Gegen den Stream …?

Normalerweise sind die Tickets hart umkämpft – doch dieses Jahr ist alles anders und zumindest 6 der 10 ausgewählten Produktionen, die zum Theatertreffen 2020 nach Berlin eingeladen waren, sind nun immerhin als Video on demand zeitlich begrenzt und somit im heimischen Wohnzimmer verfügbar. Um die großartige Sandra Hüller noch als »Hamlet« in der Regie von Johan Simons zu erleben, muss man sich beeilen …

Spannend ist auch das Rahmenprogramm des virtuellen Theatertreffens, das u.a. eine Diskussion zur Forderung „Stoppt das Streaming“ verspricht.

https://www.berlinerfestspiele.de/de/theatertreffen/start.html

La comedia è finita!

Wie gezeichnet wirkt die artifizelle Welt, in die Philipp Stölzl die Protagonist*innen in Ruggero Leoncavallos »Pagliacci« versetzt. Versetzt im wahrsten Sinn des Wortes, denn die Bühne als Setzkasten mit ihren verschiedenen Räumen erlaubt den Nachvollzug paralleler Ereignisse und macht aus den Zuschauer*innen Mitwissende. 2015 feierte die Inszenierung bei den Osterfestspielen Salzburg Premiere, bevor sie an der Semperoper Dresden gezeigt wurde, als zweiter Teil eines Doppelabends. Stölz zeichnete auch für das Bühnenbild verantwortlich und wurde damit von der Zeitschrift Opernwelt zum »Bühnenbildern des Jahres« gekürt. In der hier im Visuellen angelegten Überbetonung des Künstlichen, die die Künstlichkeit des Musiktheaters intermedial potenziert, spiegelt sich die Thematik der Oper wider, denn im Zentrum steht nicht nur eine Geschichte um einen gehörten Ehemann, um Betrug, Leidenschaft, Eifersucht und Rache, sondern auch das Spiel mit dem Spiel im Spiel, das kunst- und lustvoll in Szenen versetzt wird. In der vorgeführten Welt der Schausteller, dem Wechsel zwischen Ver- und Vor-stellung, überlagern sich die Ebenen – und führen in die unausweichliche, finalen Raserei. Und so heißt es am Ende aus dem Mund des rächenden Ehemannes: »La comedia è finita!«
Zu sehen ist die Aufzeichnung online bis 26.4., begleitet von einer Oper-Einführung der Dramaturgin Juliane Schunke.

https://www.semperoper.de/

100% Expert*innen

Das Volk vertritt die Volksvertreter, es nimmt sich die Stimme, die bei der Wahl abgegeben wurde, wieder zurück – so die Grundidee von »Deutschland 2«, einem Live-Reenactment einer Bundestagsdebatte mit Bonner Bürger*innen, das 2002 im Rahmen von »Theater der Welt« stattfand. Seitdem hat das Künstlerkollektiv Rimini Protokoll (bestehend aus Helgard Haug, Daniel Wentzel und Stefan Kaegi) u.a. Physiker, Rentnerinnen, Müllsammler, Kraftfahrer, Waffenhändler, Politikerinnen, Call-Center-Angestellte und viele andere Experten des Alltags sicht- und hörbar auf die Bühne gebracht, Städte zur Bühne gemacht, die Zuschauer*innen ent- und verführt zu einer Gratwanderung zwischen Fakt und Fiktion.

Das umfangreiche Archiv des Künstlerkollektivs umfasst Trailer, Zeitungsartikel, Radio- und Fernsehberichte, nun neu aktuell auch Aufzeichnungen vieler Produktionen der vergangenen 18 Jahre. Ein großer Fundus, der auch eine Produktionen wie »Chinchilla Arschloch, waswas« zugänglich macht, ein Abend, der sich mit Tics und Tourette beschäftigt und zum diesjährigen Theatertreffen nach Berlin eingeladen wurde. Die kluge Auseinandersetzung um Konventionen und Erwartungen, dies und jenseits des Theaterraums, kann nun (fast ein wenig zu) bequem im heimischen Wohnzimmer angeschaut werden.

https://www.rimini-protokoll.de/website/de/project/chinchilla-arschloch-was-was

Ein Regentanz im April

Beyoncé hat sich bei ihren Chroreografien bereits bedient, oder sagen wir, sich von ihr inspieren lassen – 1983 gelang Anne Terese De Keersmaeker mit „Rosas danst Rosas“ und ihrer Tanzkompanie Rosas der Durchbruch, seitdem ist sie aus der zeitgenössischen Tanz- und Festivalszene nicht mehr wegzudenken. Die Berliner Festspiele zeigen bis 29. April eine Aufzeichnung ihrer Arbeit „Rain“, eine hypnotisch-betörende Choreografie zwischen Ordnung und Chaos, sowie die filmische Adaption von „Achterland“.

https://www.berlinerfestspiele.de/de/berliner-festspiele/programm/on-demand/rosas-filme.html

Ein erster Überblick: Der digitale Spielplan auf nachtkritik.de

Auf nachtkritik.de wird jeden Tag ein digitaler Spielplan veröffentlicht, der tagesaktuell die digital verfügbaren Aufzeichnungen von Inszenierungen aus ganz Deutschland zusammenträgt. Das Runterscrollen ans Ende dieses Spielplans lohnt sich besonders – hier findet sich eine Auflistung von Angeboten ständig verfügbarer Kulturangebote, von Performances über Tanz über Theaterpodcasts hin zu Webserien.

https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=17785:sammlung-corona-theater-online&catid=1767&Itemid=100089

Theatrical Distancing – Theater(wissenschaft) in Zeiten von Corona

Liebe Studierende, um die theaterfreie Zeit zu überbrücken und die Kulturquarantäne erträglicher zu machen, findet Ihr hier in unregelmäßigen Abständen Hinweise zu Kulturveranstaltungen, denen Ihr auch im heimischen Wohnzimmer beiwohnen könnt, so dass die Zeit, bis wir uns wieder in leiblicher Co-Präsenz begegnen nicht gar so lange wird …

Viel Vergnügen – und Vorhang auf!