Die Orestie des Aischylos – ein Wendepunkt im Theater der Bonner Republik

Die Berliner Schaubühne ist ein ‚Kind‘ der 1968er Bewegung: Programmatisch schon der (verschraubte) Titel eines Aufsatzes, den Botho Strauß, langjähriger Dramaturg der Schaubühne und einer der wichtigen Hausautoren, schrieb: »Versuch, ästhetische und politische Ereignisse zusammenzudenken«. Die Inszenierungen der Schaubühne – ab Anfang der 1970er Jahre dominiert durch Peter Stein – berühren daher die großen Fragen der Zeit.

1980 inszeniert Peter Stein die »Orestie« des Aischylos – die einzige erhaltene Trilogie attischer Tragödien – als ein Marathon, der das Publikum aus dem klassischen Theatersaal in das rund der antiken Amphitheater zurückzuholen verspricht. Wichtiger aber noch ist die politische Botschaft seiner Inszenierung: Das Gesetz löst das Prinzip der Rache ab. Eine Einsicht, die man im Kontext der Bonner Republik durchaus als theatralen Nachvollzug jenes Verfassungspatriotismus begreifen kann, mit dem die Phase radikaler Gegenentwürfe die Bonner Republik auch bei sich selbst ankommt. Das Gesetz bedeutet nicht nur Unterdrückung des Einzelnen, sondern auch die Garantie seiner Freiheit.

Die Schaubühne öffnet dieser Tage ihr Archiv und am 8., 9. und 10. April besteht die Möglichkeit, die Inszenierung von Peter Stein noch einmal zu sehen. Wer sich einläßt, der kann die Spuren einer Wiederentdeckung des attischen Polis-Gedanken erleben, der keineswegs museal ist.

https://www.schaubuehne.de/de/seiten/online-spielplan.html

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