Ein Sound Studies-Blog

Kriegsführung – laut und leise

von Ezra Hamacher

Als Hiram Percy Maxim 1909 seinen Prototyp eines Schalldämpfers vorstellte, wusste er noch nicht, welch einen Paradigmenwechsel diese Erfindung nach sich ziehen würde. Bis dahin galt: je lauter eine Schusswaffe, desto wirkungsvoller ist sie bzw. je lauter eine Schusswaffe, als desto wirkungsvoller wird sie wahrgenommen (Yaron Jean spricht hier vom Prinzip der „sounded power“). Nachdem in den USA der Absatz von Schalldämpfern stieg, wurden sie bereits in den 1930er-Jahren nahezu im gesamten Land verboten. Der Grund dafür war, dass ein Schalldämpfer die Lautstärke des Schussgeräuschs einer Waffe deutlich verringerte und dessen Nutzung somit als heimtückisch oder unfair wahrgenommen wurde.

Schon immer wurden Kriege von Sounds begleitet: Kampfschreie, Kriegstrommeln, Hörner, Trompeten usw. wirkten bei Feldschlachten für die Angreifenden unterstützend, weil sie den Verteidigenden Angst einflößten oder akustisch die bevorstehende Schlacht signalisierten. Im Laufe der Zeit wurden Sounds nicht mehr nur zur Intensivierung der Schlachterfahrung eingesetzt, sondern waren mit den technischen Gegebenheiten der Schusswaffen an sich verbunden. Die mit technischem Fortschritt steigende Frequenz an Schüssen, die eine einzelne Waffe abgeben konnte, sorgte für eine schneller getaktete Geräuschkulisse während des Gefechts.

Anfang des 20. Jahrhunderts veränderten Schalldämpfer die allgemeine Sichtweise auf Schusswaffen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist seit den 1950er-Jahren die Figur des Geheimagenten James Bond, der anzugtragend und mit einer schallgedämpften Hi-Tech-Pistole ausgestattet eine gewisse Kälte ausstrahlt. Das passte in die Atmosphäre des damals herrschenden Kalten Kriegs.

1915 setzten deutsche Soldaten an der Westfront erstmals Chlorgas als Waffe ein. Dadurch, dass man einen Gasangriff nicht so leicht wahrnehmen konnte wie beispielsweise den Artilleriebeschuss, löste der Gaskrieg bei vielen Überlebenden Traumata aus. Die fehlende akustische Vorwarnung gab ihnen das Gefühl, dass es jederzeit erneut passieren könnte. Zum Trauma trug auch bei, dass die durch Gas verursachten Wunden nicht sichtbar waren, weil sie innerhalb des Körpers zugefügt wurden. Ähnlich wie der Schalldämpfer brach auch der Einsatz von Gas die bis dahin geltenden ‚Schallregeln‘ des Krieges. Bereits bei der ersten Haager Konferenz 1899 wurde darüber diskutiert, Gas als Kriegswaffe zu verbieten, wenngleich es zu diesem Zeitpunkt noch nicht um die schleichende Natur des Gasangriffes ging, sondern um die von ihm verursachte Todesart.

Die Atombombe läutete einen neuen Abschnitt im akustischen Gepräge von Kriegen ein. Je nach Entfernung zum Detonationsort kommt der Schall erst nach der Druckwelle an. Seit dem ersten Bombenabwurf über Hiroshima erweiterte sich die Angst, die zuvor nicht-hörbaren Waffen galt, um die Furcht vor einem Lichtblitz, der alles in seinem Umkreis zu zerstören vermochte: Vögel, die im Flug verbrennen, oder Häuser, die aufgrund der Druckwelle fortgerissen werden – und das, bevor man die Detonation akustisch überhaupt vernehmen kann.

Verwendete Quelle:
Yaron Jean, ‘Silenced Power’: Warfare Technology and the Changing Role of Sounds in Twentieth-Century Europe, Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 178-197.


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