„zeitfuereinander“ – daten, lauschen, lästern

#Takeover #Kulturquarantäne #zeitfüreinander

Von Maja Machnik

Wie der Untertitel „Dating in Zeiten von Social-Distancing“ bereits verrät, bearbeiten in der Webserie „zeitfüreinander“ zehn Schauspielerinnen und Schauspieler die Herausforderungen des Kennenlernens in Zeiten von Corona. Um den Lock-Down herum entstand dieses Projekt als Zusammenarbeit von fünf deutschen Theatern (Deutsches Theater Berlin, Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspiel Hannover, Residenztheater München, Staatstheater Nürnberg) allein durch die Aufnahme eines digitalen Videochats. Mittlerweile umfasst das Projekt zwei Staffeln mit jeweils fünf Folgen. Aber was genau passiert da jetzt?

Startet man das erste Video, wird einem erst einmal ein Opening für „zeitfüreinander“ gezeigt. Die männliche Stimme, die aus dem Off erklingt, spricht den Rezipienten oder die Rezipientin direkt an. Es folgt eine Art Werbeclip, der darauf abzielt, sich auf einem Dating-Portal zu bewerben. Denn jetzt sind doch alle allein, draußen ist nichts los. Gezeigt werden leere Straßen, über die ein grauer Filter gelegt wird, passend untermalt von melancholisch-trauriger Musik. Sogleich fühlt man sich sehr allein und möchte doch wenigstens irgendwie Menschen sehen, die zwar auch allein sind, sich aber kennenlernen möchten, um diese elende Einsamkeit, die in der Sequenz ja so deutlich visualisiert wird, endlich nicht mehr fühlen zu müssen. Und dann geht es los.

Man sieht einen Mann, der lässig auf dem Sofa lehnt und erstmal in die Kamera grinst. Muss man jetzt selbst aktiv werden und mit diesem fremden Mann etwa reden? Schnell wird aufgelöst, nein! Zum Glück! Jetzt erscheint eine Frau im Videochat. Man darf sich also gemütlich zurücklehne und die anderen belauschen, Peinlichkeiten inklusive.

Trotzdem bekommt die Situation Charme. Die beiden Dating-Kandidaten stellen sich erstmal namentlich vor, versuchen technische Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen und lachen immer mal wieder verlegen. Jetzt ist man voll dabei, hört zu, was die Beiden so aus ihrem Leben und Alltag erzählen und rätselt schonmal, ob sie ein gutes Match werden könnten. Aber über was reden Sie da bitte? Schnell stellt sich ein großes Fremdschämen ein, das sich nicht so schnell wieder ablegen lässt. Auf einmal wird man aus seinen Gedanken gerissen, als einer der Beiden dann sagt: „Oh, jetzt läuft die Zeit gleich ab!“ Wie? Ein Dating-Portal mit einer Zeitbegrenzung? Schnell wird noch eine Frage gestellt, gerade hofft man noch, die Antwort zu hören, dann bricht der Videochat ab – und man befindet sich bereits in einem neuen Dating-Chat mit einem neuen Paar. Schade, man hatte sich grade an das vorherige Paar gewöhnt … Aber die Neuen sind ja auch ganz spannend! Man schaut auf den Hintergrund und fragt sich, wie der denn bloß eingerichtet ist? Komisch. Klischeehaft. Aber mit hohem Wiedererkennungswert und gefüllt mit den unverzichtbaren Hinweisen auf den Charakter oder die Profession der Liebessuchenden; da haben wir beispielsweise den erfolgreichen Makler, der auf eine Beziehungs- und Persönlichkeits-Coachin trifft, und sofort versucht, Parallelen in den jeweiligen Jobs zu finden, um sympathischer zu wirken. Und so geht es weiter, durch die Einrichtungen und Charakterstudien. Prinzip der Serie ist ein Partnertausch, so dass jeder einmal jeden datet. Jedoch nur auf heteronormativer Ebene, pro Chat trifft ein weißer Mann auf eine weiße Frau. Was auch eine Spiegelung der noch (?) dominanten Zusammensetzung der Ensembles in den Staatstheatern ist.

So viel sei verraten: In der zweiten Staffel wird das ein oder andere Gespräch von den Dating-Pärchen weiter fortgeführt, und es gibt eine Menge Enthüllungen. Da man aktuell noch wenig Möglichkeiten hat, anderswo unbemerkt am Leben anderer teilzuhaben, weil in einem Radius von 1,5 Metern sowieso nichts und niemand rumstehen darf und Abstand zu Allem und Jedem gilt, ist „zeitfüreinander“ ein toller Platzhalter!

https://www.zeitfuereinander.com/

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