Antisemitismus seit dem 7. Oktober

Ringvorlesung: "Nie wieder" ist jetzt? Antisemitismus seit dem 7. Oktober
Ringvorlesung mit 9 Gastvorträgen; WiSe 24/25
Termin: Dienstag 18:00 - 19:30, Hörsaal H112 (IBW-Gebäude), Humanwissenschaftliche Fakultät, Herbert-Lewin-Str. 2; 50931 Köln

Der antisemitische Terrorangriff auf Israel am 07. Oktober 2023 hat nicht nur einen kaum beschreibbaren Schock in der israelischen Gesellschaft ausgelöst und eine (re)traumatisierende Wirkung entfaltet. Auch für Jüdinnen:Juden weltweit und für jüdische Communities in Deutschland stellen der Angriff und dessen Folgen eine Zäsur dar: Während jüdische Einrichtungen wie Synagogen in Deutschland schon lange durch Polizei und private Sicherheitsdienste geschützt werden müssen, verweisen der drastische Anstieg antisemitischer Vorfälle und die derzeitige Situation auf eine antisemitische Bedrohungslage neuer Qualität.

„Nie wieder ist jetzt!“ lautete in den Wochen und Monaten nach dem 07. Oktober auch die Parole für Solidaritätsveranstaltungen mit Jüdinnen:Juden. Doch anders als bei der Anti-AfD Protestwelle Anfang 2024 und den Massenmobilisierungen zu Black Lives Matter im Jahre 2020 blieben Massendemonstrationen oder größere Kundgebungen gegen Antisemitismus und in Solidarität mit Israel aus. Vielmehr waren es erst die israelischen Reaktionen auf den Angriff, d.h. der Gaza-Krieg und seine schlimmen Folgen mit mittlerweile mehreren zehntausend palästinensischen Todesopfern, die bundesweit zu anti-israelischen Demonstrationen führten. Bei den Protesten wurde das Massaker des 07. Oktobers oftmals relativiert, teilweise gar zu einem antikolonialen Widerstandsakt stilisiert, es wurden antisemitische Parolen skandiert und eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Die mangelnde Solidarität und emotionale Kälte, mit denen Jüdinnen:Juden in Deutschland konfrontiert waren und sind, wird auch international beklagt. So schrieb die israelisch-französische Soziologin Eva Illouz über einen Bruch mit vielen Strömungen der internationalen politischen Linken:

„Ein großer Teil der Linken - also die Seite, die seit zwei Jahrhunderten Gleichheit, Freiheit und Menschenwürde verteidigt hat - begrüßte entweder die Nachrichten von den Massakern (‚Widerstand gegen einen Besatzer‘), oder sie hat sie mit intellektuellen Vernebelungsstrategien abgetan. Die Linke hat terrorisierte Juden in der ganzen Welt und in Israel schamlos im Stich gelassen. (…)
Hätte die Linke uns in unserer Trauer nicht wenigstens für einen Moment zur Seite stehen können, so wie es viele Araber weltweit und in Israel getan haben?
Einmal mehr fühlen sich die Juden sehr allein.“ [1]

Der Anstieg des Antisemitismus und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Entwicklungen in der bundesdeutschen postmigrantischen, postnationalsozialistischen und postkolonialen Gesellschaft erfordern tiefergehende Analysen: Welche gesellschaftlichen Dynamiken liegen der neuen Qualität des Antisemitismus zugrunde? In welchem Verhältnis stehen Rassismus und Antisemitismus, Zionismus und Kolonialismus sowie Antisemitismus und Antizionismus? Welche Bedeutung haben der 07. Oktober und dessen Folgen für jüdische Communities in Deutschland? Wie sehen effektive Konzepte zur Bekämpfung des Antisemitismus aus? Welche Potentiale und Grenzen haben Aufklärung und Bildung? Diesen und weiteren Fragen wollen wir uns in einer Ringvorlesung aus interdisziplinärer Perspektive widmen.

Diese Ringvorlesung wird gefördert aus Landesmitteln NRW bzw. aus dem Fonds zur Bekämpfung von Antisemitismus und findet in Kooperation mit dem Bündnis gegen Antisemitismus Köln und dem AStA der Universität zu Köln statt.

[1] Illouz, Eva (2023): Wir, die Linken? Nicht mehr. In: Süddeutsche Zeitung (27. Oktober 2023). Online unter: https://archive.ph/BGITg

Team: Prof. Dr. Gudrun Hentges, Felix Kirchhof, Jasamin Mirgolbabaei
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Programm:

15.10.2024: Dr. Alexandra Kurth: Zur Kritik des Antisemitismus der Gegenwart - Eine Einführung (Arbeitstitel)

05.11.2024: Prof. Dr. Baruch Shomron: Unfolding October 7th and its aftermath in Israel


(This lecture will be held in English language/ Vortrag in englischer Sprache)

Early Saturday morning October 7th, Hamas and other Palestinian terrorist organizations from the Gaza Strip initiated a surprise attack on neighboring Israel. During the first few hours of the attack, the Israeli mass media found itself in the dark with formal traditional sources inaccessible or uninformed. However, by using non-traditional reporting techniques, the Israeli media succeeded in making sense of the happenings early on and played an important role in informing civilians and security forces alike on both the big picture and the specific details of the attack. Indeed, the media served as one of the main sources of information for civilians and security forces, enabling them to make informed real-time life-saving decisions.
In the aftermath of the attack, Israeli society found itself in a complex situation that included a war in Gaza, hostages, evacuees from the South and North of Israel, international pressures and boycotts, an escalation of fighting on multiple fronts, and the economic costs of war. These complexities serve as an additional layer to the highly engaged political debate in Israeli society that has seen mass demonstrations and five national elections in the past five years. Indeed, it seems Israelis are currently debating their most fundamental beliefs and ideas.
This lecture will focus on the Israeli media and the role they played in the first hours of the attack, and on the aftermath of the attack in Israeli society.

Prof. Dr. Baruch Shomron is the Israel Professor in Communication Science at the Department of Communication at Johannes Gutenberg University Mainz. His research focuses on the relationship between media usage, representations, and access, and their relation to justice, human rights, and capabilities, especially regarding marginalized populations. He has published close to a score of studies in leading scientific journals examining the media opportunities of various groups such as Israeli Arabs, ultra-Orthodox Jews, migrants and refugees, as well as people with various health conditions. His co-authored book: "Digital Capabilities: ICT Adoption in Marginalized Communities in Israel and the West Bank" was recently published by Palgrave Macmillan.

12.11.2024: Dr. Corry Guttstadt: Was sagen die Reaktionen auf den 07. Oktober über den Antisemitismus in der Türkei aus?

Seit dem 7. Oktober 2023 zeigt sich der Antisemitismus in der Türkei in aller Offenheit: die regierungsnahe Tageszeitung Yeni Şafak titelte am 8. Dezember 2023: „Sie töten im Namen eines 3.000 Jahre alten perversen Glaubens – Die Welt muss dieses Virus [gemeint: die Juden] auslöschen“, AKP-Politiker bejubeln Hitler und den Holocaust. Doch auch als demokratisch oder links bekannte PolitikerInnen und Medien greifen in ihrer Kritik an Israel auf antisemitische Stereotype zurück oder bejubeln die Hamas als ‚Befreiungsbewegung‘.
Seit Jahrzehnten ist der Antisemitismus in der Türkei in den verschiedensten – auch antagonistischen – Lagern verwurzelt. Antisemitische Verschwörungstheorien, Diffamierungen und Drohungen gegen Juden und Jüdinnen sind Alltag und rufen auch in der demokratischen Opposition so gut wie keine Reaktionen hervor. Auf Israel bezogener Antisemitismus erscheint als ein verbindendes Element aller politischen Lager. Ausgehend von den antisemitischen Manifestationen seit dem 7. Oktober gibt der Vortrag einen Einblick in den Antisemitismus der verschiedenen politischen Strömungen in der Türkei.

Corry Guttstadt, ist selbständige Autorin, Übersetzerin und Aktivistin zu den Themen Menschenrechte, Rassismus und Antisemitismus. Sie studierte Turkologie und Geschichte an der Universität Hamburg, M.A. in Turkologie 2005, Promotion in Geschichte 2009. Ihre Dissertation Die Türkei, die Juden und der Holocaust (Assoziation A, 2008) wurde auch ins Türkische (İletişim, 2012) und Englische (Cambridge University Press, 2013) übersetzt und gilt heute international als Standardwerk zum Thema.
Zu ihren Publikationen zählen:
Bystanders, rescuers or perpetrators? The Neutrals and the Shoah, (mit Thomas Lutz, Bernd Rother and Yessica San Roman Hg.) IHRA series, vol. 2, Berlin, 2016;
MUESTROS DEZAPARESIDOS – Chemins et destins des Judéo-Espagnols de France - 19.. /1945, (mit Henriette Asseo, Annie Cohen, Alain de Toledo, Xavier Rotea (eds.) (Mai 2019).
Sowie der Ende 2023 erschienene Sammelband über Antisemitismus in und aus der Türkei, der bei der Landeszentrale für Politische Bildung Hamburg publiziert wurde und Ende 2024 auch auf Türkisch erscheinen wird.

26.11.2024: Luise Henckel: »Death to all states, but free palestine«? Zum Verhältnis von Antisemitismus, Antizionismus und materialistischer Staatskritik

Nach dem Massaker der islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 zeigte sich in der globalen Reaktion auf die Ereignisse schnell, dass der Angriff auf den jüdischen Staat eine neue Welle antisemitischer Enthemmung nach sich ziehen würde. Insbesondere auch im „progressiven“ Milieu folgte eine – zwar nicht neue, aber in ihrer Militanz doch erschreckende – antizionistische Mobilisierung. Die Delegitimierung Israels als „unechte“, „falsche“, „koloniale“, „imperiale“ eben „zionistische Entität“ wurde dabei von einer neu politisierten Generation von Aktivist:innen vorgetragen, denen der Begriff des Zionismus wenige Wochen vorher vermutlich noch nichts gesagt hatte. Dabei geht es allerdings nicht, wie man vielleicht meinen möchte, um eine allgemeine Skepsis oder Feindschaft gegenüber – auch militärisch bedingter – Staatlichkeit. Der Einsatz für die palästinensische, explizit nationale Befreiung, einer vermeintlichen „Dekolonialisierung mit allen nötigen Mitteln“ sowie die politische Verteidigung der Regime autoritär geführter Nationalstaaten wie Iran oder Syrien von Seite der Aktivist:innen zeugen vielmehr davon, dass es sich bei dem Hass auf den jüdischen Staat eben um keine „Staatskritik“ sondern eher um eine Zwangsvorstellung handelt. So scheint Israel in dieser Vorstellung für ein besonderes Verhängnis zu stehen, die bloße staatliche Existenz angeblich alle möglichen emanzipatorischen Ziele zu verhindern: Vom Kampf gegen den Klimawandel bis zum Sturz des globalen Patriachat.

Angesichts dieser Obsession, die es nahelegt von einer Fortführung der Muster des moderenen Erlösungsantisemitismus „mit geopolitischen Mitteln“ auszugehen, ist es nicht verwunderlich, dass es sich als eine der drei „Faustregeln“ durchgesetzt hat bei der Bewertung von Aussagen zum Jüdischen Staat, auf sogenannte „Doppelte Standards“ zu achten, um herauszufinden, ob es sich bei der Aussage um Antisemitismus oder »legitime« Kritik staatlicher Politik handelt. Wird Israel also behandelt wie jeder andere Staat oder finden sich unausgesprochen Vorurteile oder unzulässig verengte Bewertungsstandards in der Betrachtung des jüdischen Staats? Daraus folgt zwangsläufig die Idee, dass Israel eben umgekehrt so zu verstehen und zu behandeln wäre, wie „ein Staat wie jeder andere“. Eine Idee, die nicht nur von den antizionistischen Vernichtungsfantasien, sondern auch von deutscher Politik („Staatsräson“) aber auch gelegentlich von linker- wie konservativer Überidentifikation mit dem jüdischen Staat konterkariert ist. Ganz so einfach scheint es also mit der „normalen“ Staatlichkeit Israels also auch nicht zu sein.

Ausgehend von der Annahme, dass der Antizionismus als wesentlicher Teil des modernen Antisemitismus – auch schon vor der israelischen Staatsgründung – verstanden werden muss, bemüht sich der Vortrag das Verhältnis zwischen einer an Emanzipation interessierten materialistische Staatskritik und den Aporien des zionistischen Projekts zu entwickeln.

Luise Henckel hat Kulturwissenschaften, Politikwissenschaft und Politische Theorie studiert und lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Sie hält Vorträge, gibt Workshops und publiziert zur frühen Kritischen Theorie, materialistischer Staatskritik und der Geschichte des (linken) Antisemitismus.

Publikationen:
Henckel, Luise und Kolja Huth (vsl. Frühjahr 2025): „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“. Antisemitismus und die Genese der Grünen 1973-1991, in: Marc Seul et. al. (Hg.): Politische Parteien und Antisemitismus. Opladen und Berlin: Barbara Budrich.

Henckel, Luise 2022: Zum Verhältnis der Kritischen Theorie zur Kritik der Politik, in: Jaro Ehlers et. al. (Hg.): Subjekt und Befreiung. Beiträge zur kritischen Theorie. Berlin: Verbrecher Verlag.)

10.12.2024: Prof. Dr. Stefan Müller: Bildung und Antisemitismus: Juden als Projektionsfläche


Sobald eine antisemitische Äußerung oder gar Übergriffe bemerkt werden, dauert es meist nicht lange, bis der Ruf nach Bildung erschallt. Warum eigentlich? Historisch lässt sich nachzeichnen, dass der Antisemitismus auch von Gebildeten kam und legitimiert wurde. Zudem ist weder theoretisch noch empirisch der Zusammenhang so eng, wie es zunächst scheint: der aktuelle israelbezogene Antisemitismus wird auch in Einrichtungen der Bildung, in Hochschulen und im Kunst- und Kulturbetrieb von Intellektuellen artikuliert. Bildung schützt weder automatisch noch zwangsläufig vor Antisemitismus. Im Vortrag wird vor diesem Hintergrund gezeigt und diskutiert, dass eine Bildung gegen Antisemitismus auf einen reflexiven Modus angewiesen ist, um die Ressentiments erkennen, benennen und verändern zu können.

Prof. Dr. Stefan Müller ist Professor für Bildung und Sozialisation unter Bedingungen sozialer Ungleichheiten an der Frankfurt University of Applied Sciences und arbeitet im Forschungsbereich ‚Gesellschaftliches Erbe des Nationalsozialismus'. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen u.a. politische Bildung und Antisemitismusprävention. Er ist Mitherausgeber der Buchreihen „Antisemitismus und Bildung" (Wochenschau Verlag), „Gesellschaftsforschung und Kritik" (Beltz Juventa) sowie „Kleine Reihe Soziologie“ (Wochenschau-Verlag). Letzte Veröffentlichung: Mündigkeit in der politischen Bildung, Frankfurt: Wochenschau-Verlag (zusammen mit Elia Scaramuzza)

17.12.2024: Dr. Annette Seidel-Arpacı (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern): "Free Palestine from German Guilt?" Multidirektionaler Schlussstrich und antirassistisch-globalisierter Judenhass.

07.01.2025: Dr. Fabian Weber, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg: „Postkolonial von rechts. Israel und die extreme Rechte in Deutschland nach 1945“

Angesichts des global gegen Israel aufflammenden Proteststurms, der bereits einsetzte vor dem auf die Hamas-Massaker des 7. Oktobers folgenden Waffengang „Eiserne Schwerter“ der israelischen Verteidigungsstreitkräfte, ist es angeraten, sich mit den ideologischen Hintergründen dieser Feindschaft auseinanderzusetzen. Dabei erscheint gerade der Blick auf den vermeintlichen ideologischen Antipoden, die extreme Rechte, hilfreich. Denn das antikolonial auffiebernde Ressentiment gegen Israel, als Symbol und Inbegriff des ›weißen Kolonialstaats‹, etablierte sich nicht minder in der Ideologieproduktion der extremen Rechten nach 1945. Dieser Kontext muss in die Auseinandersetzung mit diesem Topos einbezogen werden.

Neo-nationalsozialistischer Antisemitismus fusionierte mit geopolitischer Strategie, im Machtgeflecht des Kalten Kriegs einen Block ›dritter‹ Mächte jenseits und zwischen der Ost-West-Konfliktlinie zu formieren. Gegenüber Israel wurden verschiedene Positionen ausgelotet, die in dem Vortrag abgebildet und gewichtet werden, wobei sich eine Haltung des „kaltblütigen Abwartens“ durchsetzte, wie der Herausgeber der Zeitschrift „Nation Europa“ Arthur Ehrhardt 1967 die Parole ausgab. Diese Haltung eines radikalen Neutralismus extremer Rechter findet sich in verblüffend ähnlicher Weise im heutigen Rechtspopulismus.

Fabian Weber ist Historiker und forscht zur jüdischen Geschichte, zu Rechtsextremismus und Antisemitismus. Seine Dissertation erschien 2020 unter dem Titel „Projektionen auf den Zionismus. Nichtjüdische Wahrnehmungen des Zionismus im Deutschen Reich, 1897-1933“. Sein an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg angesiedeltes Post Doc-Projekt hat die emotionsgeschichtliche Analyse der Wechselwirkung von Antisemitismus und Tierschutz zum Gegenstand. Fabian Weber war als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Universität der Bundeswehr München sowie am Institut für die Geschichte der deutschen Juden Hamburg beschäftigt. In Kürze erscheint ein Beitrag über „Armin Mohler, die Neue Rechte und der Antisemitismus 1950 bis 1995“ in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte.


14.01.2025: Offenes Gespräch mit dem Netzwerk jüdischer Hochschullehrender und der Fachstelle gegen Antisemitismus Köln.

Gäste: Michaela Artmann, Elisabeth Schilling, Stella Shcherbatova und Patrick Fels.

Um jüdische Perspektiven auf Antisemitismus auf dem Campus sichtbar zu machen und Einblicke in die Bildungs-, Dokumentations- und Beratungsarbeit zu Antisemitismus zu erhalten, haben wir Vertreter:innen des Netzwerks jüdischer Hochschullehrender und der Fachstelle Antisemitismus Köln für einen gemeinsamen Austausch eingeladen. In einem offenen Rahmen wollen wir u.a. die beiden Entstehungskontexte der beiden Institutionen, ihre Arbeitsweisen, Schwerpunkte und Ziele genauer kennenlernen, Einblicke in die Praxis erhalten und über aktuelle Herausforderungen und Dynamiken diskutieren. Das Netzwerk jüdischer Hochschullehrender gründete sich Ende 2023, um dem zunehmenden Antisemitismus an Hochschulen im deutschsprachigen Raum entgegenzutreten und ein gemeinsames Forum für Studierende und Lehrende zu schaffen. Die Fachstelle gegen Antisemitismus ist an das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln angegliedert und arbeitet in den drei Kompetenzbereichen Bildung, Beratung und Dokumentation. Eingeladen sind alle Studierende und Mitarbeitende der Universität zu Köln und weitere Interessierte.

Netzwerk jüdischer Hochschullehrender in Deutschland, Österreich und der Schweiz: https://n-j-h.de/

Fachstelle gegen Antisemitismus Köln: https://www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?s=2775


28.01.2025: Prof. Dr. Oliver Decker: Judenhass in Deutschland 2024 - Antisemitismus als politischer Code der Gegenwart

Unmittelbar nach den Massakern der klerikal-faschistischen Hamas in Israel am 7.10.2024 fand eine umfassende Solidarisierung mit dieser Terrororganisation statt. Überraschend war nicht nur die fehlende Empathielosigkeit mit den jüdischen Opfern. Überraschend war auch, dass diese Lücke ausgerechnet in jenen Bewegungen klaffte, die sich selbst „links" im politischen Koordinatensystem sehen, nicht nur in Deutschland. Trotz des Antisemitismus, trotz der massiven Gewalt gegen Homosexuelle und Frauen, war selbst aus queeren Bewegungen eine lautstarke Solidarisierung mit den Tätern zu vernehmen. Auch im anschließend eskalierenden Nahost-Konflikt blieb die Schuldzuweisung in vielen linken Gruppen ausschließlich auf Israel bezogen. Die Ratlosigkeit wegen dieser linken Sympathien für eine durch massive sexualisierte Gewalt und Antisemitismus geprägte Organisation ist deshalb groß. Was sind die Bedingungen für diese Parteinahme auch in der bundesdeutschen Linken und wie weit verbreitet ist der Antisemitismus in ihr? Im Vortrag werden diese Fragen auf theoretischer Grundlage und mit Bezug auf die Daten der Leipziger Autoritarismus Studie 2024 diskutiert.

Prof. Oliver Decker ist Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung in Sachsen und Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung, beide Universität Leipzig, außerdem Professor für Sozialpsychologie an der Sigmund Freud Universität Berlin. Seit 2002 ist er Co-Leiter der Leipziger Autoritarismus Studien (LAS), die unter dem Namen „Mitte“-Studien Bekanntheit erlangten.



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Umgangsformen: Die Vortragsreihe wurde initiiert, um eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dessen Bekämpfung anzuregen. In diesem Zusammenhang werden immer wieder – auch in der Wissenschaft – kontroverse Debatten geführt, etwa um Antisemitismus-Definitionen, um das Verhältnis von Zionismus/Israel und Kolonialismus, Antizionismus und Antisemitismus, um (antimuslimischen) Rassismus, Palästina-Solidarität und israelbezogenen Antisemitismus. Dialog und Kontroversen können Bildungserfahrungen ermöglichen und erkenntnisfördernd sein, für Ambiguitäten und Ambivalenzen sensibilisieren und starre Dichotomien auflösen oder zumindest irritieren. Für die Universität ist eine offene, möglichst angstfreie und respektvolle Diskussionskultur wichtig, weshalb wir zugleich auf Grenzen der Kontroversität hinweisen wollen: Wir werden im Falle antisemitischer, rassistischer oder sonstiger diskriminierender Aussagen deutlich darauf hinweisen und behalten uns vor, Menschen des Raumes zu verweisen, wenn unsere Hinweise nicht respektiert werden. Das Gleiche gilt für Äußerungen, die Terror verherrlichen. Dabei geht es uns nicht um personelle Zuschreibungen, sondern um klare Grenzziehungen und die Schaffung eines antisemitismuskritischen und rassismuskritischen Diskussionsrahmens. Unser Ziel ist, das Spannungsverhältnis von Dialog und Grenzziehung so zu gestalten, dass ein Raum für Bildungserfahrungen entsteht und Betroffene bestmöglich geschützt werden.

Link zum Plakat:
https://blog.uni-koeln.de/niewiederistjetzt/files/2024/10/WEB_NieWiederJetzt_Plakat-2.pdf

Link zum Flyer:
https://blog.uni-koeln.de/niewiederistjetzt/files/2024/10/WEB_NieWiederJetzt_Flyer.pdf