Null-Toleranz-Protest: Redebeitrag von Timo Slotta

content note: Machtmissbrauch, Diskriminierung, sexualisierte Gewalt

M.Sc. Timo Slotta, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität zu Köln und Psychologischer Psychotherapeut. Bild: Twitter/@TimoSlotta

„Mein Name ist Timo Slotta. Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humanwissenschaftlichen Fakultät und Psychologischer Psychotherapeut.

Ich bin privilegiert: Diskriminierung, Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt erlebe ich meist nur in berichteter Form, nämlich durch meine Patient*innen. Das sind Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, die mir in ihren Therapien von furchtbaren Grenzüberschreitungen, Gewalt und Erniedrigungen berichten. Oft sind genau das sogar die Gründe für das Aufsuchen der Therapie. Ständige Diskriminierung ist ein empirisch gut belegter Stressfaktor. Der Missbrauch von Machthierarchien macht Betroffene krank.

Wir haben im vorigen Beitrag Auszüge aus der Berichterstattung des SPIEGEL gehört. Als ich im Dezember erstmals davon gelesen habe, war ich unfassbar frustriert und es tut gut zu sehen, dass es Anderen hier auch so geht. Bislang war ich in meiner therapeutischen Arbeit ja immer den Betroffenen Menschen nah. Und konnte mich mit ihnen verbünden, gegen strukturelle Ungerechtigkeit. Jetzt wurde mir vor Augen geführt, dass ich auch den Tätern nahe bin. Ob ich will oder nicht. Ob wir wollen oder nicht. Wir sollten realistisch sein, auch wenn das unangenehm ist: Möglicherweise arbeiten wir mit Tätern zusammen, möglicherweise übersehen wir ihr Fehlverhalten, möglicherweise decken wir es sogar und möglicherweise laufen wir selbst auch manchmal Gefahr, Täter zu sein.

Es ist total verständlich, solche Gedanken im ersten Moment abzuwehren. Aber wir müssen einfach darauf schauen: Betroffene in unserer Uni werden nicht ausreichend geschützt. Das ist unfassbar traurig, beschämend und kaum mit unserem Selbstkonzept vereinbar. Ich habe in den letzten Tagen häufiger den Satz gehört „Bei uns.. in der Psychologie???“. Die Antwort ist: „Ja!“ Sexismus ist ein flächendeckendes Phänomen. Wir alle haben ihn verinnerlicht. Selbstverständlich tritt er auch in Form von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt bei uns auf. Gerade in einem so hierarchisierten System wie der Universität.

Die zentrale Frage lautet aber: Mit welcher Kultur wollen wir dem begegnen? Reicht es uns schon, Vorfälle heimlich und diskret nach innen zu klären? Oder wollen wir klarstellen: Wir dulden so ein Verhalten nicht. Wir dulden solche Personen nicht in unseren Reihen! Wir möchten Teil einer Uni sein, die ihre Angehörigen schützt. Insbesondere minorisierte Personen. Dazu gehört, strukturelle Probleme als solche aktiv anzuerkennen und Raum zu schaffen für einen offenen Diskurs. Nicht bloß Verfahren hinter verschlossenen Türen, sondern Transparenz und proaktive Aufklärung.

Wir alle tragen Verantwortung. Wir haben den Auftrag, an der richtigen Stelle laut zu sein. Gegen Sexismus, selbst wenn der Täter ein Freund, ein Kollege oder ein Vorgesetzter ist. Am besten gemeinsam mit Verbündeten. Mit Kolleg*innen. Und mit Hilfe des beherzten Einsatzes von Gleichstellungsbeauftragten, Ombudspersonen und Anderen, die aber auch strukturell ausgestattet sein müssen mit wirksamen Kompetenzen. Dieser Fall von Grenzüberschreitung und Machtmissbrauch ist nicht der erste und wird nicht der letzte bleiben. Wir können jetzt aber dafür sorgen, dass Betroffene in Zukunft die Unterstützung erfahren, die ihnen zusteht.

Abschließend möchte ich mich bei den Betroffenen bedanken, bei @metooscience, die sich getraut haben laut zu sein, damit wir lernen können. Danke.“


Einblick des vom AStA, 0tolerance_unicologne und #metooscience organisierten Null-Toleranz-Protests gegen sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Belästigung, Erniedrigung und Diskriminierung an der Universität zu Köln.

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