Starship Troopers zwischen Kaltem Krieg und Utopie nach antiken Vorbildern (Christian Weigel)

Der Einzelne macht für das Gemeinwohl mobil – Starship Troopers zwischen Kaltem Krieg und Utopie nach antiken Vorbildern

Als Robert Anson Heinlein am 5. April 1958 in Colorado Springs seine Tageszeitung aufschlug, fiel ihm eine ganzseitige Zeitungsanzeige des ‚National Committee for a Sane Nuclear Policy‘ ins Auge: Darin wurde Präsident Eisenhower aufgefordert, auf das Angebot der UdSSR vom 31. März 1958 einzugehen und ein bilaterales Abkommen über den Verzicht auf Atomwaffentests abzuschließen – notfalls als einseitiges Moratorium. Heinlein gab später zu Protokoll, völlig entsetzt gewesen zu sein, unterbrach seine Arbeiten an ‚The Heretic‘ (später als ‚Stranger in a Strange Land‘ publiziert) und begann eine Phase geradezu hektischer politischer Aktivität. Mit seiner Frau gründete er die nach einem Gründungsvater benannte ‚Patrick Henry League‘, die sich dem Kampf gegen ein solches Abkommen verschrieb. Wenige Tage später veröffentlichte er am 12. April 1958 eine Gegenanzeige in mehreren Tageszeitungen, in der er seiner Wut über den als Irrweg empfundenen möglichen Verzicht auf Atomwaffentests Ausdruck verlieh: Da ein konventioneller Krieg gegen den Kommunismus aufgrund der schon von den Bevölkerungszahlen her klaren Kräfteverhältnisse nicht zu gewinnen sei, sei die Stärkung des US-Atomwaffenarsenals und die abschreckende Wirkung, die davon ausgehe, von existentieller Bedeutung für die Vereinigten Staaten von Amerika. Die unbestrittenen Gefahren von Atomtests und Radioaktivität seien im Vergleich mit der Gefahr, in kommunistische Sklaverei zu geraten, weniger wichtig. Gleichzeitig begann Heinlein an den Arbeiten zu ‚Starship Troopers‘, dessen Manuskript er – nach eigenen Aussagen immer noch wütend – in drei Wochen fertigstellte. Als ‚The Starship Soldier‘ bot er es seinem Verlag Scribner an, bei dem er zwölf Jahre lang sehr erfolgreich Jugend-Science-Fiction-Romane publiziert hatte. Der Verlag lehnte das Manuskript als zu kontrovers ab, so dass die Geschichte erst 1959 und in mehreren Episoden im ‚Magazine of Fantasy and Science Fiction‘ erschien, bis sie im Dezember als vollständiger Roman in seiner bis heute gültigen Form bei Putnam publiziert wurde. Das Buch mit offensichtlich anti-kommunistischer Botschaft wurde stark kritisiert, gewann aber dennoch 1960 den Hugo Award als bester Science-Fiction-Roman des Jahres. Und in der Tat scheint die Interpretation als politisch stark dem Zeitgeist verhafteter Jugendroman deutlich zu kurz zu greifen. Die von Heinlein skizzierte Weltordnung der ‚Terranischen Föderation‘, die neben der Erde eine Vielzahl von kolonisierten Planeten umfasst und in einen Krieg mit insektoiden Aliens und ihren humanoiden Verbündeten gerät, ist komplexer und trägt utopische Züge: Wahlrecht erhält nur, wer gedient hat; dieses Wahlrecht wiederum ist Grundlage für eine politische Karriere. Die Föderation wird somit von Veteranen regiert, die von Veteranen aus ihrer Mitte gewählt werden. Wobei ‚veterans‘zu Beginn der Zeitlinie der Handlung (und somit in der Konzeption des Romans) mitnichten mit kriegs- oder kampferfahrenen Gruppen von Soldaten gleichzusetzen sind. Denn der ‚federal service‘ an der Gesellschaft geht über die reine militärische Abwehr einer äußeren Gefahr – ob nun kommunistisch oder insektoid – hinaus. Heinlein vereint die Ideen des für den Kampf freigestellten Spartiaten mit dem wehrhaften Schweizer Bürger und dem zoon politikon athenischer Prägung. Erstaunlicherweise trägt der Roman dabei stark ambivalente Züge: Die aus der Sicht des Philippinen Juan ‚Johnny‘ Rico geschilderte Handlung dreht sich vor allem um seine Ausbildung und Konditionierung als Mitglied der Elitetruppe der ‚Mobilen Infanterie‘. Der Rahmen von Bürgerpflicht, historischer Mission und menschlicher Opferbereitschaft für das große Ganze ist nur der Firnis unter dem im konkreten Fall des Protagonisten der reine Drill und eine dadurch internalisierte Form von Kameradschaft und Verantwortung gegenüber dem Nebenmann zum Vorschein kommt. Direkt im Romantext erfolgt die Rezeption der Antike somit auch eher im Rahmen plakativer historischer Exempla, der Gesellschaftsentwurf bleibt dabei aber Traditionslinien verhaftet, die bis in die griechische Antike zurückreichen. Die Untersuchung soll diese Traditionen herausarbeiten und in Bezug mit Heinleins politischen Ansichten und der amerikanischen Geschichte der 1930er bis 1950er Jahre setzen.

Christian Weigel studierte bis 2012 Alte Geschichte, Mittlere und Neuere Geschichte,
Politische Wissenschaft und Rechtswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-
Wilhelms-Universität Bonn, wo er mit einer Magisterarbeit über „Demographische
Grundlagen im kaiserzeitlichen Ägypten“ abschloss. Seit 1. Oktober 2013 ist er mit dem
Dissertationsthema „Hauswirtschaft und Familie im antiken Roman“ wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Universität Bonn im DFG-Graduiertenkolleg „Archäologie vormoderner
Wirtschaftsräume“.