Elterngespräche (erfolgreich) führen. Beratungskompetenz entwickeln.

Eine qualitative Studie zur Entwicklung von Modulen zur Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Kooperationsprojekt Universität zu Köln & Netzwerk Handlungsforschung und Praxisberatung (Köln).

Relevanz.Theorie.Forschungsstand.

Elterngespräche und die damit verbundene Kommunikation sind ein integraler Bestandteil schulischen Alltags. Konkret benannt werden in diesem Zusammenhang z.B. „pädagogische Aufgaben“ (ADO NRW 2015) von Lehrkräften, die sich auf Kooperation, Beratung und Förderung von Schüler:innen und deren Eltern beziehen (ebd.). Doch nicht nur in der Praxis sondern ebenso in der Wissenschaft wird konstruktive Kommunikation und Kooperation zwischen Lehrer:innen und Eltern als bedeutsamer Faktor hervorgehoben: Dieser betrifft zum einen die erfolgreiche schulische Laufbahn der Schüler:innen (siehe ebd., KMK 2018) und zum anderen die gesundheitliche Resilienz der Lehrer:innen (Sacher 2013, Unterbrink et al. 2008). Daher ist es nicht überraschend, dass die Beratungskompetenz der Lehrkräfte von Expert:innen unter den Top Five der Professionskompetenzen aufgeführt wird (vgl. Baumert & Kunter 2006, 2011). Gleichzeitig weisen Studien im Zusammenhang mit Elterngesprächen auf extreme Unzufriedenheiten von Seiten der Lehrkräfte hin, welche mit hohen Belastungsfaktoren und unprofessionellem Verhalten einhergehen (Schaarschmidt 2011, Schaarschmidt & Fischer 2013, Behr & Franta 2003, Gartmeier 2022). Trotz durchaus erkannter Relevanz wird der Entwicklung und Vertiefung von Wissen und Fähigkeiten im Hinblick auf professionelle Beratungskompetenz im Rahmen von Aus- und Fortbildung von Lehrkräften kaum hinreichende Beachtung geschenkt (vgl. Aich 2015, Hilkenmeier & Buhl 2017, Bennewitz & Wegner 2017). Hier setzt unser Kooperationsprojekt an:

Fragestellung.Methoden.

In einem ersten Schritt werden „situational-authentische“ Gespräche zwischen Lehrer:innen und Eltern bzw. Schüler:innen digital aufgezeichnet und mittels qualitativ-rekonstruktiver Verfahren analysiert. Basis bilden u.a. die Grounded Theory (Strauss & Corbin 1996) inkl. linguistischem Fokus (Kruse 2015) sowie Sequenz- und Gesprächsanalyse (Lucius-Hoene & Deppermann 2002, Wegner 2016, Gartmeier 2018). Im Sinne direkter Rückbindung in die schulische Praxis werden individuelle Feedbackgespräche mit teilnehmenden Lehrkräften geführt, so dass weitere wertvolle Erkenntnisse für beide Seiten (i.S. der kommunikativen Validierung und des „seeing is believing“ (Pole 2005)) gewonnen werden können.

Leitende Fragestellungen betreffen

  • Spannungsfelder und Herausforderungen in denen sich Lehrer:innen im Rahmen dieser Gespräche bewegen und den Umgang mit denselben
  • das im- und explizite Vorhandensein institutionell-struktureller und individuell-persönlicher Zielsetzungen sowie deren (wechselseitiger) Bezug
  • (dys)funktionale Interaktions- und Gesprächsmuster sowie deren
  • (un)beabsichtigte Wirkungen auf Eltern und Schüler:innen
  • ggf. alternative Deutungs-, Gesprächs- und Interaktionsmuster.

Im zweiten Schritt werden im Zuge der Beantwortung o.g. Fragestellungen (evidenzbasierte) Gelingensbedingungen schulischer Elterngespräche identifiziert und mit Elementen aus der Klientenzentrierten (Rogers 2014) und Systemischen Beratung (Schlippe & Schweitzer 2009) sowie dem Motivational Interview (Miller & Rollnick 2015) kombiniert, um diese in Forschung und Praxis zu kommunizieren.

Schließlich werden in einem dritten Schritt wissenschaftliche fundierte und zugleich praxisnahe Aus- und Fortbildungsmodule für (angehende) Lehrkräfte entwickelt, welche im Rahmen von Kooperationen mit Schule und ZfsL bzw. Universität und ZfL sowie weiteren Fort- und Weiterbildungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Das Angebot wird von interaktiven Vorträgen über ein- und mehrtägige Workshops bis hin zu individuellen Coachings und Supervisionen reichen.

Projektpartner.Kooperationen.
Netzwerk Handlungsforschung und Praxisberatung (Köln)
DenkArbeitRuhr (Essen)

Projektbericht.Projektstand.
Hajart, M., Paul, C. & Somm, I. (2023). Erfolgreiche Elterngespräche führen. Essen: DenkArbeitRuhr (Online-Ressource).

Projektleitung.Kontakt.
Dr. Christine Paul: christine.paul@uni-koeln.de
Dr. Irene Somm: irene.somm@netzwerk-handlungsforschung.de

Literatur.
ADO (2015). Allgemeine Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen in NRW. Ministerium für Schule und Bildung NRW: Düsseldorf.

Aich, G., Kuboth, C., Gartmeier, M. & Sauer, D. (2017) (Hrsg.). Kommunikation und Kooperation mit Eltern. Weinheim: Beltz.

Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9(4), S. 469–520.

Baumert, J. & Kunter, M. (2011). Das Kompetenzmodell von COACTIV. In Kunter, M. Baumert, J. Blum, W. Klusmann, U. Krauss, S. Neubrand, M. (Hrsg.). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften – Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster: Waxmann.

Behr, M. & Franta, B. (2003). Interaktionsmuster im Eltern-Lehrer-Gespräch in klientzentrierter und systemischer Sicht. Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung, 34(1), S. 19-28.

Bennewitz, H. & Wegner, L. (2017). Die Analyse authentischer Elternsprechtagsgespräche – Ausgewählte Handlungsprobleme im Fokus. In Aich, G., Kuboth, C., Gartmeier, M. & Sauer, D. (2017) (Hrsg.). Kommunikation und Kooperation mit Eltern. Weinheim: Beltz.

Gartmeier, M. (2018). Gespräche zwischen Lehrpersonen und Eltern. Herausforderungen und Strategien der Förderung kommunikativer Kompetenz. Wiesbaden: Springer.

Gartmeier, M., Schick, K., Berberat, P.O. & Hertel, S. (2022). Befunde zur Förderung kommunikativer Kompetenz aus medizinischem Kontext: Welche Perspektiven ergeben sich daraus für die Ausbildung von Lehrpersonen im Hinblick auf das Führen von Elterngesprächen? Psychologie in Erziehung und Unterricht, 69, p. 122-137.

Hilkenmeier, J. & Buhl, H.M. (2017). Zur Bedeutung des Gesprächs am Elternsprechtag – Ein Blick in die Forschung. In Aich, G., Kuboth, C., Gartmeier, M. & Sauer, D. (2017) (Hrsg.). Kommunikation und Kooperation mit Eltern. Weinheim: Beltz.

Kruse, J. (2015). Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. 2. Auflage Weinheim: Beltz.

KMK (2018). Bildung und Erziehung als gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule. Information der Länder über die Zusammenarbeit von Eltern und Schule. Beschluss vom 04.12.2003 i.d.F. vom 11.10.2018. Berlin: KMK.

Lucius-Hoene, G. & Deppermann, A. (2002). Rekonstruktion narrativer Identität. Opladen: Leske + Budrich. 

Miller, W.R. & Rollnick, S. (2015). Motivierende Gesprächsführung. Motivational Interviewing. Freiburg: Lambertus.

Pole, C. (Hrsg.) (2005). Seeing is believing? Approaches to Visual Research. Studies in Qualitative Methodology. Amsterdam: Elsevier Ltd.

Rogers, C. (2014). Die nicht-direktive Beratung. Counseling und Psychotherapie. Frankfurt am Main: Fischer.

Sacher, W. (2013). Erziehungspartnerschaft mit Eltern: Grundlagen erfolgreicher Elternarbeit. Vortrag vom 03.06.2013. Hamburg. Behörde für Schule und Berufsausbildung.

Schaarschmidt, U. & Fischer, A.W. (2013). Lehrergesundheit fördern – Schulen stärken: Ein Unterstützungsprogramm für Kollegium und Leitung. Weinheim: Beltz. 

Schaarschmidt, U. (2010). Gesundheitsförderung. Eine dringliche Aufgabe der Lehrerfortbildung. In F. Müller, A. Eichenberger, M. Lüders & J. Mayr (Hrsg.). Lehrerinnen und Lehrer lernen. Konzepte und Befunde zur Lehrerfortbildung. Münster: Waxmann-Verlag. 

Schlippe, A. v. & Schweitzer, J. (2017). Systemische Interventionen. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen.

Somm, I. & Hajart, M. (2019). Rekonstruktive Grounded Theory mit f4analyse. Praxisbuch für Lehre und Forschung. Weinheim: Beltz.

Strauss, Anselm; Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Unterbrink, T., Zimmermann, L., Pfeifer, R., Wirsching, M., Brähler, E. & Bauer, J. (2008). Parameters influencing health variables in a sample of 949 German teachers. International Archieves Occupational Environmental Health, 82 (1), p. 117-123.