Beim Sammeln von Unterschriften und in der Diskussion auf dem Campus sind wir auf viel Unterstützung wie auch auf viele ungeklärte Fragen gestoßen. Hier der Versuch von Antworten und die Anregung: Kommt zu unseren Treffen und bringt euch ein. Hier findet ihr „Kritisch nachgefragt“ auch als Flugblatt zum Ausdrucken für Kommiliton*innen und Kolleg*innen.
Initiative „Keine Kürzungen an der Uni Köln“ – Kritisch nachgefragt!
„Aus meiner Sicht hat Wissenschaft den Auftrag, der Gesellschaft als Ganzes zu dienen und nicht Partialinteressen zu befriedigen, und Wissenschaft hat natürlich auch den Auftrag, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen (…) Hochschulen sind substanziell unterfinanziert, und wenn Wissenschaft wirklich unabhängig sein soll, so wie es in der Verfassung steht, dann muss die Gesellschaft diese Hochschulen auch adäquat mit Steuergeldern finanzieren, eine Alternative gibt es dazu nicht.“1
Fließen nicht sowieso mehr öffentliche Gelder an die Hochschulen?
Oder: Warum wir einen Ausbau der Grundfinanzierung fordern.
Ein Gedankenexperiment: Man stelle sich einmal vor, die Landes- oder Bundesregierung hätten beschlossen, an der Uni Köln Fächer wie die Osteuropäische Geschichte, die Indologie und Tamilistik oder Studiengänge wie Interkulturelle Kommunikation und Bildung oder Ästhetische Erziehung sowie dutzende Mitarbeiter*innenstellen und ganze Lehrstühle zu streichen. Die Folge wäre sicherlich ein Aufschrei, sowohl an der Universität als auch in der Öffentlichkeit.
Nun sind massive Kürzungen von der Universitätsleitung und den universitären Gremien selbst aufgrund knapper Kassen beschlossen worden. Hintergrund ist, dass die grundständigen Mittel, welche die Universität für Lehre, Forschung und Verwaltung vom Land NRW fest zugewiesen bekommt, nicht den Bedarf abdecken. Zwar ist der universitäre Haushalt gewachsen, aber auch von staatlicher Seite sind in den letzten Jahren Mittel häufig nur kurzfristig oder „wettbewerblich“ (z.B. über die Exzellenz-Initiative) vergeben worden und dürfen in letzterem Fall nur für bestimmte „exzellente“ Forschungsbereiche verwendet werden. Die unzureichende Grundfinanzierung der Universität und die Abhängigkeit von zusätzlichen Geldern verschleiert so unter dem Deckmantel der „Hochschulautonomie“ den durch die Politik forcierten Abbau gesellschaftlich unbedingt notwendiger Studien- und Forschungsbereiche. Die Kürzungen werden so scheinbar „eigenverantwortlich“ durch die Universität selbst umgesetzt. Die Alternative dazu ist, dass die Mitglieder der Hochschule öffentlich für einen Ausbau der Grundfinanzierung eintreten.
Aber ist die Universität nicht selbst an dem aktuellen Haushaltsdefizit schuld?
Oder: Warum Bildungsfinanzierung eine öffentliche Aufgabe ist.
Die aktuellen Kürzungen gehen auch auf eine fehlerhafte Planung seitens der Universitätsleitung zurück. Wie aber sind dieses Defizit und die Fehlplanung zustande gekommen? Die Finanzströme an der Universität sind – trotz wachsendem Personal im Bereich von Finanzen und Controlling – undurchsichtig. Das liegt wesentlich an der Abhängigkeit von zusätzlichen, kurzfristigen Mitteln (siehe oben), die eine verantwortliche Planung erschweren. Bekannt ist unter anderem, dass die Kosten für Mieten und Gebäudebewirtschaftung um mehrere Millionen höher sind als veranschlagt. Laut SpiegelOnline2 gehen 11 von 17 Millionen Euro des Haushaltsdefizits darauf zurück. Ist es aber sinnvoll, dass die Einstellung und Weiterbeschäftigung von Dozierenden, dass Studiengänge von schwankenden und schwer kalkulierbaren Mietpreisen und Instandhaltungskosten von Gebäuden abhängig sind? Man stelle sich eine Schule vor, die Fächer streichen muss, weil sie die Mieten für die Turnhalle nicht zahlen kann.
Statt diejenigen zu entlassen, die das Haushaltsdefizit nicht verursacht haben, müssen die Ursachen behoben werden und sämtliche Stellen durch zusätzliche öffentliche Gelder weitergeführt werden. Deutschland ist ein reiches Land und kann sich auskömmlich finanzierte Hochschulen leisten.
Ist es nicht zu spät?
Oder: Erste Verbesserungen sind bereits erkämpft.
Zum Teil gibt es das Bedenken, die Kampagne beginne leider zu spät. Nun fangen wir mit dieser Initiative nicht von vorne an, Hochschulmitglieder begründen bereits seit Jahren, warum es einen Ausbau der öffentlichen Hochschulfinanzierung braucht. Vor wenigen Wochen ist ein neuer „Hochschulpakt“ bewilligt worden, der auch dauerhafte Bundesmittel für die Hochschulen vorsieht. Voraussichtlich sollen circa 5 Millionen Euro jährlich an die Uni Köln gehen. Zudem steht die Leitung der Universität mit der Landesregierung in Verhandlungen bezüglich der Finanzierung der Anmietungen von Gebäuden – beide Punkte könnten die Kürzungen in großen Teilen ausgleichen. Es braucht aber Engagement, damit zusätzliche öffentliche Mittel auch in den Fakultäten und Instituten ankommen und damit die Landesregierung davon überzeugt wird, eine Lösung für die Frage der Anmietungen zu finden. Werden die Kürzungen abgewendet, lässt sich mit neuem Schwung für eine wirklich auskömmliche Finanzierung streiten.
Was heißt, einen Haushalt „bottom-up“ erstellen?
Oder: Für Transparenz und Verantwortung.
Das führt zur zweiten Forderung unserer Kampagne. Mit dem Hochschulgesetz von 2006 der damaligen schwarz-gelben Landesregierung ist die Spitze der Universität, also das Rektorat und die Dekaninnen und Dekane, mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen über den Haushalt versehen worden. Die demokratisch gewählten Gremien in den Fachbereichen und Fakultäten sind dagegen geschwächt worden. Diese Top-down-Struktur war politisch zur Installation einer unternehmerischen Hochschule gewollt. Sie hat das Ziel, das von „oben“ flexibel größere Geldmengen bewegt werden können, um die Hochschule in der Exzellenzinitiative und beim Kampf um zusätzliche Mittel zu positionieren. Damit geht tendenziell die Vernachlässigung nicht marktgängiger Forschungsbereiche einher, eine kooperative Kultur leidet, die Gefahr von Fehlkalkulationen wächst und Entscheidungen bzw. Planungen gehen an den Bedarfen grundständiger Lehre und Forschung vorbei. Mittlerweile werden 11 Millionen Euro vom Rektorat weitgehend „freihändig“ vergeben – dieser Betrag entspricht beispielsweise dem finanziellen Volumen der gesamten Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Transparenz und die Erstellung des Haushalts auf Grundlage von Planungen der Institute, Fachbereiche und Fakultäten würden dagegen eine öffentlich nachvollziehbare Finanzierung am Bedarf der Universität ermöglichen. Zudem lässt sich die Forderung nach einer Kompensation des Defizits durch öffentliche Mittel gegenüber dem Land nur begründen, wenn der Haushalt auch nachvollziehbar und transparent aufgestellt wird.
Wenn die Fakultäten ablehnen zu kürzen, werden dann nicht einfach direkt durch das Rektorat die Kürzungen vollzogen?
Oder: Die Wirksamkeit von Aufklärung und Opposition.
Es geistert die Drohkulisse herum, das Rektorat würde eigenständig Kürzungen vornehmen, sollten die Fakultäten es nicht selbst tun. Dazu ist zunächst zu sagen: Wissenschaft hat in allen Lebensbereichen eine wachsende Bedeutung. Mehr und nicht weniger kritische Wissenschaften werden zur Lösung der Zukunftsfragen dringend gebraucht. Wenn eine Fakultät begründet keine Kürzungen vollzieht und entschieden und öffentlich für den Erhalt der betroffenen Stellen eintritt, ergibt sich eine neue hochschulpolitische Ausgangslage. Dann wären auch die Bedingungen für Verhandlungen mit dem Rektorat und der Landesregierung über den Erhalt der Stellen und den Ausbau der Grundfinanzierung verbessert.
Bringt man mit einer Unterstützung nicht den jeweiligen eigenen Bereich noch stärker in Gefahr?
Oder: Warum wir alle zur Beteiligung an der Kampagne ermuntern wollen.
Die Forderung nach einer Erhöhung der Grundfinanzierung und einer transparenten Aufstellung des Haushalts der Universität von unten nach oben findet in der Universität große Zustimmung. Gleichzeitig gibt es zum Teil Bedenken, sich offensiver dafür auszusprechen, weil damit der „eigene“ Bereich in der Universität schlechter dastünde. Nun ist es umgekehrt so, dass eben solche Bedenken und das damit verbundene Schlucken von Ärgernissen mit in die wachsende Abhängigkeit von kurzfristigen Mitteln und die finanzielle Krise der Universität geführt haben.
Ob kleinere oder größere Fächer, ob sogenannte „Exzellenzcluster“ oder grundständige Forschung: Kurzfristige Mittel und die damit einhergehende Prekarität sind in allen Bereichen ein Problem, das Studium, Lehre und Forschung behindert. Die Universität lebt von Austausch, Kontroverse und Kooperation, nicht von Prestige. Dafür ist unbedingt erforderlich, dass bestehende Probleme benannt werden und für Verbesserungen für alle engagiert eingetreten wird. Es braucht Beginner*innen.
1 Heinz Bontrup im Gespräch mit Manfred Götzke: „Geplante Änderung des NRW-Hochschulrahmengesetzes: Kein Verständnis für ein Ende der ‚Zivilklausel’“, Deutschlandfunk vom 17.05. 2019.
2 https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/elite-uni-koeln-muss-sparen-trotz-geldsegen-fuer-spitzenforschung-a-1240049.html (23.11.2018).