichibunken, hingegen ist überraschend. Handelt es sich doch hierbei um ein 1987 unter der Schirmherrschaft des damaligen Premierministers Nakasone Yasuhiro gegründetes Forschungsinstitut am Rande der Stadt Kyôto, das aufgrund seiner national-konservativen Forschungsausrichtung stets in der Kritik stand und steht – und das im In- und Ausland. Dass sich das Nichibunken zur Feier seines 30-jährigen Bestehens ausgerechnet diesem kontroversen Thema widmen wollte, konnte jedenfalls als eine Art Zeichen der Neuorientierung gedeutet werden.
Das Symposium war mit TeilnehmerInnen aus Japan, Kanada, Frankreich, Schweiz und Deutschland etc. sehr international besetzt. Und das Programm versprach einiges – nicht zuletzt durch den Festvortrag des japanischen Philosophen Karatani Kôjin sowie durch die Filmvorführung von Nuclear Nation und das Zwiegespräch mit dem Filmemacher Funahashi Atsushi.
Doch wie meist bei hochgesteckten Zielen, bleiben die Ergebnisse – leider – oft weit hinter den Erwartungen zurück. Das Symposium verdeutlichte nämlich, wie schwierig es für das Nichibunken immer noch ist, sich 3/11 wissenschaftskritisch zu stellen. So blieb es bei einer Art Bestandsaufnahme. Nur kurz flackerten zentrale Fragen und Aspekte um 3/11 als „Ereignis“ auf. Der schmerzvolle Schritt, sich diesen dann auch in den Diskussionsrunden zu stellen, wurde leider nicht gegangen.
So bleibt nach drei Tagen zumindest die Hoffnung, dass die Tagung als Initialzünder für neue, institutionsungebundene Forschungsallianzen dienen konnte, denn die Frage „Japanese Studies after 3/11“ darf eigentlich nicht bis zum nächsten runden Jubiläum des Nichibunken warten.
Für das Nichibunken war das Symposium sicherlich eine gute und wichtige Erfahrung. Es diente dazu, über Fragen der eigenen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Relevanz für die nächste Dekade Forschungsaktivität im In- und Ausland gründlich nachzudenken und in den kritischen Dialog mit anderen Forschern zu treten. Und das kann dann doch wieder in gewisser Weise als ein großer Erfolg des Symposiums gewertet werden – oder?