In der Kölner Japanologie beschäftigen wir uns auch mit verschiedenen Themen der Vormoderne, namentlich der Edo-Zeit (1603–1868), in der während der weitgehenden Abschließung des Landes nach außen (sakoku 鎖国) unter der Herrschaft des Tokugawa-Shôgunats vor allem Kultur und Stadtleben eine Blütezeit erlebten.
Ein interessanter Aspekt dieser Zeit sind dabei die sogenannten misemono 見世物, die zum Ende des 17. Jahrhunderts in Edo, dem heutigen Tôkyô, aufkamen. Die Wurzeln dieser Ausstellungen sind allerdings bereits im späten Mittelalter anzusiedeln. Neben den späteren Ballungszentren dieser Spektakel in Asakusa-Okuyama und der Ryôgoku-bashi waren vor allem die Tempelfeste kaichô 開帳, die zwischen drei Tagen und drei Monaten dauerten, ein beliebter Ort für Ausstellungen jeglicher Art.
Ursprünglich wurden während dieser Tempelfeste vornehmlich Reliquien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die teils auch aus anderen Tempeln oder Schreinen des Landes als Leihgabe nach Edo gebracht wurden. Da es sich um Objekte handelte, die sonst im Verborgenen blieben, zogen diese Feste nicht nur Pilger, sondern auch etliche Schaulustige an. Mit leicht auf- und abzubauenden Buden boten die Attraktionen der misemono auch den einfachen Bürgern eine erschwingliche Unterhaltung (selbst die teuren Attraktionen waren um einiges günstiger als z. B. Kabukivorstellungen). Mitunter erinnern sie auch an moderne Jahrmärkte. So fanden dort Ausstellungen von allerlei Sonderbarem statt, aber es wurden dort auch Spielzeug für Kinder oder Süßwaren feilgeboten. Die Hersteller dieser Waren machten mit Tanz- oder Gesangseinlagen auf sich aufmerksam und die Besucher konnten in Schießbuden ihr Glück mit Pfeil und Bogen oder Blasrohren versuchen. Ähnlich wie in westlichen Freakshows wurden außerdem auch ungewöhnliche Menschen oder Tiere zur Schau gestellt, wie zum Beispiel die Dame O-Yome 阿与米, die mit ihren 2,20 m sicher für Aufsehen gesorgt hat, oder ein junger Mann, der das Publikum unterhielt, indem er seine Augäpfel aus den Höhlen treten ließ.
Neben dem offensichtlichen Schaulustigencharakter boten die misemono mit ihren Attraktionen und Ausstellungen den Menschen der Edo-Zeit einen ersten Kontakt mit allerlei Neuerungen und handwerklichen Kunstfertigkeiten, die auch den akademischen Interessen der einfachen Bürger und der Faszination mit der Dokumentation der Natur in Anlehnung an die Wissenschaften der Holländer (rangaku 蘭学) entgegenkamen. Mechanische Schlangen und bewegliche Figuren bewarben bald die Ausstellungen, und Kunstwerke aus Walknochen, Seetang oder Papier wurden mit Licht und Musik gekonnt in Szene gesetzt. Auch die karakuri ningyô 絡繰人形 oder auch iki ningyô 活偶人, mechanische Puppen, wurden häufig als misemono dem begeisterten Publikum zu Unterhaltungs- und Werbezwecken dargeboten.
Zusammen mit exotischen Tieren wie Tigern, Stachelschweinen, Kamelen und insbesondere Vögeln aus allen Teilen der Welt (wobei die Betreiber der Buden es nicht immer ganz so genau nahmen und einer der ausgestellten Tiger verdächtig nach einer Hauskatze ausgesehen haben soll) fanden sich dort insbesondere auch (gefälschte) Tierpräparate, wie die noch heute in Sammlerkreisen berühmte Fiji-Meerjungfrau, die aus den Körpern eines Fisches und eines Affen zusammengesetzt oder wie in anderen Exponaten mittels ergänzendem Pappmasché ausgestaltet wurde. Besonders interessante Objekte wie die Kadaver von angespülten oder gestrandeten Walen wurden dabei selbstverständlich auch dem Shôgun präsentiert und eigens in den Garten seiner Residenz transportiert, wo auch Pferdevorführungen für ihn gezeigt wurden.
Zum Ende der Edo-Zeit hin erweiterten zunehmend auch Spukhäuser und Kabinette die Unterhaltungslandschaft, in der insbesondere die Künstler der Kabukibühnen ihre Fähigkeiten im Kulissenbau nutzten, um groteske Ausstellungen unnatürlicher Tode oder geisterhafter Kreaturen in Szene zu setzen, die schnell zu einem großen Publikumsmagnet wurden und Scharen von Touristen auch aus weit entfernten Gebieten in Japan anlockten.
Natürlich dürfen im Rahmen der Edo-misemono auch die zahlreichen aufführenden Künstler nicht ungenannt bleiben, die zum lebhaften Charakter der Stadtkultur beitrugen. Nicht nur die Bettler der Stadt ließen sich allerhand einfallen, um etwas Geld zu verdienen. So gab es ein-Mann-Sumô-Kämpfe und Kabukistücke, bei denen ein Mann mehrere Charaktere spielte, oder es traten Männer auf, die einen Bären darstellten und gegen Geld knurrten und brüllten. Aber es wurden auch Pantomimeaufführungen oder vereinfachten Versionen berühmter Kabukistücke oder Jôrurigesänge gezeigt, so dass den Bürgern allerhand geboten wurde, wodurch auch weniger wohlhabende Menschen an den großen Spektakeln ihrer Zeit teilhaben konnten.