„Wenn er es denn je war…“
Antikenrezeption in Tad Williams „Otherland“
Das Ziel des Vorhabens besteht darin, die verschiedenen Elemente und Ebenen der Antikenrezeption im Science-Fiction-Roman „Otherland“ von Tad Williams zu untersuchen, der zwischen 1996 und 2001 in vier Bänden erschienen ist.
Der namensgebende Hauptschauplatz in „Otherland“ ist ein virtuelles Netzwerk, in dem eine wesentlich höhere Intensität der Immersion als in anderen Netzwerken möglich ist, was im Laufe der Handlung dazu führen kann, dass einzelne Individuen fast vollständig mit ihrem Avatar verschmelzen. Neben diesem Aspekt werden Fragen nach der Zuverlässigkeit von, womöglich künstlichen, Erinnerungen und der Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz (KI) aufgeworfen.
In Hinsicht auf das Dachthema Antikenrezeption im Science-Fiction-Roman ergibt sich ein Ausgangspunkt darin, dass zahlreiche der virtuellen Welten, durch die sich die Protagonisten bewegen, explizit an Vorbilder aus der antiken Geschichte und Mythologie angelehnt sind. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Mythologie des Alten Ägyptens sowie auf derjenigen der griechischen Welt. Diese Szenen sollen in einem ersten Schritt gesammelt werden, um sie auf die jeweilige Darstellung der antiken Szenarien hin zu untersuchen.
Hiervon ausgehend lassen sich weitere Beobachtungen zum Umgang mit antiken Themen in „Otherland“ anknüpfen. So ist der Subtext von weiten Teilen der Erzählung in der ‚Odyssee‘ Homers zu suchen, die von den Protagonisten, besser gesagt einer Gruppe unter ihnen, in teilweise umgekehrtem Handlungsverlauf durchlitten wird. Gleichzeitig betreten einige Figuren eine virtuelle Version des homerischen Mittelmeers – die wiederum deutlich anderen Gesetzen als ihr antikes Vorbild gehorcht. Die Darstellung der Einbettung der homerischen Welt in die virtuelle Realität „Otherlands“ soll eingehend untersucht werden.
Ein hiervon unabhängiger Einfluss antiker Vorstellungen kann in der für die Handlung in „Otherland“ in mehrfacher Hinsicht bedeutenden Rolle von Träumen und Traumdeutung gesehen werden, die daher ebenfalls untersucht werden soll.
Simon Lentzsch hat an der Universität zu Köln Geschichte und Germanistik studiert (2004-2010). Seit 2013 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität zu Köln (Lehrstuhl: Prof. Dr. K.-J. Hölkeskamp) und arbeitet an einer Promotion im Bereich der Geschichte der römischen Republik. Zu weiteren Interessensgebieten zählen Erinnerungs- und Geschichtskulturen der Antike, Militärgeschichte der Antike sowie die Antikenrezeption.