Das „Imperium of Man“ und die „Xenos“ (Christian Urs Wohlthat)

Das „Imperium of Man“ und die „Xenos“

Antikenrezeption „In der Finsternis der Fernen Zukunft“ von „Warhammer 40,000“
Das Miniaturenspiel „Warhammer 40,000“ hat seit 1987 sieben Generationen seiner Regeln durchlebt und stellt innerhalb des Hobbysektors der sogenannten „tabletop wargames“ das marktführende Produkt dar. Das Hobby an sich ist zwar bedeutend älter und erfreute sich in der englischsprachigen Welt bereits seit Jahrzehnten einer Beliebtheit, die hier noch unerreicht ist, aber Warhammer 40,000 gehört zu den frühen Vertretern der „science fiction wargames“. Das Genre erfreute sich seit den 1980ern immer größerer Beliebtheit und interagierte stark mit anderen Arten der Freizeitbeschäftigung: Wie andere fiktive Spielwelten hat Warhammer 40,000 dabei neben Regelbüchern vor allem auch Romane, Brettspiele und Computerspiele als hervorgebracht. Gemein ist allen Produkten, dass in einer fiktiven Zukunft unserer eigenen Galaxie spielen.
Die verschiedenen Erzählungen in Form von Kurzgeschichten und Romanen, die von dieser angeblichen Zukunft unserer Galaxie erzählt werden, zeichnen sich dabei durch einige Motive aus, die in beinahe allen diesen „Zeugnissen“ wiederzufinden sind: Eine Form von Magic Realism, eine epische, offenbarte Eschatologie und ein dystopischer Grundgedanke, die alle drei um ein „wir gegen die“ des „ Imperium of Man“ gegenüber den sogenannten „Xenos“ kreisen. Diese Dyade ist ein grundsätzlich anthropozentrisch und hierin spezifisch eurozentrisch strukturiertes Modell von Identität und Alterität:
• Imperium of Man: Die fiktive Form unserer Galaxie wird im 41. Jahrtausend von einem Imperium beherrscht, dessen Bewohner hauptsächlich Menschen sind. Nicht-menschliche Lebensformen – komplexiv als Xenos bezeichnet – besitzen weniger oder gar keine Rechte und werden schlimmstenfalls gezielt getötet. Die Veraltungssprache des Imperiums ist eine mit Latinismen durchsetzte Variante des Englischen. Das Imperium existiert seit 10.000 Jahren in einem Stadium des permanenten Verfalls, nachdem sein erster (und einziger) Imperator in einer Rebellion seines obersten Kriegsherren und Sohnes beinahe getötet wurde. Nach der schweren Verletzung des Imperators konnte er nur durch einen medizinisch-magischen Wunderapparat am Leben gehalten werden. Das Imperium konnte er dabei nur vor äußeren und inneren Feinden schützen, indem ihm täglich unzählige Psioniker geopfert werden, die seine eigenen psionischen, d.h. übernatürlichen Kräfte aktiv halten konnten. Seit seiner Entrückung in diesen Apparat (der „Goldene Thron“), wird der Imperator als Gott verehrt. Die Verehrung wird von der Ekklesiarchie organisiert. Diese erscheint ihrerseits als dystopische Interpretation der frühneuzeitlichen christlichen Kirche, mit eigener Inquisition für die Verfolgung Andersdenkender (Häretiker), Andersartiger (Mutanten und Xenos), Psioniker und insbesondere der Diener der übernatürlichen Wesen aus der parallel Dimension des Warp, die als Götter und Dämonen des Chaos bezeichnet werden. Über ihre Existenz ist die Masse der Menschen jedoch in Unkenntnis.
• Xenos: Als Xenos bezeichnen die Menschen alle nicht-menschlichen Wesen, auch und insbesondere die Kulturschaffenden. Diese werden grundsätzlich als feindlich und nicht per se lebenswert betrachtet. Das Verhältnis des Imperiums zu den verschiedenen Arten von Xenos bestimmt sich nur aufgrund der jeweiligen Nützlichkeit oder auf Basis längerer positiver oder negativer Kontakte. In der Praxis führt das zu Xenos die kategorisch als feindlich eingestuft werden – etwa die unzivilisierten Orks oder betrügerischen Dark Eldar – oder solche, die sich situativ als Verbündete eignen könnten, wie die als mysteriös beschriebenen Eldar.
Insgesamt fallen bei den Leitmotiven der grobe Schnitt der Erzähllinien und die zahllosen Anleihen an historische und moderne Erzähltraditionen auf. Dies überrascht kaum, wenn man bedenkt, dass es sich bei allen Geschichten in erster Linie um Ausschmückungen für ein Strategiespiel handelt, die nicht geschlossen glaubwürdig sein sollen, sondern das Spiel atmosphärisch unterstützen sollen (im Soziolekt der Fangemeinschaft fluff genannt).
Die Anleihen an antike Erzählmotive bei der Beschreibung der Xenos soll – nicht zuletzt aufgrund der innerweltlichen Namenswahl für die Außerirdischen – am Beispiel von Barbarenstereotypen der Antike näher beleuchtet werden. Anstoß gibt dabei die von Nesselrath 2009 vorgestellten drei Haupttypen von Barbarentopiken: Die mystischen, religiös vorbildlichen Ägypter, die Herodot grundsätzlich positiv bewertet, auch wenn er die ungriechischen Herrschaftsstrukturen bemängelt. Hier bestehen Ähnlichkeiten zu den Eldar, die ebenfalls als mysteriös und unergründlich beschrieben werden und deren Schriftzeichen z.T. ägyptisierend sind. Als zweites nennt Nesselrath bei Herodot die Skythen, die „born to be free“ sind und unbeherrschbar sind wie es auch den Orks von Warhammer 40.000 nachgesagt wird. Zuletzt führt Nesselrath die Perser Herodots an, die einerseits „der große Feind“ sind – eine der Bezeichnungen für eine der vier Chaos-Gottheiten von Warhammer 40.000, mit der die Dark Eldar in besonderer Verbindung stehen. Die Perser gelten als unzuverlässig und grausam, Elemente, die sich besonders auch bei den Dark Eldar finden.
Christian Urs Wohlthat hat an der Universität Duisburg-Essen Geschichte, Anglistik und Pädagogik studiert. Er promoviert an der Universität Würzburg zu den Akteursgruppen des Isis-Kultes und ihrer sozialen Zugehörigkeit in der Kaiserzeit. Zu seinen Forschungsfeldern gehören die antike Religionsgeschichte, die antike Wissen(schaft)sgeschichte, sowie Konzepte von Alterität und Identität und Narrationstheorien.