Vortrag von Ben Dammers auf der CBC in Tilburg

In Tilburg fand vom 23.-25.4.2025 die 19. Child and the Book Conference statt, die sich in diesem Jahr dem Spannungsfeld zwischen dem Außergewöhnlichen und dem Alltäglichen in der Kinderliteratur widmete. In über 70 Vorträgen wurde das Motto der Tagung „Children Shaping The(ir) World. Between the Exceptional and the Everyday“ aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet.

Ben Dammers widmete sich in seinem Vortrag unter dem Titel „Oscillating Spaces and Species“ Frida Nilssons Kinderroman Lindormars Land (2020, dt. Sem und Mo im Land der Lindwürmer). Die Erzählung reiht sich in eine Tradition der fantastischen Kinder- und Jugendliteratur ein, in der das Motiv der Flucht in fantastische Parallelwelten verknüpft ist mit dem Streben kindlicher Figuren, ihrer prekären Realität zu entfliehen.

Sem und Mo, zwei Waisenjungen, folgen einer sprechenden Ratte in einen Tunnel, während sie vor ihrer tyrannischen Tante Tyra fliehen. Der Tunnel führt sie in das Land der Lindwürmer, wo die Lindwurmkönigin Indra über einen Hofstaat aus Tieren herrscht. In seinem Vortrag befasste sich Ben Dammers mit der räumlichen und ontologischen Destabilisierung kindlicher Subjektivität. Die Spannung zwischen dem Außergewöhnlichen und dem Alltäglichen wird in der Erzählung durch eine doppelte Auflösung kategorischer Grenzen verhandelt: räumlich – durch die gespiegelte, topologisch instabile Struktur einer möbiusbandartigen Welt – und ontologisch – durch die Oszillation der Figuren zwischen Tier und Mensch.

Der theoretische Rahmen verbindet Martina Löws Konzept der Dualität des Raums mit Jacques Lacans Begriff der Extimité und Jacques Derridas Überlegungen zur Limitrophie, der porösen Schwelle zwischen Mensch und Tier. Schlüsselszenen – wie Mos fortschreitender Rückzug in die Animalität und die Ambivalenz der Figur Indra – zeigen, wie die Grenzen zwischen dem Selbst und dem Anderen, zwischen rationalem Mensch und instinktgesteuertem Monstrum, familiärer Intimität und existenzieller Bedrohung verschwimmen. Lindormars Land wird so als poetologische Reflexion über das Kind als Subjekt gelesen, das seine Welt nicht einfach gestaltet, sondern von ihr geprägt, verunsichert und neu definiert wird.

Ben Dammers