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Diskussionsbericht zur INUR-Veranstaltung: „EUDR – Nachhaltige Lieferketten auch in Land- und Forstwirtschaft?“ vom 20.01.2025

von Leonard Nitsch*

Mit der Online-Veranstaltung „EUDR – Nachhaltige Lieferketten auch in Land- und Forstwirtschaft“ am 20. Januar, startete das INUR erfolgreich in das Jahr 2025. Lieferketten und dahingehende Regulierung standen zwar bereits häufig im Fokus unserer Forschung, die EUDR und die Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft im In- und Ausland wurden bisher allerdings nur am Rande beleuchtet. Das konnten wir mit der ersten Veranstaltung im Jahr 2025 unmittelbar ändern. Im folgenden Diskussionsbericht freuen wir uns, einen Überblick über die Veranstaltung zu geben und zudem im Anhang die Präsentationen der Referenten zur Verfügung zu stellen.

Weltweit sind laut der Welternährungsorganisation FAO etwa 420 Mio. Hektar Wald zwischen 1990 und 2020 verloren gegangen – größtenteils irreversibel. Dies geschah durch (nach dem Recht der jeweiligen Produzentenländer) meist legale Entwaldung und zu 90% durch die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen. Die EUDR (EU Deforestation Regulation) aus dem Mai 2023 soll sich dieses Problems annehmen.

Moderiert von Prof. Dr. Moritz Pöschke, LL.M. (Harvard) wurde am Montag, den 20.01.2025 – zeitgleich zur Vereidigung Donald Trumps zum US-Präsidenten – die EUDR aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und diskutiert.

EUDR-Verordnung (EU) über entwaldungsfreie Produkte (Dr. Axel Heider)

Nach einer kurzen Begrüßung führte Dr. Axel Heider, Ministerialdirigent a.D. und Lehrbeauftragter am INUR, in die EUDR ein. Zunächst machte er den Diskussionsteilnehmern den dringenden Handlungsbedarf anhand der FAO-Statistiken klar.

Die EUDR sei im Kontext des Green Deals als eine Reaktion auf zivile Forderungen zu sehen, die Konsumenten vor dem Kauf „entwaldender Produkte“ zu schützen. Die EUDR ziele nicht nur auf den Erhalt der Wälder ab, sondern nehme auch andere SDGs (Sustainable Development Goals) in den Fokus. So sehe die Verordnung vor, dass Unternehmen in Sorgfaltspflichterklärungen nachweisen, dass Produkte wie Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Rinder und deren Erzeugnisse aus entwaldungsfreien Lieferketten stammen und ohne Verstöße gegen lokales Recht (einschließlich der international geltenden Menschenrechte, dem Arbeitsrecht und dem Free, Prior and Informed Consent Prinzip – FPIC –) produziert wurden. Dabei müssten alle Produkte durch Geolokalisierung bis zu ihrer Anbaufläche zurückverfolgbar sein. Zudem würden Produktionsländer in Risiko-Kategorien eingeteilt, die mit einer Mindestkontrolldichte einhergingen. Heider wiesdarauf hin, dass sich die EUDR im Vergleich zur Vorgängerregelung, der EUTR (EU Timber Regulation), durch eine gemeinsame Datenbank für die Behörden der einzelnen Mitgliedsstaaten, die Anbindung an nationale Zollsysteme durch die CERTEX-Schnittstelle und die stärkere Rolle der Kommission bei der Bereitstellung von Satellitenbildern und der zentralen Datenbank abhebe. Besonders sei dabei auch, dass die Produktionsländer von vornherein in die Umsetzung mit einbezogen werden sollten.

Zuletzt umriss Heider noch knapp die Chancen und Risiken, die mit der neuen Verordnung einhergingen. Auf der einen Seite sei die EUDR zwar komplex und bürokratisch und könnte zudem durch Umgehungstatbestände und die Verlagerung von Handlungsströmen ihre Ziele verfehlen. Auf der anderen Seite schaffe die Verordnung jedoch ein ,,level playing field” für alle Marktteilnehmer in der EU. Neben der Schaffung transparenterer und resilienterer Lieferketten könnte die EUDR der EU auch komparative Vorteile einbringen, etwa wenn Entwaldungsfreiheit sich als neuer Standard durchsetze.

EUDR aus Sicht der Markteilnehmer in der EU (Dr. Torben Erbrath)

Dr. Torben Erbrath (Geschäftsführer (Rohstoffe, Energie, Fachsparte Kakao und Schokoladenwaren) beim Bundesverband der Süßwarenindustrie (BDSI)) präsentierte im Anschluss in seinem Vortrag prägnant die Kritik der Industrie an der EUDR am Beispiel von Kakao aus Westafrika. Er betonte, dass sich bereits zahlreiche freiwillige Initiativen gegen Entwaldung in der Kakao-Produktion gebildet hätten. Kritisch sehe er vor allem die vereinfachte Sichtweise der Kommission auf die Kakao-Lieferketten, bei denen eine Vermischung von Waren verschiedenen Ursprungs in der Realität kaum vermeidbar sei. Des Weiteren stellten sich aus Industriesicht konkrete Fragen, die bisher unbeantwortet blieben: Sind leere Holzpaletten von der EUDR erfasst, auch Werbeausstellungsware oder das Fleisch in Betriebskantinen? Unabhängig davon sehe er seine Branche aber gut vorbereitet auf die Umsetzung der EUDR.

Herausforderungen bei der Anwendung der EUDR in Brasilien (Dr. Marcelo Coimbra / Simone Bösenberg)

Brasilien ist als das Land mit der weltweit zweitgrößten Bewaldung und Exporteur von Kaffee, Holz, Palmöl, Soja, etc. besonders von der EUDR betroffen; so gehen beispielsweise über 50% der brasilianischen Kaffee-Exporte in die EU. Dass die Sicht des Auslands auf die EU-Regulierung nicht immer rein positiv geprägt ist, konnte durch die Experteneinschätzung zweier brasilianischer Anwälte bestätigt werden. Simone Bösenberg, Rechtsanwältin bei FCR Law in Sao Paulo, sehe in der EUDR vielmehr versteckten Protektionismus in Form einer technischen Handelsbarriere.

Nicht nur würden die brasilianischen Bemühungen gegen Entwaldung kaum anerkannt, sondern auch entgegen der geplanten Zusammenarbeit auf Augenhöhe einseitige Forderungen an die Produktionsländer gestellt – ohne finanzielle Unterstützung. Zudem sehe sie in der EUDR eine Verletzung der Souveränität der Exportländer und vermutet einen Verstoß gegen die WTO-Prinzipien der Nichtdiskriminierung und des Verbots ungerechtfertigter Handelshemmnisse. Brasilien habe zudem bereits 2022 mit Argentinien und Paraguay Bedenken gegen die EUDR geäußert. Zuletzt gab sie zu bedenken, ob die EUDR nicht lediglich zu einer Umlenkung nicht-konformer Produkte auf weniger regulierte Märkte wie in China führen könnte. Trotz aller Kritik blieb Bösenberg im Wesentlichen optimistisch. Brasilien sei durch seine bisherigen Anstrengungen in der Lage, sich schnell genug an die EUDR anzupassen und sogar größere Marktanteile in der EU zu erreichen.

EUDR vor Gericht – Auswirkungen nationaler und internationaler Prozesse (Daria Madejska, LL.M.)

Das letzte Referat hielt Daria Madejska, LL.M., Rechtsanwältin bei RSM Ebner Stolz. Sie zeigte dabei eingängig, wie sich die EUDR im bisher einzig bekannten nationalen Verfahren der Albrecht & Dill Trading GmbH (deutsche Kakaohändlerin) vor dem VG Köln auswirkt. Die Klägerin befürchtete hauptsächlich die Einleitung einstweiliger Maßnahmen, die Aufforderung zu Korrekturmaßnahmen und die Verhängung von Sanktionen nach den Art. 23, 24, 25 EUDR, sollte sie die Anforderungen nicht erfüllen, was schon bei einer Vermischung verschiedener Chargen geschehen könnte.

Die vorbeugende Unterlassungsklage im Eilverfahren gegen die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung wurde mangels Statthaftigkeit und Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen, weswegen sich das Gericht bisher noch nicht inhaltlich mit der EUDR auseinandergesetzt habe.

Anschließend beschrieb Madejska, wie sich die EUDR auf internationale Prozesse auswirken könnte. Vor allem Verstöße gegen WTO-Verpflichtungen stünden im Raum, konkret gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. I, III GATT (General Agreement on Tariffs and Trade). Ihrer Ansicht nach seien die Ungleichbehandlung entwaldungsfreier und entwaldender Produkte und die Anforderungen der Einfuhrbestimmungen jedoch WTO-konform. Am ehesten angreifbar sei das Benchmarking-System, das die Produzentenländer unterschiedlichen Risikogruppen zuteilt.

Diskussionsrunde

An die umfangreichen Referate schloss sich eine rege Diskussion nicht nur unter den Vortragsrednern, sondern auch unter den zahlreichen Zuhörern an. Zunächst wurde dabei diskutiert, inwiefern die EUDR rechtspolitisch sinnvoll wäre, insbesondere, ob sie ihre hohen Ziele überhaupt erreichen könne. Neben Zustimmung für die konsequente Reaktion der Kommission auf die Entwaldungsproblematik, äußerte sich unter der Teilnehmerschaft und den Referenten auch Unverständnis darüber, dass den Händlern von Rohstoffen auch nach deren Einführung in die EU weiterhin Sorgfaltspflichten auferlegt würden, statt die Rohstoffe einmal einheitlich an der EU-Grenze zu kontrollieren. Kritisiert wurde dabei unter anderem die Vernachlässigung der Industrie-Perspektive zugunsten einer Ausgestaltung im Sinne der NGOs. Ein Diskutant aus den Ministerien betonte in dem Zusammenhang, dass die EUDR der neueste, aber nicht der erste Schritt gegen Entwaldung sei und die mangelnde Effektivität der EUTR dadurch behoben werden solle, dass eben nicht nur an der EU-Außengrenze kontrolliert werde.

Über die Frage, ob die Einbeziehung der Einhaltung lokalen Rechts in die EUDR sinnvoll ist, ergab sich zunächst keine klare Position.

Heider betonte, dass die tatsächliche Komplexität, die die Unternehmen treffe, noch maßgeblich von der Konkretisierung durch die Verwaltung abhinge, also z. B. davon, ob und inwieweit die Anforderungen an die zu erfassenden Geo-Daten ausgestaltet würden, auf der Ebene einzelner Parzellen oder – seiner Ansicht nach sinnvoller und praktikabler – etwa auf Betriebsebene. An dieser Stelle wurde derweil Kritik laut, dass mit der EUDR letztlich am Rechtsanwender experimentiert werde, statt Rechtssicherheit durch einheitliche Umsetzung zu schaffen. Ein Diskutant aus der Wissenschaft wird deutlich: „Die Wirtschaft ist doch kein Labor für Rechtspolitik!“. Deutlicher Widerspruch kam dabei hingegen von einem Diskutanten aus den Ministerien. Man habe die Regulierung so einfach gestaltet, wie man es zu dem Zeitpunkt konnte. Auch auf Ebene der Leitfäden und FAQs zur EUDR seien viele Erleichterungen für Unternehmen eingebracht worden.

Besänftigen konnte dieses Argument nicht alle. Mehrere Diskussionsteilnehmer betonten, dass rechtssicher nur der Normtext selbst sei und dieser eben bisher nicht an die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst wurde. Zwar würden Leitlinien vom EuGH beachtet, wenn sie zugunsten des Markbeteiligten wirken. Jedoch gelte dies weder für FAQs noch für Handreichungen.

Ein zusätzliches Risiko für die betroffenen Unternehmen ergebe sich laut Kritikern noch daraus, dass Verbände die Möglichkeit hätten, Unternehmen bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung abzumahnen. Andere Diskutanten entgegneten derweil, dass genau das ein notwendiges Prüfinstrument sei, um die tatsächliche Einhaltung der EUDR zu sichern. Schon bei der EUTR seien mit dieser Meldemöglichkeit positive Erfahrungen gemacht worden.

Zuletzt fragte Madejska, warum die EUDR selbst einzelne Blätter Papier in Unternehmen ohne sonstigen Bezug zur Papierindustrie erfassen würde und keine Mindestschwelle für Importmengen bestünde. Hier wurden sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass eine Bagatellklausel sinnvoll sei.

An diese kleine Einigkeit der spannenden Diskussionsrunde anknüpfend, schloss Pöschke die Diskussionsrunde und bedankte sich bei allen Teilnehmern und Referenten für eine spannende Veranstaltung.

Fazit

Ob die EUDR ihre hoch gesteckten Ziele tatsächlich erreichen kann und ob sich die Befürchtungen der Unternehmen vor belastender und uneinheitlicher Bürokratie bewahrheiten, bleibt nach der spannenden Diskussion und insgesamt intensiven Veranstaltung abzuwarten. Aus nachvollziehbaren Gründen pochen die Unternehmen jedenfalls auf klarere Vorgaben und Rechtssicherheit durch die EU; doch, dass die EU von ihrem bisherigen Pfad der umfangreichen Regulierung Abstand nimmt und die Eindämmung der globalen Entwaldung allein der Verantwortung von Privatinitiativen und Produzentenländern überlässt, bleibt zuweilen wohl unrealistisch.


*Der Verfasser studiert Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und ist als Studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. Joachim Hennrichs am Institut für Nachhaltigkeit, Unternehmensrecht und Reporting (INUR) sowie am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht beschäftigt.

Zitiervorschlag: Nitsch, Diskussionsbericht zur INUR-Veranstaltung: „EUDR – Nachhaltige Lieferketten auch in Land- und Forstwirtschaft?“ vom 20.01.2025, INUR-blog v. 18.02.2025 (abrufbar unter: https://blog.uni-koeln.de/inur-blog/diskussionsbericht-zur-inur-veranstaltung-eudr-nachhaltige-lieferketten-auch-in-land-und-forstwirtschaft-vom-20-01-2025/; zuletzt abgerufen am: ).

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