Beitrag veröffentlicht

in

,

Bericht zum Symposium Say on Climate von Glade Michel Wirtz und der GEA Group Aktiengesellschaft am 4. Juli 2024

von Maximilian Kühle*

Am 4. Juli 2024 veranstaltete die Düsseldorfer Kanzlei Glade Michel Wirtz (GMW) gemeinsam mit der GEA Group Aktiengesellschaft (GEA) aus Düsseldorf ein Symposium zum sog. Say on Climate, einem unverbindlichen Konsultativbeschluss der Aktionäre über Klimaschutzfragen. Die GEA hatte in ihrer Hauptversammlung am 30. April 2024 als erstes Unternehmen der DAX-Indexfamilie einen solchen Say-on-Climate-Beschluss zur Abstimmung gestellt und hier eine Zustimmung zu dem vom Vorstand aufgestellten „Klimaplan 2040“ von 98,44% der abgegebenen Stimmen erreicht.

[Für weitere Informationen zur GEA Group AG, s. hier. Vgl. im Übrigen auch bereits den Bericht zum Say on Climate Beschluss der GEA Group AG in der Hauptversammlung vom 30. April 2024 hier auf unserem Blog.]

Das Programm des Symposiums sah folgende Vorträge vor:

Erfahrungsbericht: Say on Climate auf der diesjährigen Hauptversammlung der GEA Group Aktiengesellschaft (unter A.)

  • Bastian Laue, Vice President Corporate Legal Affairs GEA Group Aktiengesellschaft
  • Dr. Jonathan Boeckmann, Senior Legal Counsel GEA Group Aktiengesellschaft
  • Dr. Andreas Merkner, Partner Glade Michel Wirtz
  • Dr. Friedrich Schulenburg, Partner Glade Michel Wirtz

Klimaschutz und Gesellschaftsrecht – Ausblick auf den 74. Deutschen Juristentag im September 2024 in Stuttgart (unter B.)

  • Prof. Dr. Rafael Harnos, Universität Passau

Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD – Pflicht & Chance (unter C.)

  • Marc Stauder, Partner KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Impuls: Erwartungen der Investoren im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Transparenz – Rückblick auf die HV-Saison 2024 (unter D.)

  • Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) e.V.

Abschließende Panel-Diskussion: Kommt die Say-on-Climate-Welle nun auch in Deutschland an? Was spricht dafür, was dagegen? (unter E.)

  • Dr. Stephan Petri, General Counsel GEA Group Aktiengesellschaft
  • Dr. Cornelius Simons, General Counsel Alzchem Group AG
  • Prof. Dr. Rafael Harnos, Universität Passau
  • Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer DSW e.V.
  • Marc Stauder, Partner KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
  • Dr. Andreas Merkner, Partner Glade Michel Wirtz

Sollte Interesse an den gezeigten Präsentationen der Referenten bestehen, können diese unter symposium@glademichelwirtz.com angefragt werden.

Die Veranstaltung begann mit einleitenden Worten von Dr. Andreas Merkner (Partner, GMW), der das obige Programm und die Referenten kurz vorstellte. Er betonte, dass die Frage, wie es mit dem Say on Climate in Deutschland weitergehe, offen gestellt sei und das Symposium keine missionarische Veranstaltung sein solle. Marc Tüngler habe das im Vorfeld ja bereits pointiert auf die Frage zugespitzt, ob es sich bei Say on Climate um eine Eintagsfliege oder einen angehenden Standard handele.

A. Erfahrungsbericht: Say on Climate auf der diesjährigen Hauptversammlung der GEA Group Aktiengesellschaft (Laue/Boeckmann/Merkner/Schulenburg)

Der anschließende Einstieg in das Programm war ein „Werkstattbericht“ zu dem Say-on-Climate-Beschluss auf der diesjährigen GEA-Hauptversammlung von Bastian Laue, Dr. Jonathan Boeckmann, Dr. Andreas Merkner und Dr. Friedrich Schulenburg. Hierbei beschrieb zunächst Laue die Tätigkeit der GEA als Maschinen- und Anlagenbauunternehmen und den von der Gesellschaft aufgestellten Klimaplan 2040 näher. Er betonte, dass ca. 99% der Emissionen der GEA der Scope-3-Kategorie zuzuordnen seien; insbesondere der Betrieb der hergestellten Maschinen durch die Kunden verursache enorme Emissionen. Dass Scope-3-Emissionen im Klimaplan 2040 adressiert werden, sei nach Laue – neben der Frage der Investitionskosten in Höhe von EUR 175 Mio. – zentral für die positive Einordnung des Klimaplans 2040 durch die Stimmrechtsberater. Deren Unterstützung für Beschlussvorschläge der Verwaltung sei für börsennotierte Unternehmen wie GEA regelmäßig wichtig – dies gelte auch und im Besonderen bei einem Say-on-Climate-Beschluss.

Dies bekräftigte Boeckmann, welcher nachfolgend die Erwägungen der GEA zur konkreten Ausgestaltung des Say-on-Climate-Beschlusses darstellte. Zentral sei für GEA gewesen, dass ein jährlicher Fortschrittsbericht zum Klimaplan 2040 vorgelegt werde und die Aktionäre alle drei Jahre über den Fortschritt abstimmen könnten. Zudem solle sich dieser Fortschritt in dem Vergütungssystem für Führungskräfte der GEA wiederfinden.

Sodann beleuchtete Schulenburg drei im Rahmen der Konzeptionierung des Beschlussvorschlags relevante rechtliche Aspekte: Zunächst entschied sich GEA dafür, den Klimaplan 2040 nicht vollständig zum formellen Teil der Einberufung zu machen. Dies sei rechtlich nicht verpflichtend und die Darstellung des Klimaplans im Bundesanzeiger sei fehleranfällig.[1] Der vollständige Klimaplan 2040 sei (und ist weiterhin) allein auf der Website der GEA abrufbar. Zudem enthalte die Einberufung einen ausführlichen Beschlussvorschlag mit dem wesentlichen Inhalt des Klimaplans 2040, wohingegen auf einen gesonderten Vorstandsbericht verzichtet werde. Schließlich stellte GEA in dem Beschlussvorschlag klar, dass die Aktionäre allein eine binäre Entscheidungsmöglichkeit hätten, also den Klimaplan nur billigen oder ablehnen könnten, und keine inhaltsändernden Gegenanträge stellen dürften.

Die Konzeptionierung und weitere Vorbereitungshandlungen – wie etwa die für eine Validierung des Klimaplans durch die Science Based Target Initiative (SBTi) – führten laut Laue dazu, dass zwischen der ersten Prüfung der Durchführbarkeit und der Umsetzung des Say on Climate mehr als 12 Monate vergangen seien. Dies illustrierte er anhand einer Darstellung eines detaillierten Zeitplans. Hierbei betonte er, wie wichtig es gewesen sei, die größeren Investoren der GEA mit ins Boot zu holen. Insbesondere die Chief Sustainability Officer der GEA, Dr. Nadine Sterley habe in diesem Zusammenhang im Frühjahr 2024 zahlreiche ESG-Roadshows durchgeführt.

Im letzten Block des Werkstattberichts ordnete Merkner das Say-on-Climate-Votum der GEA in die aktuelle wissenschaftliche Diskussion ein. Hierbei stellte er fest, dass die Anzahl von Say-on-Climate-Voten in der europäischen Praxis seit 2022 sogar rückläufig sei. Zuletzt gab Schulenburg einen Ausblick zu den Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (RL 2022/2464/EU – CSRD) sowie der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (RL 2024/1760/EU – CSDDD), welche nach ihrer Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber insbesondere die Erstellung eines Klimaplans vorschreibt und hierfür gewisse inhaltliche Vorgaben macht.

Auf sich an den Werkstattbericht anschließende Nachfrage von Hendrik Schmidt (DWS Investment GmbH), ob und wie die Rückmeldungen der Investoren von den Roadshows im Frühjahr 2024 noch in den Klimaplan 2040 eingearbeitet werden konnten, stellte Laue klar, dass das Feedback der Investoren noch bis zur endgültigen Veröffentlichung am 7. März 2024 berücksichtigt werden konnte. Nach seinen Erfahrungen sei der Großteil der Investoren durchweg positiv gestimmt gewesen, teilweise unter dem Vorbehalt, dass die avisierten Maßnahmen wissenschaftlich durchführbar und finanziell rentabel seien. Gänzlich negative Stimmen gab es nach Laue nicht, was aber auch daran liegen könne, dass solche Investoren womöglich bereits von vornherein nicht bei der GEA investiert seien.

B. Klimaschutz und Gesellschaftsrecht – Ausblick auf den 74. Deutschen Juristentag im September 2024 in Stuttgart (Harnos)

Das Referat von Prof. Dr. Rafael Harnos befasste sich mit dem Gutachten von Prof. Dr. Marc-Philippe Weller zum 74. Deutschen Juristentag (DJT)[2] in Stuttgart. Hierin untersucht Weller die Frage, ob sich im Kampf gegen den Klimawandel gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts empfehlen. Weller schlägt in seinem Gutachten eine sog. Klimatrias vor, bestehend aus einer Klimaquote als jährliche Angabe der geplanten Emissionsreduktionen (Seite F 58 ff. des Gutachtens), einem Rechtsformzusatz „klimaneutral“ (Seite F 75 ff.) sowie einem Bündel an Klimagovernance-Maßnahmen (Seite F 90 ff.), worunter auch eine Say-on-Climate-Regelung fällt.

Harnos stellte seinem Vortrag den Hinweis voran, dass das Gutachten (Stand: 30. Dezember 2023) bereits durch die Realität überholt worden sei. In der Zwischenzeit sei die CSDDD verabschiedet worden, wodurch sich etwa die Beschränkung des Begriffs der „Klimaneutralität“ allein auf Scope 1- und Scope-2-Emissionen, wie Weller sie vorsieht (vgl. Seite F 52 ff.), nicht mehr halten lasse. Art. 22 Abs. 1 Satz 2 lit. a CSDDD sehe ausdrücklich vor, dass sich ein Klimaplan auf Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen beziehen müsse.

Insgesamt stimmte Harnos mit den im Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen nicht überein. Kritisch sah er insbesondere, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht auf die unionsrechtlichen Vorgaben der CSRD und CSDDD abgestimmt erscheinen würden. Beispielhaft hierfür nannte Harnos den Umstand, dass Weller die erfassten Gesellschaften durch einen § 76a Abs. 2 Satz 4 AktG n.F. zur Klimaneutralität – anders als Art. 22 Abs. 1 Satz 1 CSDDD und § 289c Abs. 2 Nr. 1 lit. c HGB-RefE CSRD-UmsG in Umsetzung des Art. 19a Abs. 2 lit. a) iii) BilanzRL i.d.F. der CSRD (jeweils bis 2050), aber im Einklang mit dem deutschen Klimaschutzgesetz (§ 3 Abs. 2 Satz 1 KSG) – bereits bis zum Jahr 2045 verpflichten möchte. Ebenso vermisse er die in Art. 22 Abs. 1 Satz 2 lit. a CSDDD festgeschriebenen Fünfjahresschritte von 2030 bis 2050 und stellt den Nutzen einer jährlichen Emissionsreduktionsquote, wie Weller sie als Klimaquote vorschlägt, in Frage. Dabei wies Harnos allerdings auch darauf hin, dass die endgültige Fassung der CSDDD zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht absehbar gewesen sei; auch habe damals kein Referentenentwurf des CSRD-Umsetzungsgesetzes vorgelegen. Bezüglich der inhaltlichen Vorgaben zum Klimaplan sprach sich Harnos dafür aus, die Vorgaben der CSDDD so unverändert wie möglich in das deutsche Recht, mit Verortung Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), umzusetzen. Hiermit wäre eine Abkehr von der von Weller vorgeschlagenen Klimaquote zugunsten von Reduktionsquoten in Fünfjahresschritten verbunden.

Ähnlich kritisch sah Harnos den Vorschlag eines Rechtsformzusatzes „klimaneutral“. Seine Kritik bezog sich vor allem auf fehlende Ausführungen im Gutachten zu einem Enforcement von Verstößen und dem Regelungsstandort in § 20 HGB-E. Dies widerspreche der avisierten rechtsformübergreifenden Geltung, da die GbR nicht erfasst werde. Zudem sei die Vorgabe, dass die Klimaneutralität einem Ressort der Geschäftsleitung zugeordnet werden müsse (§ 20 Abs. 1 lit. b HGB-E), auf Großunternehmen zugeschnitten; für kleine und mittlere Unternehmen mit schlanker Geschäftsleitungsstruktur sei sie unpassend.

Den Schwerpunkt seiner Ausführungen zum dritten Teil der Klimatrias legte Harnos – der sich skeptisch zu der Idee Wellers äußerte, Regelungen über die Klimaexpertise des Aufsichtsrats (§ 100 Abs. 5 Satz 2 AktG-E) und den zwingenden Klimaausschuss (§ 107 Abs. 5 AktG-E) für börsennotierte oder mitbestimmte Gesellschaften einzuführen – auf den Vorschlag eines Say on Climate nach § 120b AktG n.F. Neben Detailfragen wie etwa der Inkongruenz des persönlichen Anwendungsbereichs mit der CSDDD und der von § 122 Abs. 2 AktG abweichenden Ausgestaltung des Initiativrechts der Minderheit[3] kritisierte Harnos in Wellers Gutachten die fehlende Auseinandersetzung mit dem Ziel einer Say-on-Climate-Regelung. Er zweifelte an der – hier und andernorts – unterstellten Annahme, dass eine Aktionärsbeteiligung zu mehr Klimaschutz in der Gesellschaft führe. Abstrahiert sprach sich Harnos für eine Entkoppelung dieses Entscheidungsergebnisses („Mehr Klimaschutz als Ziel“) von der Entscheidungsprozedur („Say-on-Climate-Beschluss“) in der wissenschaftlichen Debatte aus; die bloße Hoffnung auf ein bestimmtes Ergebnis könne nicht die Einführung einer neuen Beschlusskompetenz rechtfertigen. Vielmehr müssten andere Zielsetzungen für eine Say-on-Climate-Regelung gesucht werden.

Dabei hielt Harnos das denkbare Ziel einer Information des Vorstands über (Un-)Zufriedenheit der Aktionäre mit der Klimastrategie nur für bedingt geeignet, eine Say-on-Climate-Regelung zu rechtfertigen. Das nur binäre Ergebnis eines Votums (Ablehnung/Zustimmung) beschränke die Aussagekraft – insbesondere im Vergleich zu informellen Investorendialogen. Letztere würden im Vorfeld zu einem Say-on-Climate-Votum eher noch intensiviert. Einen tatsächlichen Mehrwert für den Informationsgehalt sah Harnos nur im Falle einer Gegenantragsfähigkeit der Vorlage, sodass Aktionäre eigene Klimapläne bzw. Klimaschutzmaßnahmen vorschlagen könnten. Gleichwohl bezweifelte er, dass sich hierdurch tatsächlich sachgemäße Vorschläge ergeben.

Letztlich sei allein die Stärkung der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung taugliches Ziel eines Say on Climate. Der vielfach vorgebrachte Einwand eines Verstoßes gegen die Kompetenzordnung des Aktiengesetzes überzeuge nicht, so Harnos, da es um eine rechtspolitische Diskussion de lege ferenda gehe. Insbesondere veränderte Rahmenbedingungen wie Stewardship-Bestrebung institutioneller Investoren sowie die Bedeutung der Stimmrechtsberater oder eine zunehmende Sustainable-Finance-Regulierung seitens des EU-Gesetzgebers sprächen für eine stärkere Einflussnahme seitens der Aktionäre in Nachhaltigkeitsfragen.

C. Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD – Pflicht & Chance (Stauder)

Nach einer kurzen Pause folgte ein Referat zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Marc Stauder. Dieser eröffnete mit der Feststellung des Trends, dass ESG-Themen durch die EU-Gesetzgebung bereits jetzt sehr ausführlich und künftig noch ausführlicher adressiert würden. Gleichzeitig warb er dafür, diese Berichterstattung nicht bloß als check-the-box-excercise zu verstehen, sondern als Chance zu sehen, die eigene Unternehmensstrategie prominent herauszustellen. Hierfür sei es notwendig, ESG-Themen mit der eigenen Strategie eng zu verzahnen. Daneben habe die zunehmende EU-Regulierung Auswirkungen auf die Corporate Governance, was sich auch am Thema des Say on Climate zeige.

Als große Neuerung der CSRD nannte Stauder neben der zwingenden Eingliederung des neuen Nachhaltigkeitsberichts in den Lagebericht gem. § 289 HGB die verpflichtende Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts durch einen Wirtschaftsprüfer nach §§ 324b ff. AktG-E. Vor diesem Hintergrund ergebe sich zukünftig ein zwingender zeitlicher Gleichlauf zwischen finanzieller und nichtfinanzieller Berichterstattung. Problematisch sei hier vor allem die Neuartigkeit des Prüfungsgegenstands im Vergleich zu der finanziellen Abschlussprüfung. Anders als dort könne beim Nachhaltigkeitsbericht nicht auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückgegriffen werden. Zugleich zeige die Aufwertung des Nachhaltigkeitsberichts eine Verschiebung der internen Aufgabenverteilung: Vielfach sei Nachhaltigkeit nicht mehr allein Frage der Nachhaltigkeitsabteilung, sondern vielmehr (auch) der für die Aufstellung des Lageberichts zuständigen Accounting-Abteilung.

Zuletzt kam Stauder auf die Chancen der CSRD-Regulierung zu sprechen: Durch die engmaschigen Berichtsanforderungen könnten sog. IROs (Impacts, Risks and Opportunities) in der Geschäftstätigkeit des Unternehmens aufgedeckt werden, welche bislang nicht im Fokus standen. Zudem sei eine Stärkung der Lieferkette möglich, welche jedenfalls mittelbar von den Berichtspflichten betroffen sei. Durch die zunehmende Transparenz könnten die CSRD-Pflichten nach Stauder zu Wertschöpfung im nichtfinanziellen Bereich beitragen. Insgesamt habe er die Hoffnung, dass die CSRD-Berichterstattung zu einem Pendant der IFRS (International Financial Reporting Standards) für den nichtfinanziellen Bereich wird.

D. Impuls: Erwartungen der Investoren im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Transparenz – Rückblick auf die HV-Saison 2024 (Tüngler)

Der anschließende Impulsvortrag von Marc Tüngler diente zur Überleitung in die nachfolgende Diskussion. Tüngler beschränkte seinen Rückblick auf die Hauptversammlungssaison 2024 auf einen Dank an GEA für die Einholung des Say-on-Climate-Beschlusses. Er lobte zudem die Gestaltung des Klimaplans 2040, welcher zwar gehaltvoll, aber dennoch sehr ansprechend zu lesen gewesen sei. Insbesondere sei der finanzielle sowie nichtfinanzielle Mehrwert der geplanten Maßnahmen für die Investoren deutlich geworden, welche als Kapitalgeber die hohen Investitionskosten von EUR 175 Mio. schultern müssten. Dies sei letztlich der Grund gewesen, wieso die DSW für eine Billigung des Klimaplans gestimmt habe.

Die von Harnos erwogene Einräumung eines echten Mitspracherechts für die Aktionäre (etwa in Form der Einbringung eigener Vorschläge) begrüßte Tüngler. Einen Mehrwert sah er gleichwohl nur, wenn alle Beteiligten – Vorstand wie Aktionäre – sich für ein Mehr an Klimaschutz aussprechen würden. Dass andere Unternehmen der DAX-Indexfamilie dem Beispiel der GEA im nächsten Jahr folgen, hielt Tüngler für unwahrscheinlich, da die Nachhaltigkeitsabteilungen bereits mit den Anforderungen des CSRD-Nachhaltigkeitsbericht ausgelastet seien.

E. Panel-Diskussion: Kommt die Say-on-Climate-Welle nun auch in Deutschland an? Was spricht dafür, was dagegen? (Petri/Simons/Harnos/Tüngler/Stauder/Merkner)

Die sich an den Impuls anschließende Diskussion eröffnete der Moderator Merkner mit der Frage an Dr. Cornelius Simons, welche Erwägungen Alzchem seinerzeit dazu bewegt hätten, als erstes deutsches Unternehmen ein Say-on-Climate-Votum durchzuführen. Nach Simons sei der erste Impuls für ein solches Votum seitens des Aktionariats erfolgt. Bei einem landschaftlich derart schön gelegenen Chemieunternehmen drängten sich Fragen der Nachhaltigkeit ohnehin geradezu auf. Daneben verwies er auf den für die Thematik grundlegenden Aufsatz von Harnos/Holle (AG 2021, 853 ff.), der ihm weitere Anregungen verschafft habe.

Sodann wollte Merkner von Dr. Stephan Petri wissen, wie das gesamte Unternehmen von dem Projekt „Say on Climate“ überzeugt werden konnte. Nach Petri sei das Say on Climate zunächst eher ein Rechtsthema. Der Klimaplan 2040 sei hingegen insgesamt – insbesondere von den operativen Abteilungen – durchweg positiv im Unternehmen aufgenommen worden. Ohnehin seien Nachhaltigkeitsthemen bei GEA auch intern seit 2021 präsenter. In der diesjährigen Mitarbeiterumfrage habe das Unternehmen etwa die höchsten Zustimmungswerte im Bereich der Nachhaltigkeit erhalten. Auch extern habe GEA in den Medien viel Zuspruch nach der Hauptversammlung erfahren. Daneben habe es einen Zuwachs an ESG-orientierten Investoren gegeben.

Merkner fragte vertiefend, wie GEA nun an der Umsetzung des Klimaplans 2040 arbeite, denn in drei Jahren stehe ja der erste Fortschrittsbericht an. Nach Petri seien die Entscheidungen zu den Veränderungen an den jeweiligen Betriebsstandorten bereits getroffen. Zudem bedürfe es mehr und gleichzeitig disruptiverer Innovationen bzgl. der Nachhaltigkeit der eigenen Produkte, insbesondere um die erwähnten Scope-3-Emissionen effektiv zu reduzieren. Insgesamt sei es aber noch ein weiter Weg.

Tüngler vertiefte danach auf Nachfrage von Merkner seine Einschätzung, dass im nächsten Jahr keine weiteren Say-on-Climate-Beschlüsse zu erwarten seien. Nach Tüngler hätten die Unternehmen aufgrund des CSRD-Nachhaltigkeitsberichts schlichtweg keine Zeit, sich um die Vorbereitung eines Say-on-Climate-Votums zu kümmern. Gleichzeitig ging Tüngler jedoch davon aus, dass der Großteil des hierfür erforderlichen Aufwands in der erstmaligen Erstellung des Klimaplans liege. Sofern dieser ambitioniert ausgestaltet sei, sei der Klimaplan ohnehin wichtiger als eine Beteiligung der Aktionäre im Wege eines Say-on-Climate-Votums. Für einen sinnvoll gestalteten Klimaplan sei jedoch zentral, dass die Nachhaltigkeits- und Klimaziele mit der Vorstandsvergütung gekoppelt seien.

Die nächsten Fragen Merkners richteten sich an Harnos und zielten auf die rechtspolitische Zukunft des Say on Climate. Merkner bat Harnos um eine Einschätzung, wie der DJT voraussichtlich über den Vorschlag Wellers abstimmen wird und ob diese Frage überhaupt vom Gesetzgeber geregelt werden sollte oder sich nicht vielmehr eine Anregung im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) anböte. Die letztere Frage beantwortete Harnos unter Verweis darauf, dass der DCGK nach Aussagen der Vorsitzenden der Kodex-Kommission künftig nicht sehr häufig überarbeitet werden solle, zugunsten einer gesetzlichen Regelung. Ob der von Weller vorgeschlagene § 120b AktG-E auf dem DJT Zuspruch finde, sei nach Harnos völlig offen. Er selbst sei – wie aus seinem Referat hervorginge – skeptisch. Jedenfalls in dieser Legislaturperiode sei ein gesetzgeberisches Tätigwerden ausgeschlossen; ob sich für eine derartige Regulierung in der nächsten Legislaturperiode eine politische Mehrheit finden ließe, sei derzeit völlig offen.

In einem Wortbeitrag aus dem Publikum stellte Schmidt fest, dass einerseits der Gesetzgeber ohnehin langsamer als die Aktionäre sei und andererseits entscheidend nicht ein Say on Climate als Selbstzweck, sondern vielmehr die Relevanz der Nachhaltigkeit insgesamt sei. Entschieden sich die Unternehmen nicht bereits jetzt dafür, Nachhaltigkeitsaspekte mit ihrem Geschäftsmodell zu verbinden, so blieben diese in 10 bis 15 Jahren außerhalb des Anlageuniversums, da langfristige Investoren ihrerseits langfristig investieren müssten. Die normative Kraft des Faktischen würde das Thema Klimaschutz auf die Tagesordnungen der Hauptversammlungen setzen, sei es durch ein gesondertes Say-on-Climate-Votum oder über andere Tagesordnungspunkte. Harnos merkte einleitend an, dass eine Regulierung nicht erforderlich sei, wenn der Kapitalmarkt den Geldfluss selbst reguliere. Er gab insoweit jedoch zu bedenken, dass insbesondere passiven Investoren ein exit verschlossen sei, da sie an die konkrete Indexzusammensetzung gebunden seien. Da ein Divestment nicht möglich sei, stelle sich die Frage nach einem Say on Climate überhaupt erst.

Als abschließende Frage an alle Panel-Teilnehmer wollte Merkner wissen, ob die CSRD-Berichterstattung aus ihrer Sicht zukünftig dazu führe, dass Say-on-Climate-Voten eher nicht eingeholt werden, weil das Ziel der Transparenz dann schon erreicht sei, oder ob umgekehrt damit zu rechnen sei, dass die Unternehmen eher geneigt sein könnten, ein Say on Climate auf die Tagesordnung zu setzen, da die vorzulegenden Angaben im Sinne eines Klimaplans ohnehin vorhanden seien. Stauder gab insoweit zu bedenken, dass sich der Aufwand nach einer Initialumsetzung der CSRD-Vorgaben erheblich reduziere. Er könne sich flächendeckende Say-on-Climate-Voten dann vorstellen, wenn die Unternehmen sich hinsichtlich der CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung in sicherem Fahrwasser befänden und demnach eine solide Beschlussgrundlage bestünde. Auch Tüngler teilte den Einwand Merkners, dass man sich die Frage stellen müsse, ob ein Say on Climate überhaupt noch notwendig sei, wenn aufgrund der CSRD-Vorgaben umfangreich berichtet würde. Diese Nachhaltigkeitsberichte müsse man sich künftig anschauen und auf dieser Grundlage würde sich zeigen, ob noch Bedarf für ein Say on Climate besteht. Nach Harnos komme es entscheidend darauf an, ob Unternehmen (wie Alzchem und GEA) einen business case für verstärkte Klimaschutzbemühungen und eine entsprechende Vorlage an die Aktionäre sähen. Aufgrund der CSRD-Vorgaben und der angespannten Wirtschaftslage sei es aus seiner Sicht jedoch unklar, ob eine Say-on-Climate-Welle zu erwarten ist. Auch Simons hielt es für unwahrscheinlich, dass im nächsten Jahr weitere Say-on-Climate-Voten erfolgten. Aus eigenen Erfahrungen bei Alzchem, welche bereits im Jahr 2023 einen „Nachhaltigkeitsbericht-Testlauf“ durchgeführt habe, zeige sich der erhöhte Aufwand der CSRD-Vorgaben. Diese müssten zusätzlich mit dem einem Say on Climate gegenständlichen Klimaplan synchronisiert werden. Nach Petri sei die Wahrscheinlichkeit weiterer Say-on-Climate-Voten davon abhängig, ob das Unternehmen die Einhaltung des Klimaplans garantieren könne. Da der nach Art. 22 CSDDD künftig verpflichtende Klimaplan nicht ohne Weiteres einer Veröffentlichung bedürfe, setze sich ein Unternehmen durch ein Say on Climate dem kritischen Auge der Öffentlichkeit aus.

Anschließend fragte Christof Schwab (Director Business Development, Computershare) die Panel-Teilnehmer, ob eine zunehmende Nachhaltigkeitsregulierung seitens der EU nicht zu einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft führe. Harnos gab hierzu zu bedenken, dass eine Politisierung des Gesellschaftsrechts keine Besonderheit des EU-Gesetzgebers sei, sondern bereits seit vielen Jahrzehnten in Deutschland erfolge. Außerdem müsse der Vorstand schon immer einzelne Interessen im Einzelfall abwägen; insoweit seien Klimaschutzerwägungen kein Sonderfall.

In einem letzten Wortbeitrag aus dem Publikum merkte Renata Jungo Brüngger (Vorstandsmitglied – Integrität, Governance & Nachhaltigkeit, Mercedes-Benz Group AG) an, dass der Wille der Unternehmen zur Nachhaltigkeitstransformation vorhanden sei. Gleichzeitig führe die Granularität der Nachhaltigkeitsregulierung aber zu einem Bürokratieaufwand, der nicht im Verhältnis zum hierdurch geschaffenen Mehrwert stehe. Hier müssten ausgewogene Lösungen gefunden werden.

Danach beendete Merkner mit einem Dank an alle Teilnehmer sowie das Organisationsteam von GMW die Panel-Diskussion und zugleich den formellen Teil der Veranstaltung und lud zu einer Fortsetzung der Gespräche beim Get-together ein.


[1] Näheres zu diesen und den folgenden Erwägungen nachzulesen bei Merkner/Schulenburg/Elixmann, AG 2024, 257-268.

[2] Siehe dazu https://djt.de/74-djt/fachprogramm/wirtschaftsrecht/; wesentliche Aussagen bereits vorab bei Weller, NJW 2024, Beilage 2 zu Heft 24, 58-62; siehe außerdem Weller/Hößl/Seemann, ZIP 2024, 209-217; Weller/Hößl/Seemann, ZIP 2024, 330-340; Weller/Hößl/Seemann, ZGR 2024, 180-219.

[3] Die Kritik bezog sich hier darauf, dass lediglich eine Beteiligung in Höhe von 5% des Grundkapitals, nicht aber – wie in § 122 Abs. 2 AktG – auch eine Beteiligung in Höhe von EUR 500.000 am Grundkapital das Initiativrecht eröffnen solle.


*Der Verf. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Glade Michel Wirtz (Düsseldorf) und Doktorand am Osnabrücker European Legal Studies Institute (ELSI). Glade
Michel Wirtz hat die GEA Group Aktiengesellschaft bei der gesellschaftsrechtlichen Umsetzung des Say on Climate auf der ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft am 30. April 2024 beraten.

Zitiervorschlag: Kühle, Bericht zum Symposium Say on Climate von Glade Michel Wirtz und der GEA Group Aktiengesellschaft am 4. Juli 2024, INUR-blog v. 13.08.2024 (abrufbar unter: https://blog.uni-koeln.de/inur-blog/bericht-zum-symposium-say-on-climate-von-glade-michel-wirtz-und-der-gea-group-aktiengesellschaft-am-4-juli-2024/; zuletzt abgerufen am: ).