Was machen die wissenschaftlichen Beschäftigten eigentlich in den Semesterferien?

In einem Semester wird normalerweise 15 Wochen lang unterrichtet. Pro Jahr stehen also 30 Wochen für Lehrveranstaltungen zur Verfügung, während die vorlesungsfreie Zeit 22 Wochen lang ist. Die Lehre an der Universität ist allerdings forschungsbasiert und genau dafür werden vor allem die Semesterferien genutzt. In dieser Zeit besucht man als Wissenschaftler*in aber auch Tagungen, auf denen die eigenen Forschungen vorgestellt werden und sich darüber informiert wird, worüber andere Wissenschaftler*innen gerade forschen.

Ein solches Forum bot in diesem Jahr die alle drei Jahre stattfindende EAJS-Tagung. EAJS steht für „European Association for Japanese Studies“. Die Vereinigung wurde 1973 gegründet und dient der Vernetzung von Wissenschaftler*innen, die sich mit Japan beschäftigen. Die jüngste Tagung fand vom 30.8. bis 2.9.2017 in Lissabon statt.

Lissabon ist natürlich eine Stadt mit hohem Anziehungsgrad. So fanden sich zu dieser Tagung 1200 Teilnehmende aus der ganzen Welt ein, um sich vier Tage lang über die neuesten Forschungen aus vielen verschiedenen Themenbereichen zu informieren. Das Spektrum reichte von Geschichte über Kunst, Linguistik, Literatur, Medienwissenschaften, Politik, Religion, Soziologie, Stadt- und Regionalentwicklung und Wirtschaft bis hin zu Japanisch als Fremdsprache. Dabei liefen über die gesamte Zeit hinweg knapp 30 Vortragsveranstaltungen parallel. Allein für Japanisch als Fremdsprache gab es jeweils drei zeitgleich angebotene Vortragsrunden.

Die Sektion für Japanisch als Fremdsprache wurde von der Association of Japanese Language Teachers in Europe (AJE) organisiert. Hier wurden nicht nur Forschungen zu den verschiedenen Kompetenz- und Fertigkeitsbereichen wie Leseverstehen, Schreiben, Sprechen oder Hörverstehen vorgestellt, sondern Japanischlehrende berichteten auch darüber, wie sie bestimmte Unterrichtsveranstaltungen durchgeführt haben und welche Ergebnisse dieser Unterricht mit sich gebracht hat.

Im Einführungsvortrag berichtete Christian Galan, Professor an der Universität Toulouse, über die Situation des Fachs Japanisch an französischen Schulen. In Frankreich ist die Situation ähnlich wie in Deutschland: Es gibt knapp 80 Schulen, an denen man Japanisch lernen kann und die dort tätigen Lehrenden sind entweder mit einer Dauerstelle oder als Honorarkräfte beschäftigt. Laut Galan bestehe eine der größten Herausforderungen für den Japanischunterricht an Schulen darin, dass es kein geeignetes Lehrwerk gäbe. Außerdem gingen die Forschungen zu Japanisch, die in Japan betrieben werden, oft an den Bedürfnissen und Rahmenbedingungen der französischen Schulen vorbei. Auch dies lässt sich für die deutsche Situation ähnlich konstatieren. Galans Fazit bestand darin, dass es vor allem darauf ankomme, dass Lehrende über eine solide pädagogische Grundlage verfügten, um im Unterricht kompetent agieren zu können. Das hat man in Deutschland ebenfalls erkannt und darauf mit der Einführung des Unterrichtsfachs Japanisch reagiert. Für die Forschung verwies er darauf, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Japanischunterricht an der Schule stattfindet, unbedingt zu berücksichtigen seien. Im Hinblick auf die Lehrmaterialentwicklung betonte er die Wichtigkeit von Ressourcen, aus denen die einzelnen Lehrkräfte ihr Material aussuchen können. Dies sei wichtiger, als die Erarbeitung eines bis ins Detail ausgearbeiteten Lehrmaterials, das die Bedingungen an der einzelnen Schule nur unzureichend erfüllen könne.  Auch hier lässt sich die Situation in Deutschland ähnlich charakterisieren.

Ganz anders hingegen ist die Situation in Schottland, worüber Yoko Matsumoto-Sturt von der Universität Edinburgh und Ann Robertson, Education Support Officer für Moderne Fremdsprachen, berichteten. Seit einer Reform der Curricula kann in Schottland Japanisch auch schon als 2. Fremdsprache ab dem fünften Schuljahr für mindestens drei Jahre gewählt werden. Allerdings geht es  hierbei nicht allein um die perfekte Beherrschung dieser Sprache, sondern vor allem auch um die Vorbereitung der Schüler*innen auf das Leben in einer globalisierten Welt.

So unterschiedlich die Situationen für den Japanischunterricht an Schulen in den jeweiligen Ländern sind, so divers können auch die Forschungen sein. Die Teilnahme an Veranstaltungen wie der EAJS-Tagung und der hier ermöglichte Austausch unter Kolleg*innen ist daher ein wichtiger Bestandteil im beruflichen Leben eines Wissenschaftlers/einer Wissenschaftlerin. Die Semesterferien sind also keineswegs Freizeit, sondern essentiell für ein forschungsbasiertes Unterrichten.

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