von Rebecca Blanz und Dominik Jakobs
TA-TA, TA TA TA TAAA – eine der bekanntesten Fanfaren, wenn nicht die bekannteste Fanfare, im deutschen Fernsehen. Sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr und seit knapp 60 Jahren läutet das Soundlogo der ARD Tagesschau um 20 Uhr die Nachrichten ein. Eine Vielzahl von Zuschauer*innen verfolgt jeden Abend die Sendung, um auf den aktuellen Stand des Weltgeschehens gebracht zu werden. Doch von wem das Intro komponiert wurde, und wie es sich im Laufe der Jahre verändert bzw. welche Aufmerksamkeit es auf sich gezogen hat, ist wenig bekannt.
In seinem Aufsatz Audio-Branding – Alles neu? geht Georg Spehr unter anderem den Wirkungsursprüngen von Erkennungsmelodien bei Nachrichtensendungen auf den Grund. So hat beispielsweise die Fanfare – übrigens der Name sowohl für das Musikstück als auch für eine spezifische Form der Trompete – einen ausgeprägten Signalcharakter, der schon in den Jahrhunderten vor der Tagesschau mit Macht, großen Ereignissen und eben der Übermittlung wichtiger Nachrichten verbunden war. Desgleichen waren und sind hohe (Blech-)Blasinstrumente, darunter selbstverständlich die Trompete, ein fester Bestandteil von Großereignissen, die mit einem musikalischen Signal eröffnet werden. Man stelle sich nur den Eurovision Song Contest ohne das bekannte Präludium aus Marc-Antoine Charpentiers Te Deum oder die Olympischen Spiele ohne Olympia-Fanfare vor.
Charpentiers Te Deum als Sound der Eurovision:
Die Wirkung wäre eine weniger aufhorchende als wir sie kennen. Genau das macht sich die Tagesschau zunutze. Noch eng an die Nachrichtenmelodie der UFA-Wochenschau angelehnt, hört man 1956 erstmals das bis heute gültige Ablaufschema mit der Titelmusik von Hans Carste (1909-1971): Gong – Sprecheransage – Fanfarenmotiv. Der Gong übernimmt hierbei die Funktion des Zeitzeichens für den Beginn der Tagesschau zur vollen Stunde. Der Sprecher mit dem Einleitungssatz „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“ sowie die darauffolgende Fanfare mit ihrer Signalwirkung sind charakteristisch für die Sendung.
Dass es sich um ein Soundlogo bzw. einen Jingle handelt, wird anhand des Zuschauer*innenverhaltens deutlich. Denn mehrere Publikumsgenerationen können genau das, was mit einem solchen Logo erreicht werden soll: eine einfache und einprägsame Melodie nach mehrmaligem Hören im Gedächtnis behalten und sie ggf. mitsummen – letztlich die Basis für den Wiedererkennungswert des Soundlogos. So war der Aufschrei vor einigen Jahren groß, als nach den bereits revidierten Fassungen von 1994, 1997 und 2005 das Tagesschau-Intro in neuem Klanggewand nach Hollywood-Manier ertönen sollte. Dabei wurde die unverwechselbare Melodie gar nicht angetastet, sondern deren Begleitung nur geringfügig umarrangiert.
Ein nicht minder einprägsames Element des akustischen Tagesschau-Auftakts ist die Ansager*innenstimme. Anders als bei Produktmarken, deren Werbekampagnen häufig auf die Gesichter von Prominenten setzen, stammen die Off-Stimmen der Tagesschau von professionellen Synchronsprecher*innen. Mark Lehman konstatiert in seinem Aufsatz Die Stimme im Markenklang, dass die Persönlichkeitsausstrahlung der Stimme die gleiche Wirkung haben kann wie die körperliche Ausstrahlung eines Menschen. Stimmen vermögen dementsprechend – selbst als Off-Stimme unter Ausschluss des Visuellen – unterschiedlich stark zu wirken. Seit geraumer Zeit nutzt die Tagesschau ‚Hollywoodstimmen‘, das heißt Stimmen von Sprecher*innen, die im deutschsprachigen Raum Hollywoodstars synchronisieren. In einem Casting 2014 konnte sich die deutsche Stimme von Angelina Jolie, gesprochen von Claudia Urbschat-Mingues, durchsetzen. Im Auswahlprozess wurde großer Wert darauf gelegt, die Ansage so vortragen zu lassen, wie es erfahrene Pilot*innen zur Begrüßung der Fluggäste machen. Einfach gesagt: klar, bestimmt und kompetent.
Seit 1978 wird die Tagesschau um die Tagesthemen ergänzt. Das später am Abend ausgestrahlte Nachrichtenformat gibt den Zuschauenden ergänzende Hintergrundinformationen zu den knapp und sachlich gehaltenen Tagesschaumeldungen. Auch hier kommt ein unverwechselbares Intro zum Einsatz, das sich an dem der Tagesschau orientiert. Dass derartige Eröffnungssequenzen nicht nur die Aufmerksamkeit auf das folgende Nachrichtenprogramm lenken, sondern auch politisch werden können, zeigt sich in der COVID-19-Pandemie. Infolge der Lockdown-Maßnahmen haben viele Kulturschaffende ihre Jobs verloren und sind bis heute auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Um auf diese Situation aufmerksam zu machen, wurde die Band Die Ärzte ins Studio der Tagesthemen eingeladen, wo sie die Titelmusik auf den eigenen Instrumenten gab. Dabei wurden die sonst unsichtbar tönenden Ansagen von den Bandmitgliedern gesprochen. So verkündete der Sänger Farin Urlaub in Abwandlung des ursprünglichen Mottos: „Hier ist das Ärzte Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen!“ Das Medienecho war groß, und zwar nicht nur, weil das gewohnte orchestrale Format plötzlich einem Rocksound wich, sondern weil es durch den exponierten Kurzauftritt gelang, stellvertretend alle in eine pandemiebedingte Notlage geratenen Künstler*innen in den Fokus zu rücken und die Dringlichkeit dieser Thematik visuell wie auditiv zu unterstreichen.
Tagesthemen-Eröffnung durch Die Ärzte:
Auch wenn einige die Fernsehnachrichten vielleicht gar nicht mehr sehen, so lässt sich doch sagen, dass der Tagesschausound immer noch Kultstatus besitzt. Wer Lust hat, sich durch die Entwicklung der Soundlogos von Tagesschau und Tagesthemen zu hören, kann das mit diesen beiden Videos tun:
Verwendete Quellen:
– Mark Lehman, Die Stimme im Markenklang, in: Audio-Branding: Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft, hrsg. von K. Bronner und R. Hirt, Baden-Baden 2016, S. 98-115.
– Georg Spehr, Audio-Branding – Alles neu?, in: Audio-Branding: Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft, hrsg. von K. Bronner und R. Hirt, Baden-Baden 2016, S. 32-49.